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Open AccessStudie

Belastungen, positive Veränderungen und Ressourcen von Familien in der COVID-19-Pandemie

Published Online:https://doi.org/10.1026/0942-5403/a000375

Abstract

Zusammenfassung.Theoretischer Hintergrund: Die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie stellten Familien vor Herausforderungen. Es fehlt an Studien, welche die umfassende Vielfalt der subjektiven Erfahrungen abbilden. Fragestellung: Ziel ist, Belastungen, positive Veränderungen und Ressourcen in Familien zu erfassen. Methode: 4 967 Eltern (87.6 % weiblich, 86.7 % mit Hochschulreife) minderjähriger Kinder (0 – 17 Jahre) nahmen an einer Online-Erhebung im August 2020 teil. Belastungen, positive Veränderungen und Ressourcen während der Pandemie wurden durch offene Fragen erfasst. Auf Basis der Freitextantworten wurde ein Kategoriensystem entwickelt und ausgewertet. Ergebnisse: Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (12 %), Sorgen um die Entwicklung der Pandemie (11 %) und eingeschränkte Betreuung und schulische Bildung (9 %) wurden am häufigsten als Belastungen genannt. Positive Veränderungen waren vermehrte Wertschätzung, Dankbarkeit und neue Einstellungen (16 %), engere Beziehungen innerhalb der Familie (13 %) und mehr Zeit mit Menschen (11 %). Wichtige Ressourcen für Familien waren das soziale Miteinander innerhalb der Familie (19 %) und positive Aktivitäten (13 %). Diskussion und Schlussfolgerung: Ansatzpunkte für familienzentrierte Präventionsmaßnahmen sind die Offenhaltung von Betreuungseinrichtungen, eine Flexibilisierung der Arbeitssituation, eine fortlaufende Aufklärung über notwendige Maßnahmen, Stärkung digitaler Unterstützungsangebote einschließlich der Verbesserung der Medienkompetenz, die Ermöglichung von Freizeitaktivitäten, sowie die Verbesserung psychosozialer Unterstützungsmaßnahmen.

Burdens, Positive Aspects, and Resources in Families During the COVID-19 Pandemic

Abstract.Theoretical Background: The COVID-19 pandemic and the resulting consequences led to new family challenges (e. g., school and daycare closings, home office). Studies examining the variety of experiences are scarce. Objective: We examined (1) what burdened families the most during the pandemic, (2) whether there were positive changes in families, and (3) what resources helped parents to manage the crisis. Method: We conducted an online survey in August 2020 in Germany with N = 4 967 parents (87.6 % female, 86.7 % higher school education) with minor children (0 – 17 years). We analysed their answers to three open-ended-questions: (1) “Overall, what caused you the most stress during the pandemic?” (2) “What has changed for the better during the pandemic?” (3) “What helped you the most during the pandemic?”. We used an inductive approach and developed a category system based on the answers. We analysed the frequencies of developed categories using MAXQDA (VERBI Software, 2019). Results: Parents were stressed most by the difficult compatibility of job and family life (12.0 %), worries about the progression of the pandemic (11.1 %), and the closure of care facilities and education institutions (8.5 %). On the other hand, parents also reported positive changes that emerged from the pandemic: more gratitude and new attitudes (16.1 %); closer relationships within the family (13.0 %); and more time to spend with others (10.6 %). Family resources were: social interaction within the family (19.1 %), outside family life (10.9 %), and increased positive activities (13.3 %). Discussion and Conclusion: Our results provide insight into the individual experiences of families during the COVID-19 pandemic in Germany. Based on the results, needs- and family-based interventions can be derived that focus on reducing the burden, on maintaining the positive changes on a long-term basis, and on strengthening family resources. Examples are opening child-care facilities, establishing flexible work arrangements, allowing social contact in social bubbles, providing information on actions, strengthening media competence, providing positive activities, training awareness for positive changes and resources, and disseminating support measures.

In Folge der COVID-19-Pandemie und der ersten Welle an Infektionen im März 2020 in Deutschland wurden Maßnahmen zur Einschränkung des Infektionsgeschehens durch die Bundesregierung beschlossen. Vor allem Familien standen durch die Maßnahmen vor vielfältigen Herausforderungen. Sie waren oft mehrfach von Einschränkungen betroffen z. B. von beruflichen Veränderungen durch die Pandemie (u. a. Homeoffice, Kurzarbeit), Schul- und Kitaschließungen und den Wegfall von Unterstützungssystemen (z. B. Großeltern, Freunde).

Theoretischer Hintergrund

Verglichen mit Erwachsenen ohne Kinder waren Eltern besonders belastet (Gadermann et al., 2021; Hövermann, 2021). In einer eigenen repräsentativen Online-Befragung von Eltern minderjähriger Kinder (N = 1 024) in Deutschland zeigten sich mehr als die Hälfte durch die Schließung von Schulen und Kitas sowie die soziale Distanz zu Familien und Freunden belastet und der Elternstress stieg deutlich (Calvano et al., 2021). In dieser repräsentativen Stichprobe wurde die Belastung der Eltern auch dadurch deutlich, dass ein Viertel der Eltern „Nichts“ antworteten auf die Frage, was sich in der Pandemie zum Positiven verändert habe (Calvano et al., 2021). Bujard, Laß, Diabaté, Sulak und Schneider (2020) stellten im Forschungsbericht vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung Ergebnisse der Mannheimer Corona-Studie vor (2020) und beschrieben einen Anstieg der Kinderbetreuungszeit aufgrund der Kita- und Schulschließungen im April 2020 (Bujard et al., 2020). Die Lebens-‍, Arbeits- und Familienzufriedenheit sanken in der Pandemie bei Eltern (v. a. bei Müttern) in repräsentativen Umfragen in Deutschland (Bujard et al., 2020; Huebener, Waights, Spiess, Siegel & Wagner, 2021; Möhring et al., 2021). Insbesondere die Vereinbarkeit von Familie, Kinderbetreuung und Beruf stellte eine große Belastung dar (Hövermann, 2021; Lochner, 2021). Soziodemografische Faktoren werden im Zusammenhang mit einer erhöhten Belastung diskutiert. Hierzu zählen u. a. ein jüngeres Alter der Eltern und Kinder, das weibliche Geschlecht, ein niedrigeres Bildungsniveau (Calvano et al., 2021; Gadermann et al., 2021; Huebener et al., 2021), alleinerziehend zu sein (Cusinato et al., 2020) und finanzielle Unsicherheiten (Calvano et al., 2021; Russell, Hutchison, Tambling, Tomkunas & Horton, 2020).

