Hintergrund

Die COVID-19-Pandemie ist die bisher größte gesundheitspolitische Herausforderung unseres Jahrhunderts [1, 2]. Die internationale Vernetzung trägt sowohl zu einer umfangreichen Berichterstattung als auch einem schnellen Erkenntnisgewinn über die neuartige Krankheit durch die Wissenschaft bei. Trotzdem steht rund 9 Monate nach Beginn der Pandemie keine ausreichend effektive pharmakologische Intervention, sondern ausschließlich die Verhaltensänderung der Bevölkerung als effektive Bewältigungsstrategie zur Verfügung [3].

Innerhalb der ersten Monate der Pandemie wurden die täglichen Pressebriefings des Robert Koch-Instituts (RKI) in der Presse zitiert und auch live übertragen. Parallel dazu baute die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ein strukturiertes Informationsangebot für die breite Bevölkerung auf, welches Verhaltensempfehlungen und die aktuelle Sachlage in diversen Sprachen und auch in leichter Sprache oder für weitere spezifische Bedarfe anbietet. Die Gesundheitsinformationen wurden zudem zielgruppengerecht für Familien, Einrichtungen (wie Kitas und Schulen) sowie für Arbeitgeber, Pflegekräfte und Minoritäten aufbereitet. Für diese Informationsangebote an Politik und Bevölkerung leiten das RKI und die BZgA aus der aktuellen Evidenz die bestmöglichen Handlungsempfehlungen ab. Ob ein ausreichend großer Anteil der Bevölkerung diesen Empfehlungen folgt, hängt – basierend auf Erkenntnissen aus früheren Pandemien und Krisensituationen – unter anderem vom Vertrauen in diese beiden Institutionen ab [1].

Eine Erwartung in Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit der Institutionen [4] sowie die Wahrnehmung der Institution als wohlwollend [5], moralisch und rechtlich den Bürger/innen verpflichtet [6] bestimmt das Vertrauen. Vertrauen in Institutionen wird als kognitive Einstellung verstanden, die vertrauende Handlungen (die Einhaltung von gesetzlich erlassenen Maßnahmen und darüber hinausgehenden Empfehlungen) motivieren kann [7]. Daher sollte das Ausmaß an Vertrauen in die Institutionen dazu beitragen, wie stark die Bevölkerung Hygienemaßnahmen, Abstandsregeln und das Tragen von Gesichtsmasken in ihr pandemisches Verhaltensmuster aufnimmt.

Das Vertrauen in Institutionen beeinflusst die Risikowahrnehmung (reduziert Emotionen wie Angst, Sorge, Stress [8]), hilft beim Umgang mit Komplexität und ist ausschlaggebend für die Legitimierung von Behördenentscheidungen [9]. Damit ist Vertrauen in die Institutionen ein relevanter Einflussfaktor auf die Entwicklung der Pandemie [10]. Da Vertrauen durch eigene Erfahrungen und durch die Erfahrungen wichtiger, stellvertretender Personen (erlebbar z. B. durch Berichte in den Medien) generalisiert wird [11], müssen Veränderungen im Vertrauen über den Verlauf der Pandemie mit dem Vertrauen in Institutionen vor der Pandemiesituation verglichen werden.

Obwohl Vertrauen in Institutionen seltener untersucht wird als Vertrauen zwischen Personen [12], stehen einige Studien als Vergleichswerte aus Zeiten vor der Pandemie zur Verfügung. Daten aus den ALLBUS-Studien zeigen, dass etwa 2 Drittel der Deutschen ein Mindestvertrauen (mittleres bis hohes Vertrauen) in das deutsche Gesundheitssystem haben [12]. Trotzdem ist über die Jahre ein Vertrauensverlust erkennbar. Im Gesundheitsmonitor der Bertelsmann-Stiftung haben über 50 % der Befragten ein mittleres bis hohes Vertrauen in das Gesundheitssystem angegeben [13]. Allerdings gibt nur ein geringer Teil der Probanden hohes Vertrauen an, wenn nach dem Vertrauen in spezifische Institutionen wie dem Bundesministerium für Gesundheit (19 %) oder die Regierung (25 %) gefragt wird. Weiter zeigt sich, dass sich das Vertrauen zwischen verschiedenen Zielgruppen stark unterscheidet. So haben z. B. 72 % der höher gebildeten Probanden angegeben, ein höheres Vertrauen in das Gesundheitssystem zu haben, während dies nur für 28 % der Probanden mit niedriger Bildung gilt [14].