Fegert, Vitiello, Plener und Clemens (2020) vermuteten, dass bei erfolgreicher Bewältigung einer Übergangsphase und durch den Wegfall von externen Stressoren (u. a. Termine, Reisen) auch positive Veränderungen im Familienleben wie Ruhe und Entspannung und ein stärkerer Zusammenhalt auftreten können. Studien mit Elternstichproben ergänzen diese Annahmen: das Entdecken von neuen und positiven Aktivitäten (Calvano et al., 2021; Langmeyer, Guglhör-Rudan, Naab, Urlen & Winklhofer, 2020), neue Freiheiten (z. B. längeres Schlafen), weniger Freizeittermine (Andresen et al., 2020) und zusätzliche gemeinsame Zeit (Lochner, 2021) wurden als wesentliche positive Veränderungen benannt.

Neben den Belastungen und möglichen positiven Veränderungen im Rahmen der Pandemie ist die Erfassung von Ressourcen in der Bewältigung der Pandemiesituation wesentlich, um zu verstehen, was Familien in dieser Ausnahmesituation stärkt. Stabiles Einkommen, ein sicherer Arbeitsplatz sowie flexible Arbeitsmöglichkeiten hatten positive Auswirkungen auf den Umgang mit der Krise bei Eltern (Lochner, 2021). Wenngleich Elternschaft mit besonderen Belastungen einherging (Gadermann et al., 2021; Hövermann, 2021), waren die Kinder auch eine wichtige Ressource während der Pandemie. Bujard et al. (2020) berichteten eine deutliche Unzufriedenheit mit dem eigenen Familienleben von Menschen ohne Kinder im Haushalt, die im Homeoffice arbeiteten. In ihrem Ergebnisbericht berichten Langmeyer et al. (2020) über die Situation von Familien (N = 12 628). Erste Ergebnisse zeigen hier, dass für Familien in der Pandemie eine gute und regelmäßige Anleitung durch die Schule in Bezug auf den Distanzunterricht hilfreich waren. Eine Notbetreuung, genügend Wohnfläche sowie einen Rückzugsort wurden ebenfalls als hilfreich identifiziert (Bujard et al., 2020; Langmeyer et al., 2020; Lochner, 2021).

Außerhalb des deutschsprachigen Raums liegen ebenfalls erste qualitative Ergebnisse zu Belastungen, positiven Veränderungen und Ressourcen vor (Dawes, May, McKinlay, Fancourt & Burton, 2021; Goldberg, McCormick & Virginia, 2021), jedoch zumeist auf der Basis von Interviews an kleineren Stichproben. In einem Vorabdruck berichten Dawes et al. (2021) über die Ergebnisse von 29 halbstrukturierten Interviews mit Eltern über die Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden in England, die eine große Spannbreite an Erfahrungen aufzeigen. Eltern berichteten hier von Herausforderungen der mehrfachen Verpflichtungen (u. a. Kinderbetreuung, Hausarbeit und Arbeit), der Unterbrechung der üblichen Routinen, der fehlenden Kontrolle und Änderungen von Unterstützungsmaßnahmen (u. a. Wegfall der Kinderbetreuung/Großeltern). Die Digitalisierung war für einige Eltern eine weitere Belastung, andere empfanden sie als Unterstützung. Auch in Bezug auf persönliche Beziehungen gab es positive (u. a. Stärkung der Beziehung) und negative Veränderungen (u. a. Verlust von physischem Kontakt). Als Ressourcen wurden Aktivitäten und die Vermeidung von negativen Interaktionen und Verhaltensweisen benannt (Dawes et al., 2021). In einer U.S.-Studie wurden Adoptiveltern (N = 89) zu ihren Sorgen während der Pandemie befragt. Diese betrafen u. a. Sorgen um die Gesundheit, finanzielle und arbeitsbezogene Sorgen, Sorgen um die Bildung und das Wohlbefinden der Kinder sowie das eigene Wohlbefinden (u. a. Stress, psychische Gesundheit) (Goldberg et al., 2021).

Nach unserem Erkenntnisstand liegen in Deutschland bisher kaum publizierte, qualitative Analysen an Elternstichproben zur Situation während der Pandemie bezogen auf Belastungen, positive Veränderungen und Ressourcen vor. Qualitative Befragungen bieten eine wertvolle Möglichkeit, einen umfassenden Einblick in die Vielfalt subjektiver Belastungen zu erhalten. Das Ziel des Artikels ist es, an einem großen Datensatz einen Einblick in die Erlebenswelt von Eltern minderjähriger Kinder in der Pandemie in Bezug auf die Belastungen, Ressourcen und positiven Veränderungen durch eine qualitative Herangehensweise zu geben. Aus den Erkenntnissen können anschließend familienzentrierte Präventionsmaßnahmen abgeleitet bzw. weiterentwickelt werden.

Methode

Studiendesign

Vom 2. August 2020 bis 16. September 2020 nahmen N = 5 020 Eltern minderjähriger Kinder an einer online Befragung teil. Verwendet wurde die Software keyingress (Ingress GmbH), die durch das INFO Marktforschungsinstitut zur Verfügung gestellt wurde. Teilnehmende wurden durch E-Mails (u. a. Schulen, Kitas, Sportvereine, Kliniken) und soziale Medien (u. a. Gruppen in Facebook, Instagram, Twitter) auf die Studie aufmerksam gemacht und konnten über einen Link teilnehmen. Die meisten Teilnehmenden wurden über soziale Medien bzw. das Internet (64,8 %) rekrutiert, 15.5 % über Freunde und Familie, 11.1 % über Schulen und 5.3 % über den Kindergarten. Weitere 8.8 % der Eltern wurden über vielfältige weitere Rekrutierungswege eingeschlossen, z. B. über berufliche Kontakte, Vereine, kinder- und jugendpsychiatrische Kliniken, ärztlich bzw. psychotherapeutisch Tätige für Kinder und Jugendliche sowie die Zeitung. Insgesamt n = 53 Personen wurden aufgrund von zu kurzer nicht-valider Bearbeitungszeit aus den Analysen ausgeschlossen. Die vorliegenden Daten sind die Baselineerhebung einer Längsschnittstudie „Elternschaft in Coronazeiten“.

Messinstrumente

Die vorliegenden qualitativen Daten sind Teil einer umfassenden Elternbefragung, die schwerpunktmäßig mittels Fragebögen den Elternstress, die körperliche und psychische Gesundheit der Eltern, pandemiespezifische Belastungen sowie das Auftreten von Kindesmisshandlung und Vernachlässigung und assoziierte Risikofaktoren erfasst (vgl. Calvano et al., 2021). Am Schluss der Erhebung wurden die Eltern gebeten, auf drei offene Fragen zu antworten: (1) „Was hat Sie insgesamt in der Zeit der Corona-Pandemie am meisten belastet?“, (2) „Was hat sich in Ihrem Leben in der Zeit der Corona-Pandemie zum Positiven verändert?“ (3) „Was hat Ihnen während der Corona-Pandemie am meisten geholfen?“. Die Fragen wurden den Teilnehmenden einzeln und nacheinander dargeboten und es stand jeweils ein separates Antwortfeld zur Verfügung. Bei Frage 3 zu den Ressourcen wurden die Teilnehmenden gebeten drei Aspekte aufzuführen, die ihnen während der Pandemie geholfen haben. Dementsprechend standen ihnen auch drei Antwortfelder zur Verfügung. Da bei dieser Frage ein höherer Schwierigkeitsgrad als bei den offenen Fragen zu den Belastungen und positiven Veränderungen vermutet wurde, sollten die Teilnehmenden durch diese Vorgabe unterstützt werden konkrete Dinge bzw. Aspekte zu nennen. Die Fragen waren keine Pflichtfragen innerhalb der Erhebung.

Stichprobenbeschreibung

In Tabelle 1 sind die soziodemografischen Daten der Stichprobe dargestellt. Das durchschnittliche Alter lag bei 39.1 Jahren (SD = 6.25, range = 20 – 70). Es nahmen vor allem Mütter (87.6 %) teil. Die Familien hatten durchschnittlich 1.82 (SD = .78, range 1 – 11) minderjährige Kinder im Haushalt, die durchschnittlich 6.46 Jahre (SD = 4.25, range = 0 – 17) alt waren. 42.5 % der Teilnehmenden kamen aus Berlin. Die Teilnehmenden hatten mehrheitlich einen hohen Bildungsabschluss (86.7 % mit (Fach–) Hochschulreife).

Tabelle 1 Soziodemografische Daten

Datenauswertung

Für die Auswertung der Antworten wurde die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) gewählt. Aufgrund der Neuartigkeit des Themas wurde eine induktive Herangehensweise verwendet und ein Kategoriensystem auf Basis der vorliegenden Antworten erstellt. Die Auswertung der Antworten wurde mit dem Programm MAXQDA 2020 (VERBI Software, 2019) durchgeführt. Zur Überprüfung der Übereinstimmungen der Kodierungen wurde die Intercoderübereinstimmung bestimmt. Pro Fragestellung kodierten jeweils zwei Personen – jeweils eine Person, die an der Entwicklung des Kategoriensystems beteiligt war und eine Person, welche die Daten im Rahmen einer Abschlussarbeit auswertete. Anschließend wurden Nicht-Übereinstimmungen diskutiert, ein Konsens gefunden und die Kodierregeln entsprechend spezifiziert. Die Intercoderübereinstimmung lag bei der finalen Überprüfung bei 80 % (Κn= 0.79) bei der ersten (Belastungen), bei 81 % (Κn= 0.80) bei der zweiten (positive Veränderungen) und bei 82 % (Κn= 0.81) bei der dritten Fragestellung (Ressourcen). Kappa wurde in Anlehnung an Rädiker und Kuckartz (2019) nach Brennan und Prediger (1981) berechnet. Anschließend wurden die Häufigkeiten der einzelnen Kategorien mit MAXQDA (VERBI Software, 2019) analysiert. Die Prozentangaben sind in Bezug auf die Gesamtnennungen (Kodierungen) angegeben. Das genaue Vorgehen der induktiven Kategorienbildung und Auswertung ist im Elektronischen Supplement 1 in Form eines Ablaufmodells dargestellt. Die Kategoriensysteme für jede Frage sind dem Elektronischen Supplement 2 zu entnehmen. Dort befinden sich auch die Prozentangaben in Bezug auf die Anzahl der Personen.

Ergebnisse

Belastungen während der COVID-19-Pandemie

Viel Streit mit Kindern und Ehemann bis hin zu fast täglichen Selbstmordgedanken, tägliches schweißgebadetes nächtliches Erwachen.