Ziel dieser Arbeit ist es, aus den querschnittlichen Daten der COVID-19 Snapshot Monitoring(COSMO)-Erhebungen über den Verlauf des ersten halben Jahres der Coronaviruspandemie zu explorieren, ob und ggf. wie sich das Vertrauen in die 2 Institutionen im Verlauf der ersten 6 Monate der Pandemie geändert hat und wie es mit pandemiespezifischen Einstellungen, der affektiven Risikowahrnehmung und Verhaltensweisen zusammenhängt. Zudem sollen Gruppen identifiziert werden, die von Interventionen zur Steigerung von Vertrauen profitieren könnten.

Methode

Prozedur

In querschnittlichen Onlinebefragungen wurden mit Beginn der Pandemie in Deutschland seit dem 03.03.2020 wöchentlich etwa 1000 Personen befragt [15]. Ab dem 26.05.2020 erfolgte die Erhebung zweiwöchentlich. Die Stichproben wurden gemäß des Zensus 2011 [16] nach Alter, Geschlecht (gekreuzt) und Bundesland (ungekreuzt) der deutschen Bevölkerung quotiert. Eine Erhebungsphase dauerte jeweils von 10 Uhr morgens am Dienstag bis 24 Uhr am darauffolgenden Mittwoch, umfasst also ca. 2 Tage.

Material

Rohdaten, eine Übersicht aller verwendeten Variablen sowie das Durchführungsskript der Analysen sind online verfügbar [17]. Als soziodemografische Variablen wurden Alter, Geschlecht, Bildung (niedrig: weniger als 9 Jahre, mittel: > 10 Jahre ohne Abitur, hoch: > 10 Jahre mit Abitur) sowie Wohnortgröße (Kleinstadt: < 5000 Einwohner, Mittelstadt: > 5000–100.000 Einwohner, Großstadt: > 100.000 Einwohner) erhoben. Die Auswahl dieser soziodemografischen Variablen unterliegt sowohl theoretischen Überlegungen (mögliches Targeting von vertrauensfördernden Maßnahmen [18, 19]) als auch methodischen Überlegungen (durchgängig erhobene Variablen über alle Erhebungszeitpunkte, Begrenzung der Prädiktoren insgesamt). Vertrauen wurde ab der ersten Erhebung auf einer 7‑stufigen Skala (1 sehr wenig Vertrauen bis 7 sehr viel Vertrauen) erhoben [15]. In randomisierter Reihenfolge wurde Vertrauen in das RKI, die BZgA sowie in andere Institutionen, wie z. B. die Regierung, die Gesundheitsministerien oder Ärzte und Krankenhäuser, erhoben.

Akzeptanz der Maßnahmen wurde mit 2 Items ab der 10. Erhebung (05.05.2020) abgefragt. Jeweils auf einer 7‑stufigen Skala gaben die Teilnehmenden an, ob (a) die Einschränkungen und (b) die Lockerungen der Einschränkungen als übertrieben wahrgenommen werden (1 stimme überhaupt nicht zu bis 7 stimme voll und ganz zu).

Verhalten wurde ab der 7. Erhebung (14.04.2020) 5‑stufig abgefragt (1 nie, 2 selten, 3 manchmal, 4 häufig, 5 immer). Beim Verhalten konnte man „trifft nicht zu“ auswählen. Diesen Teilnehmenden werden dann fehlende Werte zugeordnet, sie gehen nicht in die Analysen mit ein. Verhalten zur AHA+L-Regel (Abstand wahren, auf Hygiene achten, Alltagsmaske tragen, Lüften) wird in einem Mittelwert zusammengefasst (Cronbachs Alpha: 0,57). Außerdem wird die Tendenz, private Feiern sowie öffentliche Orte zu meiden, untersucht.