In Abbildung 1 ist die Auswertung der Belastungen während der Pandemie dargestellt. Dargestellt werden alle Kategorien über 5 % Häufigkeit. Insgesamt wurden 8 009 gültige Kodierungen bei 4 967 Personen vorgenommen. 534 (10.8 %) Personen machten keine Angaben. Die folgenden Prozentangaben sind in Bezug auf die Gesamtnennungen (8 009 gültige Kodierungen) angegeben. Die am häufigsten genannte Belastung stellt die Vereinbarkeit der Vielzahl von Aufgaben für die Eltern (12.0 %) dar. Ausgedrückt wurde diese Mehrfachbelastung durch u. a. folgende Aussagen: „Die Anforderungen des Alltags inkl. Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung und Beschulung waren nicht zu schaffen.“, „Der Druck, beruflich nicht pausieren zu können und gleichzeitig wieder in die Rolle der fast ausschließlichen Versorgerin des Kindes gerutscht zu sein.“. Am zweithäufigsten genannt wurden Ängste, die sich auf den Pandemieverlauf und die Zukunft beziehen (11.1 %): „Die Sorge wie es weiter geht und ob jemals wieder ein Leben wie vor Corona möglich ist und wann. Es gab keine Perspektive.“, „Die Ungewissheit – wie lang der Zustand andauert – wann und ob ich meine Eltern wiedersehe – wann und ob überhaupt die Schulen wieder öffnen.“ und „Es war kein Ende in Sicht.“. Die dritthäufigsten genannten Belastungen bezogen sich auf die eingeschränkte Betreuung und Bildung (8.5 %) der Kinder: „… der Kampf ums Homeschooling“, „Die Schulschließungen und der deutliche Unwille der Lehrer die Kinder zu unterrichten, sodass ich die Beschulung der Kinder quasi allein übernehmen musste!“ und „Kitaschließungen“. Als vierthäufigste Kategorie wurde soziale Isolierung (8.3 %) durch die Kontaktbeschränkungen benannt: „Das Alleinsein.“, „Die Einschränkung, die Großeltern nicht sehen zu können.“ und „Ich hatte niemanden außer meinem Partner zum Reden.“. Als fünfthäufigste Kategorie wurden psychosoziale Belastungen in Bezug zum Kind (7.8 %) genannt. Hier wurden Themen wie z. B. Konflikte, Sorgen um das Kind, Ängste, Überforderung und Ungewissheit, was mit dem Kind passiert genannt, z. B. „Das Leiden/Die Traurigkeit der Kinder.“, „extremes genervt sein vom ältesten Kind, aggressive Gedanken gegenüber dem Kind, wenig Zärtlichkeit gegenüber diesem Kind.“ und „Die Kinder adäquat zu Hause zu beschäftigen und ihre Energie zu kanalisieren.“. Weitere Beispiele finden sich im Elektronischen Supplement 2. Nur 0.3 % der Aussagen bezogen sich darauf, durch nichts belastet gewesen zu sein.

Abbildung 1 Anmerkung: Die Prozentangaben sind in Bezug auf die Gesamtnennungen (8 009 gültige Kodierungen) angegeben. Abbildung 1. Darstellung der Belastungskategorien (über 5 % Häufigkeit) in gültigen Prozent.

Das Ausmaß an Belastungen wurde auch durch Aussagen deutlich, die mehrere Kategorien betreffen: „Ich hatte nicht die Möglichkeit, Kindern und Job gerecht zu werden. Um den Job einigermaßen zu machen, habe ich die Kinder oft stundenlang Fernsehen (iPad, etc.) schauen lassen müssen. Mein Partner hat wie selbstverständlich erwartet, dass ich das Kinderthema komplett übernehme, obwohl er auch im Homeoffice war. Ich habe meine Tochter während dieser Zeit zum ersten Mal geohrfeigt.“, „Niemals auch nur fünf Minuten Zeit nur für mich und alleine zu haben. Immer war jemand da, sogar wenn ich auf die Toilette gegangen bin.“ und „Psychische Belastung durch Kinderbetreuung 24x7 ohne Pause und ohne Wegfall sonstiger Aufgaben. Keinerlei Zeit zu schlafen, sich zu erholen, durchzuatmen.“.

Positive Veränderungen während der COVID-19-Pandemie

Fast alles! Meine Kinder hatten Zeit herauszufinden, wer sie sind, was sie wollen und mit wem sie, wie ihre Zeit verbringen. Genauso ging es auch uns Eltern. Wir haben die Coronazeit eher als geschenkte Zeit empfunden. Wir sind als Familie sehr zusammengewachsen, gehen respekt- und liebevoller miteinander um und verstehen uns einfach besser als je!

In Abbildung 2 ist die Auswertung der Antworten in Bezug auf die positiven Veränderungen in der Pandemie dargestellt. Aufgeführt werden alle Kategorien über 5 % Häufigkeit. Insgesamt sind 6 723 gültige Kodierungen bei der Gesamtstichprobe von 4 967 Personen vorgenommen worden, es waren also weniger Kodierungen als bei den Belastungen. 507 (10.2 %) Personen machten keine Angaben. Die folgenden Prozentangaben sind in Bezug auf die Gesamtnennungen (6 723 gültige Kodierungen) angegeben. Die meisten Antworten fanden sich in der Kategorie: Wertschätzung, Dankbarkeit und neue Einstellungen (16.1 %). Beispiele hierfür: „Mehr Achtung für den Job und die Kinderbetreuung in der Kita sowie Erkennen, was wirklich wichtig ist (Gesundheit der Familie und Zeit mit Familie).“, „Ich weiß früher selbstverständliche Dinge mehr zu schätzen.“, „Ich habe gelernt, mir mehr Raum für mich selbst zu nehmen. Loszulassen. Zu akzeptieren, dass ich nicht für alles allein verantwortlich bin.“, „Dankbarkeit gesund zu sein.“ und „Prioritäten auf den Prüfstand gestellt.“. Am zweithäufigsten wurden positive Veränderungen im sozialen Miteinander innerhalb der Familie (13.0 %) benannt: „Engerer Zusammenhalt in der eigenen Familie.“, „gerechtere Aufteilung mit Partner im Bereich Kinderbetreuung und Haushalt“, „Die Geschwister haben ganz schnell eine tiefe Bindung zueinander aufgebaut und das hat uns als Familie gestärkt.“ und „weniger Streit mit meiner Partnerin…“. Zusätzlich zu den positiven Veränderungen im Miteinander gaben Eltern am dritthäufigsten an, mehr Zeit mit Menschen (10.6 %) zu haben. Dies bezog sich v. a. auf „Mehr Zeit mit der Familie“ und „Mehr Zeit mit Kindern“. Insgesamt 617 Äußerungen (9.2 %), und damit die vierthäufigste Kategorie, bezogen sich darauf, dass sich nichts zum Positiven verändert habe. Die meisten antworteten „nichts“, ein Teil der Eltern formulierten ihre Belastung aus: „Nichts. Stehe kurz vor dem nächsten Burnout.“, „Nichts, die Aussichten sind düsterer als vorher.“ und „Ich kann der Corona-Pandemie nichts, aber auch gar nichts Positives abgewinnen! Nichts!“. Am fünfthäufigsten wurden positive Veränderungen in den Arbeitsbedingungen (8.8 %) durch die Pandemie benannt. Hierzu zählen Aussagen, die ein entspannteres oder weniger Arbeiten oder das Homeoffice betreffen: „Reduktion von Arbeitsstress durch Homeoffice.“, „Eine neue Work-Life-Balance.“, „Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes.“, „Der Geschäftsführer meiner Firma hat Homeoffice nie zugelassen, nun gibt es hier endlich eine Öffnung, da wir den Betrieb komplett auf Homeoffice umgestellt haben, und das Arbeiten von zu Hause gefällt mir gut.“ und „Mein Mann lebt für ein halbes Jahr im Haushalt, da er eine befristete Stelle hat, statt als Freiberufler 250 Tage im Jahr unterwegs zu sein.“ Als sechsthäufigste Kategorie wurden weitere Äußerungen in Bezug auf Kinder getätigt (7.2 %). In diese Kategorie fallen Aussagen bzgl. der eigenen Beziehung zum Kind oder der Entwicklung bzgl. der Gesundheit, des Schlafes und der Entspannung der Kinder: „Kinder wurden selbständiger.“, „engere Bindung zum Kind“, „noch mehr Verständnis für die Gefühlslage meines Kindes“, „Sohn kognitiv und sprachlich deutlich weiterentwickelt“, „Selbstvertrauen meines Sohnes.“ und „Die Kinder haben die Zeit mit uns Eltern sehr genossen und waren zu Hause deutlich entspannter.“. Weitere Beispiele finden sich im Elektronischen Supplement 2.

Abbildung 2 Anmerkung: Die Prozentangaben sind in Bezug auf die Gesamtnennungen (6 723 gültige Kodierungen) angegeben. Abbildung 2. Darstellung der Kategorien (über 5 % Häufigkeit) der positiven Veränderungen in gültigen Prozent.

Ressourcen während der COVID-19- Pandemie

Gartenarbeit“, „Sex“ und „Schokolade am Abend

In Abbildung 3 ist die Auswertung der genannten Ressourcen dargestellt. Dargestellt werden alle Kategorien über 5 % Häufigkeit. Insgesamt gab es 14 141 gültige Kodierungen bei 4 967 Personen. 326 (6.6 %) Personen machten keine Angaben. Die folgenden Prozentangaben sind in Bezug auf die Gesamtnennungen (14 141 gültige Kodierungen) angegeben. Als größte Hilfe in der Pandemie gaben Eltern das soziale Miteinander innerhalb der Familie (19.1 %) an. Beispiele hierfür sind: „Unsere tolle Familie.“, „Ehepartner“, „Großeltern“, „gleichberechtigte Partnerschaft“ und „familiäre Vertrautheit“. Als zweithäufigste Ressource wurden positive Aktivitäten (13.3 %) benannt. Diese betreffen diverse Aktivitäten u. a. „regelmäßiges Spazierengehen, Musik hören“, „kleine Fluchten (Lesen, Filme schauen…“, „Entspannungsmethoden, Sport, Bewegung“, „Zugang zur Natur“, „herzhaft zu lachen“, „Computerspiele“, „Spieleabende zusammen“ und „Schreiben/Nähen“. Als dritthäufigste Kategorie wurde das soziale Miteinander außerhalb der Familie (10.9 %) u. a. mit „anderen Eltern“, „Freunden“ und „Nachbarn“ auch durch Telefonieren und Videogespräche benannt. Als vierthäufigste Kategorie wurden digitale (Kommunikations–)‌Medien (8.8 %) benannt. Als Beispiele wurden u. a. aufgeführt: „Telefonate“, „Netflix“, „Skype“, „Videocalls“, „YouTube“, „Internet/Handy“, „Social Media“, „Fernseher“, „WhatsApp“ und „Email“. Als fünfthäufigste Kategorie wurde Wertschätzung, Dankbarkeit und neue Einstellungen (5.8 %) benannt: „Zuversicht“, „Positive Lebenseinstellung“, „Das alle ähnliche Probleme hatten.“, „Der Gedanke, dass wir stark sind und die Zeit gemeinsam durchstehen.“, „Glaube an Gott“, „Gelassenheit“, „zu wissen, dass der Scheiß irgendwann vorbei ist“ und „Dankbarkeit für Gesundheit“. Gefolgt wurde diese Kategorie vom Thema Kinder (5.3 %), also wenn die Beziehung, das Zusammensein oder das Kind selbst benannt wurden. Beispiele hierfür sind: „Gespräche mit den Kindern“, „Kinder um sich zu haben“, „Mit dem Kind Zeit verbringen“. 43 Mal wurde kodiert, dass die Personen angaben, dass „nichts“ (0.3 %) geholfen habe. Weitere Beispiele finden sich im Elektronischen Supplement 2.