Affektive Reaktionen wurden mithilfe semantischer Differenziale ab der 7. Erhebung (14.04.2020) ohne Zeitbezug erfasst („Das neuartige Coronavirus ist für mich …“). Teilnehmende orteten sich in einem 7‑stufigen Bereich zwischen 2 Endpunkten ein (z. B. angsteinflößend – nicht angsteinflößend). Die Einschätzungen zu Angst, Besorgnis und Präsenz des Themas (umcodiert in 1 niedrig bis 7 hoch) werden in einem Mittelwert zu negativem Affekt zusammengefasst (Cronbachs Alpha: 0,82). Dieser wird als Indikator der affektiven Risikowahrnehmung interpretiert [20].

Weitere Bereiche (z. B. Wissen oder Lebenszufriedenheit) werden ebenfalls regelmäßig abgefragt. Zu den Interessenschwerpunkten einzelner Erhebungen zählen psychologische Konstrukte, wie Resilienz oder Wohlbefinden, und experimentelle Studiendesigns zu (potenziellen) eindämmenden Maßnahmen [21]. Die Erhebungen dauern durchschnittlich zwischen 15 min und 20 min. Das COSMO-Projekt wurde vom Ethikbeirat der Universität Erfurt geprüft und als ethisch unbedenklich bewertet (#20200501).

Auswertung

Im ersten Schritt werden die absoluten Vertrauenswerte gegenüber den Institutionen RKI und BZgA in Bezug zu denen der anderen Institutionen gesetzt. Anschließend wird für die beiden Institutionen anhand linearer Regressionen mit Rückwärtselimination ermittelt, ob bestimmte Bevölkerungsgruppen (Alter, Geschlecht, Bildung, Wohnortgröße, Beruf im Gesundheitssektor, chronische Erkrankung) stärkeres oder schwächeres Vertrauen zeigen sowie ob sich dieser Effekt über die Zeit verändert (als Interaktionsterm für Zeit × demografischer Prädiktor). Zuletzt wird mit bivariaten Korrelationen geprüft, ob Vertrauen in die Institutionen mit affektiver Risikowahrnehmung, Akzeptanz von Maßnahmen und Verhalten zusammenhängt. Damit lässt sich die Frage beantworten, ob Personen mit höherem Vertrauen in Institutionen die Pandemiesituation besser bewältigen und stärker zur gemeinsamen Bekämpfung der Pandemie durch Verhaltensveränderung beitragen.

Ergebnisse

Insgesamt gingen N = 18.874 Befragte aus 19 Erhebungen in die Auswertung ein. Eine genaue demografische Verteilung kann Tab. 1 entnommen werden. Durch fehlende Werte wurden die unstandardisierten Regressionen mit N = 16.109 Befragten durchgeführt. In den Korrelationen zwischen Vertrauen in das RKI und die BZgA und Akzeptanz (N = 9689), Risikowahrnehmung (N = 12.409) und Verhalten (N = 12.409) werden Teilnehmer/innen ab der 7. (14.04.2020) bzw. 10. (26.05.2020) Erhebung berücksichtigt.

Tab. 1 Verteilung der Stichproben im COVID-19 Snapshot Monitoring (COSMO) nach Demografie

Vertrauen in der Pandemie

Abb. 1 zeigt die Selbstauskunft zum Vertrauen in die Institutionen über die Zeit und erlaubt einen Vergleich zwischen RKI und BZgA (a) sowie zwischen verschiedenen in der Krise verantwortlichen politischen Organen (Gesundheitsministerium, Bundesregierung (b)), dem Gesundheitswesen (Gesundheitsämter, Krankenhäuser, Ärzte (c)) und der Wissenschaft, der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und den Medien (d). Das RKI hat gemeinsam mit der Wissenschaft die höchsten Vertrauenswerte. Die BZgA verortet sich auf gleicher Ebene mit politischen Organen. Insgesamt ist das Vertrauen in die Verantwortlichen in der Krise hoch und über die Zeit relativ stabil. Besonders in der Phase der Kontaktbeschränkungen zu Beginn der Pandemie (Ende März–Anfang Mai) war das Vertrauen hoch. Den Medien wird insgesamt am wenigsten vertraut – sie liegen konstant unter dem Skalenmittelpunkt (Wert 4), der Indifferenz ausdrückt.