Abbildung 3 Anmerkung: Die Prozentangaben sind in Bezug auf die Gesamtnennungen (14 141 gültige Kodierungen) angegeben. Abbildung 3. Darstellung der Ressourcenkategorien (über 5 % Häufigkeit) in gültigen Prozent.

Diskussion

Diese Studie ist eine der Ersten, die Belastungen, positive Veränderungen und Ressourcen systematisch bei Eltern während der COVID-19-Pandemie an einer großen Stichprobe (N = 4 967) untersucht. Es zeigt sich, dass Eltern die COVID-19-Pandemie und die Maßnahmen zur Einschränkung des Infektionsgeschehens sehr individuell wahrgenommen und unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben. In einem offenen Antwortformat gaben Eltern an vor allem durch die Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben, Sorgen um die Entwicklung der Pandemie und eingeschränkte Betreuung- und Bildungsmöglichkeiten der Kinder belastet zu sein. Demgegenüber stehen positive Veränderungen während der Pandemie, die in erster Linie eine vermehrte Wertschätzung, Dankbarkeit und neue Einstellungen, eine engere Beziehung innerhalb der Familie und mehr Zeit mit Menschen betrafen. Deutlich wird auch nochmal die Schwere der Belastung der Eltern, da 9.2 % der Nennungen aussagten, dass sich „nichts“ zum Positiven verändert habe. Als Ressourcen für die Bewältigung der Pandemie gaben Familien an, vor allem durch das soziale Miteinander innerhalb und außerhalb der Familie und von positiven Aktivitäten profitiert zu haben.

Die große Spannbreite von individuellen Erlebnissen von Eltern und deren Familien wird durch die folgenden zwei Aussagen verdeutlicht. So berichtet eine stark belastete Mutter: „Häusliche Gewalt. Wir waren alle mit ihm eingesperrt. Es gab kein Entkommen.“. Demgegenüber steht die Aussage einer anderen Mutter: „Der Stresspegel ist gesunken und es lebt sich ruhiger. Die Zeit mit meinem Kind ist intensiver und die Kommunikation ist besser geworden. Von mir aus kann Corona bleiben.“. Auch Andresen et al. (2020, S. 11) thematisieren diese, wie sie es nennen „Zwei Pole des Erlebens“ in Verbindung mit entlastenden und belastenden Faktoren. Qualitative Ergebnisse außerhalb des deutschsprachigen Raums (Dawes et al., 2021; Goldberg et al., 2021) sind, trotz der nationalen Unterschiede im Infektionsgeschehen und den Restriktionen und der unterschiedlichen Erhebungszeitpunkte und -methoden, mit den Ergebnissen dieser Studie vergleichbar und berichten ebenfalls eine große Spannbreite an Erfahrungen bei Familien.

Die hohe Belastung der Eltern durch die Vereinbarkeit der vielen Aufgaben bzw. Mehrfachbelastung stimmt mit Ergebnissen aus anderen Erhebungen überein (Andresen et al., 2020; Hövermann, 2021; Lochner, 2021). Ebenso wurden die Sorgen bzgl. der Ungewissheit der Pandemieentwicklung (Lochner, 2021), sowie die Belastung der Eltern durch eingeschränkte Betreuungs- und Bildungsmöglichkeiten (u. a. durch Kita- und Schulschließungen) der Kinder vielfach diskutiert (Andresen et al., 2020; Calvano et al., 2021; Langmeyer et al., 2020; Lochner, 2021). Unsere Ergebnisse in Bezug auf die positiven Veränderungen während der Pandemie bestätigen die Annahmen eines potentiellen persönlichen Wachstums, hier in Form einer erhöhten Wertschätzung, Dankbarkeit und neuer Einstellungen (Fegert et al., 2020).