Abb. 1
figure 1

Vertrauen in verschiedene Institutionen: a RKI/BZgA, b Regierung (Bundesgesundheitsministerium, Landesgesundheitsministerium, Bundesregierung), c Gesundheitswesen (Ärtze/Arztinnen, Krankenhäuser, Gesundheitsämter), d Wissenschaft/WHO/Medien. Mittelwerte und 95 %-Konfidenzintervalle pro Erhebung 2020 aus dem COVID-19 Snapshot Monitoring (COSMO). (Originalitem: „Wie viel Vertrauen haben Sie in die unten stehenden Personen und Organisationen, dass sie in der Lage sind, gut und richtig mit dem neuartigen Coronavirus umzugehen?“ Skala: 1 – sehr wenig Vertrauen; 7 – sehr viel Vertrauen, fehlende Werte durch Antwortoption „keine Angabe möglich“. In den 4 Panels ist jeweils eine Teilgruppe der Institutionen farblich hervorgehoben, alle anderen Institutionen sind in hellgrau dargestellt. Immer, wenn sich Konfidenzintervalle (senkrechte Balken) nicht überschneiden, sind die Ergebnisse für Vertrauen in Institutionen signifikant unterschiedlich)

Vertrauen in das Robert Koch-Institut

Das Vertrauen in das RKI war während der Anfangsphase der Pandemie sehr hoch und sank über die Dauer der Pandemie leicht (Abb. 1; Tab. 2: Prädiktor „Erhebungszeitpunkt“). Ein höheres Vertrauen in das RKI geht über alle Erhebungszeitpunkte mit höherem Alter der Befragten, höherem Bildungsniveau, Vorliegen einer chronischen Erkrankung und höherer Einwohnerzahl der eigenen Gemeinde einher. Befragte Männer weisen signifikant weniger Vertrauen in das RKI auf als Frauen. Die Interaktionseffekte zwischen Zeit und Geschlecht zeigen allerdings, dass dieser Unterschied im Zeitverlauf verschwindet, weil Frauen deutlicher an Vertrauen verlieren. Vertrauen in das RKI sinkt in kleinen Gemeinden deutlicher als in großen.

Tab. 2 Ergebnisse der Regressionen für Vertrauen in RKI und BZgA

Vertrauen in die BZgA

Auch das Vertrauen in die BZgA sinkt leicht über die Zeit (Abb. 1). Und auch für höheres Vertrauen in die BZgA sind höheres Alter, höherer Bildungsgrad und höhere Einwohnerzahl der Gemeinde fördernde Prädiktoren (Tab. 2). Frauen haben höheres Vertrauen in die BZgA als Männer. Die Interaktionseffekte zwischen Zeit und Bildung zeigen, dass höher gebildete Menschen nicht nur generell höheres Vertrauen in die BZgA haben, sondern dies über die Erhebungen hinweg auch eher aufrechterhalten. Teilnehmende mit niedriger Bildung starten mit geringerem Vertrauen und verlieren Vertrauen über die Zeit. Die Effektstärken fallen in dieser Analyse insgesamt geringer aus als beim Vertrauen in das RKI.

Über beide Regressionen leisten die demografischen Variablen insgesamt nur eine geringe Aufklärung von Unterschieden im Vertrauen (RKI r2 = 0,026, BZgA r2 = 0,011, Tab. 2).

Welche pandemierelevanten Variablen hängen mit Vertrauen zusammen?

Abb. 2 zeigt Korrelationen zwischen pandemierelevanten Variablen und Vertrauen. Über alle Erhebungen zeigen sich signifikante Zusammenhänge zwischen dem Vertrauen in Institutionen und der Einschätzung von Maßnahmen und Lockerungen (a, b), der affektiven Risikowahrnehmung (c, d) sowie Verhalten (e, f). Die Korrelationen und Zeitverläufe sind für BZgA und RKI nahezu identisch. Für diese Analysen liegen vollständige Daten aus 10 Erhebungen (Mai 2020–August 2020) vor. Vertrauen und Verhalten korrelieren positiv: Wer den Institutionen mehr vertraut, befolgt auch eher die Empfehlungen zur AHA+L-Regel, zum Vermeiden von Feiern und zur Vermeidung von öffentlichen Orten. Die Höhe der Korrelation ist für die freiwilligen Maßnahmen (öffentliche Orte und Feiern vermeiden) über die Befragungen stabil, während der Zusammenhang für das Einhalten der AHA-Regel sogar leicht steigt. Die affektive Risikowahrnehmung ist höher, wenn das Vertrauen in die Institutionen auch höher ist. Teilnehmende, die den Institutionen mehr vertrauen, finden Lockerungen eher übertrieben und Maßnahmen eher nicht übertrieben.