Aus den Ergebnissen der vorliegenden Studie lassen sich demnach Implikationen in Bezug auf den Umgang mit den pandemiebedingten Einschränkungen ableiten, um die Mehrfachbelastung von Eltern zu reduzieren: Die hohe Belastung in Familien durch die Schließung von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen unterstreicht, dass eine Kosten-Nutzung-Abwägung bei den Schließungen der Kitas und Schulen notwendig ist. Sollten Schließungen unvermeidbar sein, so ist eine Notbetreuung notwendig, die nicht ausschließlich Familien in systemrelevanten Berufen umfasst. In Bezug auf die berufliche Situation der Eltern kann eine Flexibilisierung, eine Reduktion der Arbeitszeit und -menge, Möglichkeiten der Elternzeit und Verständnis für die Mehrfachbelastung durch die Arbeitgebenden unterstützend für Familien in der Bewältigung der Krise sein. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Familien dadurch keine finanziellen Nachteile haben. Ebenso sollten die Arbeitgebenden Unterstützungsangebote bzw. -anreize erhalten, um Familien diese Flexibilisierung der Arbeitssituation und damit bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Unsere Daten zeigten, dass das soziale Miteinander für Familien eine Ressource darstellte. Angesichts der pandemiebedingten Einschränkungen können soziale Blasen (Brakemeier et al., 2020) soziale Kontakte aufrechterhalten und darüber hinaus sogar eine Entlastung von Familien bewirken, indem sie z. B. auf die Unterstützung von Großeltern und Freunden zurückgreifen können. Die Schaffung von sozialen Blasen (Brakemeier et al., 2020) könnte auch gegen die von Eltern beschriebene soziale Isolierung wirken. Zur weiteren Unterstützung besteht der Bedarf, niederschwellige Angebote (z. B. durch digitale Angebote in Apps) zu schaffen, um Familien bei der Schaffung eines positiven Familienklimas zu unterstützen und die Familienmitglieder in der Wahrnehmung und Verstärkung von positiven Interaktionen zu schulen. Digitale (Kommunikations–)‌Medien wurden von den Familien als Ressourcen bezeichnet, wichtig ist hierbei, allen Familien auch die technischen Möglichkeiten für eine digitale Vernetzung zur Verfügung zu stellen und die Medienkompetenz zu verbessern (Brakemeier et al., 2020). In Bezug auf die positiven Aktivitäten erscheint eine Offenhaltung von Aktivitäten Draußen (z. B. Spielplätze, Parks) sinnvoll, soweit es das Infektionsgeschehen zulässt. Ebenso wie die Einrichtung digitaler Angebote (z. B. Online-Sportprogramme, Schulungen bzgl. gesundheitsrelevanter Themen). In Bezug auf die Sorgen der Eltern über die Entwicklung der Pandemie und damit einhergehender Unsicherheit über die Situation wird eine klare Kommunikation über Maßnahmen und deren Dauer sowie Möglichkeiten der Lösungsfindung (z. B. Impfung) empfohlen, um Familien eine Perspektive und damit ein höheres Kontrollempfinden zu ermöglichen. Hierbei ist es laut Brakemeier et al. (2020) wichtig, die unterschiedlichen Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit darzustellen und neben den Stressoren auch die positiven Auswirkungen zu betonen. Als eine positive kognitive Veränderung und Ressource wurden Wertschätzung, Dankbarkeit und neue Einstellungen von Familien benannt. Hier bieten sich ebenfalls minimale Interventionen (z. B. durch Apps) an, die diesen Prozess unterstützen und das bewusste Wahrnehmen der Veränderungen und Ressourcen erleichtern (z. B. Achtsamkeitsinterventionen). Zusätzlich erscheinen minimale Online-Interventionsprogramme zur Entwicklung von funktionalen sowie realistischen Kognitionen sinnvoll. Natürlich erleben nicht alle Familien positive Veränderungen oder Ressourcen. Dafür ist es wichtig, diese z. B. durch ein Risikoscreening in der Allgemeinbevölkerung zu identifizieren und bedarfsgerechte Interventionen, z. B. in Form einer „Corona-Sprechstunde“, Akut- oder Kurzzeittherapieangeboten (Brakemeier et al., 2020), anzubieten, um gezielt Entlastungsmaßnahmen zu schaffen. Brakemeier et al. (2020) geben in ihrem Artikel einen Überblick über Psychotherapieansätze, die sich in der Pandemie als wirksam erweisen könnten und niederschwellige Internetangebote zur Prävention. Erste Hilfen für Familien werden z. B. über die Webseite der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) und unith e.V. (n.d.) (https://psychologische-coronahilfe.de/hilfen-fuer-familien) zur Verfügung gestellt. Hier wird z. B. auch die Initiative www.du-auch.de vorgestellt, die sich an Kinder und Jugendliche mit Gewalterfahrungen richtet und Anlaufstellen für schnelle und langfristige Hilfen bereitstellt. Auch für Erwachsene werden Anlaufstellen bei der Erfahrung von Gewalt über die Internetseite der DGPs und unith e.V. zur Verfügung gestellt (https://psychologische-coronahilfe.de/beitrag/haeusliche-gewalt/). Die Nutzung dieser Online-Ressourcen setzt jedoch eine entsprechende Medien-‍, Lese- und Sprachkompetenz voraus. Außerdem müssen Familien auf diese Hilfen aufmerksam gemacht werden, z. B. durch Werbung und mediale Berichterstattung. Die Erkenntnisse der Studie verdeutlichen den Bedarf und tragen dazu bei, bedarfsgerechte, breit angelegte, niederschwellige und familienzentrierte Interventionen zu erweitern und umzusetzen. Aufgrund der Pandemielage bieten sich hier vor allem indizierte Online-Präventionsangebote an. Ein Beispiel hierfür stellt das Programm der Humboldt-Universität zu Berlin dar (www.corona-stressfrei.de), das für Familien, Kinder und Erwachsene konzipiert wurde und mit kognitiv-verhaltenstherapeutischen Techniken gängige psychische Symptome während der Pandemie thematisiert (Brakemeier et al., 2020). Durch solche Programme können die Belastungen minimiert, positive Veränderungen auch nach der Pandemie erhalten und inter- und intrapersonelle Ressourcen zur Bewältigung der Pandemie gestärkt werden.

Die qualitative Auswertungsmethode ermöglicht einen unvoreingenommenen, umfassenden und detaillierten Einblick in die Erlebenswelt von Eltern, der zudem eine wertvolle Ausgangslage für die Entwicklung von Fragebögen, die sowohl pandemiebedingte Belastungen sowie Ressourcen und positive Veränderungen erfassen, darstellt. Stärken unserer Studie sind die große Stichprobengröße, die Erfassung von Belastungen, positiven Veränderungen und Ressourcen an derselben Elternstichprobe, das regelgeleitete Vorgehen (siehe Ablaufmodell im Elektronischen Supplement 1) inkl. Kodierleitfäden (siehe Elektronisches Supplement 2) sowie die prozentuale Darstellung der Ergebnisse.