Abb. 2
figure 2

Zusammenhänge zwischen dem Vertrauen in RKI und BZgA und der Einschätzung von Maßnahmen und Lockerungen (a,b), der affektiven Risikowahrnehmung (c,d) sowie Verhalten (e,f). Korrelationen und 95 %-Konfidenzintervalle pro Erhebung 2020 aus dem COVID-19 Snapshot Monitoring (COSMO). (Je höher das Vertrauen, desto eher wird den Maßnahmen zugestimmt und desto mehr werden Lockerungen als übertrieben wahrgenommen (a,b). Je höher das Vertrauen, desto höher die affektive Risikowahrnehmung (c,d). Je höher das Vertrauen, desto mehr präventives Verhalten wird gezeigt. Die Korrelationen zwischen Vertrauen und Verhalten steigen über die Zeit (e,f))

Diskussion

Das Vertrauen in die Institutionen, die die Bevölkerung und Politik mit evidenzbasierten Informationen versorgen, ist hoch ausgeprägt und über die ersten 6 Monate der COVID-19-Pandemie relativ stabil. Es gibt geringe Vertrauensverluste über die Dauer der Pandemie. In Bezug auf Bevölkerungsmerkmale wie Alter, Geschlecht oder Gemeindegröße bestehen ebenfalls nur geringfügige Unterschiede, wie die Effektgrößen und Gesamtvarianz der Regressionen zeigen. Bildung weist über die Zeit einen (wenn auch geringen) schützenden Effekt gegen Vertrauensverlust auf.

Wer den Institutionen vertraut, hält sich eher an die Regeln und die Einstellung zu Maßnahmen ist weniger ablehnend. Hohe affektive Risikowahrnehmung und hohes Vertrauen in die Institutionen hängen zusammen: Wer dem RKI und der BZgA mehr vertraut, nimmt die Pandemie als ein größeres Risiko wahr (und umgekehrt). Auch wenn hier die Kausalrichtung nicht festzustellen ist, können Personen mit einer hohen affektiven Risikowahrnehmung als eine wichtige Zielgruppe identifiziert werden, da sie offensichtlich gut durch die Gesundheitsbehörden erreichbar sind. So sollten Behörden diesen nicht nur konkrete Handlungsempfehlungen zur Risikoreduktion anbieten, sondern auch Informationen zur Bewältigung eventueller psychologischer Belastungen, die bei Personen mit hoher affektiver Risikowahrnehmung ebenfalls höher sind [22].

Stabiles Vertrauen in Institutionen in und zwischen Pandemiephasen ist für die erfolgreiche Bewältigung der Pandemie von hoher Bedeutung [1]. Da Vertrauen fluktuiert (Abb. 1) und auch über die Zeit unterschiedlich stark mit der Akzeptanz der Maßnahmen zusammenhängt (Abb. 2a, b), sollte es regelmäßig durch Umfragen erfasst [10] und bei Bedarf durch Interventionen adressiert werden [23]. Die Ursache der Fluktuation über die Zeit könnte sich in den Umstellungen der Maßnahmen finden: Im Entscheidungsprozess für die Lockerungen der Maßnahmen wurden zuerst Epidemiologen des RKI und Virologen, im Verlauf dann auch Wirtschaftswissenschaftler, Bildungsexperten und Experten anderer Sachgebiete zur Entscheidungsfindung herangezogen, die nicht als Stellvertreter für die Institutionen RKI oder BZgA sprechen. Die Maßnahmen und Lockerungen waren dabei jedoch immer Entscheidungen unter Unsicherheit. Auch im weiteren antizipierten Verlauf dieser Pandemie werden Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen sein. Ein hohes Vertrauen in die Institutionen, die die Politik und die Bevölkerung direkt in Entscheidungen beraten, kann die Akzeptanz der Entscheidungen selbst fördern [9].