Limitationen der Studie betreffen die soziodemografische Verteilung der Teilnehmenden. So sind über 80 % der Stichprobe weiblich und haben einen hohen Bildungsabschluss. Diese Überrepräsentation des weiblichen Geschlechts und hohen Bildungsstandes in der soziodemografischen Zusammensetzung der Stichprobe wurde in vielen nicht-repräsentativen Studien während der Corona-Pandemie beobachtet und diskutiert (Cusinato et al., 2020; Marchetti et al., 2020; Spinelli, Lionetti, Pastore & Fasolo, 2020). Ergebnisse aus weiteren Untersuchungen beschreiben die enorme zusätzlich zu leistende Betreuungsarbeit besonders von Müttern während der Pandemie, trotzdem auch die durchschnittliche Sorgearbeit von Vätern stieg (Bujard et al., 2020; Hank & Steinbach, 2021; Kohlrausch & Zucco, 2020). Auch berichteten Mütter von stärkeren pandemiebedingten Belastungsgefühlen und einem schlechteren Wohlbefinden sowie negativen Konsequenzen (u. a. Verkürzungen der Arbeitszeiten, Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung) im Vergleich zu Vätern (Bujard et al., 2020; Hövermann, 2021; Huebener et al., 2021; Möhring et al., 2021). Denkbar wäre, dass vor allem Mütter sich deswegen von der Studie und dem Forschungsthema angesprochen fühlten, teilnahmen und vor allem auch ihrer zusätzlichen Belastung Gehör verschaffen wollten. In den Antworten ist deswegen die Beschreibung einer stärkeren Belastung in dieser Stichprobe durch die ungleiche Geschlechterverteilung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung denkbar. Auch der sozioökonomische Status ist im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung hoch. Familien mit einem höheren sozioökonomischen Status haben potenziell mehr Ressourcen (z. B. Wohnraum, Rückzugsmöglichkeiten, Zugang zu digitalen Medien, Geld für Kinderbetreuung und Nachhilfe, Freizeitaktivitäten) zur Verfügung, als Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status. Dies könnte insgesamt zu weniger Belastungen und mehr positiven Veränderungen geführt haben, als es in der Allgemeinbevölkerung zu erwarten wäre. Des Weiteren wohnen über 40 % der Stichprobe in Berlin. Die Ergebnisse der aktuellen Studie können nicht auf die Allgemeinbevölkerung in Deutschland generalisiert werden. Die Unterschiede zwischen einer repräsentativen Stichprobe (Calvano et al., 2021) und dieser nicht-repräsentativen Stichprobe werden derzeit von unserer Arbeitsgruppe untersucht (Engelke et al., 2021). Auch die Heterogenität des Alters der Kinder (0 – 17 Jahre) ist ohne eine detaillierte Betrachtung einzelner Alterskategorien ein limitierender Faktor. So ist anzunehmen, dass Kinder in unterschiedlichen Altersphasen unterschiedliche Entwicklungsaufgaben zu bewältigen haben, wodurch sich auch das Konfliktpotential und die -i‍n‍h‍a‍l‍te unterscheiden. Eine mögliche Beeinflussung der qualitativen Daten durch die vorher gestellten Fragen in Bezug auf die körperliche und psychische Gesundheit der Eltern, pandemiespezifische Belastungen sowie das Auftreten von Kindesmisshandlung und Vernachlässigung ist nicht auszuschließen und sollte bei der Interpretation berücksichtigt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Erfassung der Ressourcen (drei Antwortfelder) im Vergleich zu den Belastungen und positiven Veränderungen (jeweils ein Feld) ergaben sich sowohl für die Ressourcen zum einen stichwortartigere Antworten, als auch entsprechend eine höhere Gesamtzahl an Antworten. Die Kategorien wurden induktiv aus dem vorliegenden Datenmaterial gebildet, da die bisherige theoretische Grundlage für eine deduktive Kategorienbildung fehlte.

Aus den Limitationen lassen sich Anregungen für weitere Forschungsthemen ableiten: Eine detaillierte Analyse von Subgruppen (z. B. nach Anzahl und Alter der Kinder, Bildungsabschluss, Berufstätigkeit, Beziehungsstatus und sozioökonomischen Status) und Risikofaktoren würde spezifischere Informationen über Belastungen, positive Veränderungen und Ressourcen bei Subgruppen ermöglichen und eine bedarfsgerechte Planung von Interventionsmöglichkeiten (z. B. für Familien mit jüngeren oder mehreren Kindern oder niedrigem sozioökonomischen Status) in Anbetracht der spezifischen Gegebenheiten der Familien erleichtern.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Familien in der COVID-19-Pandemie und den damit einhergehenden Maßnahmen sehr individuelle Erfahrungen gemacht haben und sich das Belastungserleben zwischen den Familien unterscheidet. Den Belastungen stehen positive Veränderungen und Ressourcen gegenüber. Vor allem das soziale Miteinander und positive Aktivitäten unterstützen Familien in der Bewältigung der Krisensituation. Die hohe Belastung der Eltern durch Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sollte bei allen politischen Entscheidungen unbedingt berücksichtigt werden. Interventionen für Familien, die auf die Reduzierung der Belastung und die Stärkung von Ressourcen abzielen, sind notwendig und vor allem gefährdeten Familien sollten bedarfsgerechte Interventionen als präventive Maßnahme angeboten werden.

Elektronische Supplemente (ESM)

Die elektronischen Supplemente sind mit der Online-Version dieses Artikels verfügbar unter https://doi.org/10.1026/0942-5403/a000375

Wir bedanken uns bei allen Eltern, die an dieser Erhebung teilgenommen haben. Des Weiteren bedanken wir uns herzlichst bei Prof. Dr. Jessica Di Bella für ihre wertvolle Unterstützung bei der Rekrutierung der Stichprobe und Durchführung der Studie. Weiterhin möchten wir uns bei Jule Moritz, Cara Sofie Spendler, Anna Schwertner, Mariam Schulte, Dominika Zasada, Frederike Döring und Aleena Davis Thekumthala für die Unterstützung bei den Kodierungen der Antworten bedanken.

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