Möglichkeiten, das Vertrauen weiter zu steigern oder stabil zu halten, bestehen in der Organisation von Medienveranstaltungen. In diesen kann zu Veränderungen im Pandemiegeschehen oder zu Entscheidungen über neue Maßnahmen Stellung genommen werden oder es können relevante, neue Forschungserkenntnisse laienverständlich eingeordnet werden [24]. Insbesondere der Effekt für Bildungsunterschiede weist darauf hin, dass eine Einordnung und Übersetzung der rapide wachsenden Forschungsergebnisse in einfache Sprache wichtig sind. Wenn Ergebnisse aus Bevölkerungsumfragen wie COSMO in der Öffentlichkeitsarbeit der Organisationen und ggf. auch Ministerien akzentuiert und zur Entwicklung und Begründung von Maßnahmen verwendet werden, betont dies die Tatsache, dass die Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch der Zielgruppen mit geringerem Vertrauen, für Institutionen in der Pandemie handlungsleitend sind. Außerdem sollten Entscheidungen unter Unsicherheit als solche kommuniziert werden [5].

In Hinblick auf die Nutzung sozialer Medien als Kommunikationskanal sollte in zukünftiger Forschung zu Vertrauen in Institutionen untersucht werden, ob die Zielgruppe mit geringem Vertrauen in die Institutionen auf einschlägigen Kanälen wie Messengerdiensten (z. B. Telegram, WhatsApp) erreicht werden kann. Eine genaue Untersuchung ist vorher jedoch dringend angeraten, um Bumerangeffekte [25] auszuschließen.

Die hier präsentierten Forschungsergebnisse decken sich mit anderen Umfragen im deutschsprachigen Raum zu Vertrauen in der Pandemiebewältigung. In einem Policy-Paper der Universität Konstanz wird zum Beispiel berichtet, dass Probanden durchschnittlich ein mittleres bis hohes Vertrauen in die effiziente Krisenbewältigung haben (im Durchschnitt 6 von 10 möglichen Punkten) und überzeugt sind, dass alle Patienten gleich behandelt werden (im Durchschnitt 6,8 von 10 möglichen Punkten; [26]).

Limitationen

Die Befragung wird querschnittlich erhoben, daher können keine Aussagen zu Kausalzusammenhängen oder individuellen Entwicklungen getroffen werden. Es wurden keine Ergebnisse zur Bekanntheit der Institutionen gesammelt, bevor Vertrauen erhoben wurde. Allerdings gab es in der Abfrage von Vertrauen die Option, „keine Angabe möglich“ auszuwählen. Der Prozentsatz der Befragten, die keine Angabe machen konnten, lag für das RKI zwischen 2 % und 3 %, für die BZgA zwischen 7 % und 10 %. Alle Daten sind Selbstauskünfte, daher ist nicht ausgeschlossen, dass insbesondere Angaben zu Verhaltensweisen geringen Verzerrungen durch soziale Erwünschtheit unterliegen. Das Potenzial sozial erwünschter Angaben ist jedoch in Onlinestudien generell geringer ausgeprägt als in Telefoninterviews oder persönlichen Befragungen [27]. Die Stichprobe ist hinsichtlich der Bildung nicht repräsentativ, es nehmen eher höher Gebildete an der Befragung teil. Aus den Regressionen zum Ursprung von Vertrauen zeigt sich jedoch, dass demografische Variablen insgesamt nur einen geringen Erklärungswert für das Vertrauen in RKI und BZgA besitzen.

Schlussfolgerung

Vertrauen über die ersten 6 Monate der Pandemie ist hoch und stabil, dies wiederum steht in positivem Zusammenhang mit pandemierelevantem Verhalten sowie hoher Akzeptanz der Maßnahmen. Im weiteren Verlauf der Pandemie kann damit eine gute Grundlage für zielgruppenspezifische Information von RKI und BZgA vorausgesetzt werden. Weniger als demografische Unterschiede sind hierbei Zielgruppen zu adressieren, die sich in ihrer affektiven Risikowahrnehmung unterscheiden. Besonders solange zur Eindämmung der Pandemie ausschließlich Verhalten und Restriktionen zur Verfügung stehen und noch nicht auf wirksame therapeutische Interventionen zurückgegriffen werden kann, sollte Vertrauen in die Institutionen sowie Akzeptanz von Verhalten und Restriktionen regelmäßig überprüft und ggf. gefördert werden. Die Ergebnisse zeigen eine hohe Akzeptanz und Vertrauen in die Institutionen. Diese Haltung kann auch für die Vermittlung weiterer notwendiger Maßnahmen genutzt werden.