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BY 4.0 license Open Access Published by De Gruyter Oldenbourg June 28, 2022

Covid-19, Ungleichheit und (Erwerbs-)Arbeit – zur Relevanz sozialer Klasse in der Pandemie

Covid-19, Inequality and (Paid) Work – On the Relevance of Social Class in the Pandemic
  • Hajo Holst

    Hajo Holst, geb. 1971 in Grevenbroich. Studium der Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre in Marburg und Oslo. Promotion in Osnabrück. Habilitation in Jena. Seit 2014 Professor für Wirtschaftssoziologie an der Universität Osnabrück.

    Forschungsschwerpunkte: Wandel von Arbeit, soziale Ungleichheit, Digitalisierung und sozialökologische Transformation.

    Wichtigste Publikationen: Holst, H., A. Fessler & S. Niehoff, 2020: Covid-19, Social Class and Work Experience in Germany: Inequalities in Work-Related Health and Economic Risks. In: European Societies 23(sup1). Special Issue „European Societies in the Time of the Coronavirus Crisis“; Holst, H., 2016: Finanzialisierung als ‚Investifizierung‘: Innovationsarbeit und Portfolio-Arbeitsorganisation. In: Zeitschrift für Soziologie 45(3): 145–161; Holst, H., 2014: ‚Commodifying Institutions‘ – Vertical Disintegration and Institutional Change in German Labour Relations, in: Work, Employment and Society. In: Work, Employment and Society 28(1), S. 3–20.

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    , Agnes Fessler

    Agnes Fessler, geb. 1988 in Bregenz, Studium der Soziologie in Wien und Jena. Seit 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Wirtschaftssoziologie der Universität Osnabrück.

    Forschungsschwerpunkte: Arbeit und Sozialstruktur, sozialökologische Transformation, Digitalisierung von Produktionsarbeit, Mitbestimmung.

    Wichtigste Publikationen: Holst, H., A. Fessler & S. Niehoff, 2020: Covid-19, Social Class and Work Experience in Germany: Inequalities in Work-Related Health and Economic Risks. In: European Societies 23(sup1). Special Issue „European Societies in the Time of the Coronavirus Crisis“; Fessler, A./Holst, H./Niehoff, S. 2021: Corona und die Arbeitswelt der Zukunft: von der gesellschaftlichen (Un)Sichtbarkeit des Leidens an der Pandemie. In: Filipič, U./Schönauer, A. 2021: Ein Jahr Corona: Ausblick Zukunft der Arbeit. Sozialpolitik in Diskussion 23. Arbeiterkammer Wien; Hiß, S./Fessler, A./Griese, G./Nagel, S./Woschnak, D. (2020, Hg.): Nachhaltigkeit und Finanzmarkt. Zur soziologischen Vermessung eines Reflexionsraums. Springer VS in der Reihe Wirtschaft + Gesellschaft.

    and Steffen Niehoff

    Steffen Niehoff, geb. 1986 in Wernigerode, Studium der Soziologie in Jena. Seit 2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Wirtschaftssoziologie der Universität Osnabrück.

    Forschungsschwerpunkte: Organisation und Wandel von Arbeit, soziale Ungleichheit

    Wichtigste Publikationen: Holst, H., A. Fessler & S. Niehoff, 2020: Covid-19, Social Class and Work Experience in Germany: Inequalities in Work-Related Health and Economic Risks. In: European Societies 23(sup1). Special Issue „European Societies in the Time of the Coronavirus Crisis“; Niehoff, S., Holst, H. & Fessler, A. (2022): Verfestigte Klassenungleichheiten: Zur arbeitsweltlichen Dynamik der Corona-Pandemie. In: Arbeit, 31(1–2), 133–154.

Zusammenfassung

Der Beitrag verbindet die Forschung zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie mit der Debatte über die Relevanz sozialer Klasse. Mit einem klassenanalytischen Zugang (Oesch-16) und auf der Basis eines Mixed-Methods-Designs mit Erwerbstätigensurvey und qualitativen Interviews aus der Frühphase der Pandemie werden die Auswirkungen von Covid-19 auf die Arbeitswelt in fünf Themenfeldern untersucht: Infektionsrisiken am Arbeitsplatz, wirtschaftliche Lasten, mobiles Arbeiten, Arbeitsbedingungen sowie Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung. Dabei zeigen sich im Bereich der Erwerbsarbeit ausgeprägte vertikale und horizontale Klassenungleichheiten, die punktuell auch auf die Schnittstelle zur unbezahlten Sorgearbeit ausstrahlen und die zudem in den Alltagserfahrungen vieler Erwerbstätiger präsent sind. Die Ergebnisse verdeutlichen die Bedeutung der Klassenlage für das Arbeitserleben in der Pandemie, verweisen jedoch auch auf Grenzen der Erklärungskraft klassenanalytischer Perspektiven.

Article Note

This paper links the research on the impact of the Corona pandemic to the debate on the relevance of social class. Using a class analytic approach (Oesch-16) and based on a mixed-methods design with an employee survey and qualitative interviews from the early phase of the pandemic, the impact of Covid-19 on the world of work is examined in five thematic areas: Infection risks at the workplace, economic burdens, mobile working, working conditions, and reconciliation of paid work and child care. The results reveal pronounced vertical and horizontal class inequalities in the sphere of paid work, which partially also spill into the sphere of unpaid care work, and which are also present in the everyday experiences of many working people. The results highlight the importance of class for work experience in the pandemic, but also point to limitations of the explanatory power of class analytic perspectives in the sphere of care work.

Einleitung

Die Corona-Pandemie hat weitreichende Auswirkungen auf die Gesellschaft. Was im Januar 2020 mit Berichten über eine neuartige virale Lungenerkrankung im chinesischen Wuhan begann, hat sich längst zu einer Serie „kaskadierender Krisen“ (Robinson et al. 2021) mit zum Teil dramatischen gesundheitlichen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Folgen entwickelt. Für Ältere und gesundheitlich vorbelastete Risikogruppen (Rommel et al. 2021), aber auch für sozial Benachteiligte (Wahrendorf et al. 2021), die in beengten Wohnverhältnissen leben und die in ihren Arbeitsverhältnissen Infektionsgefahren kaum vermeiden können, stellt Sars-Cov-2 ein gesundheitsgefährdendes Virus dar. Gleichwohl bleiben die gesellschaftlichen Effekte nicht auf die individuellen Gesundheitsgefahren beschränkt. Selbst in den reichen Gesellschaften des globalen Nordens stellt Covid-19 die Gesundheitssysteme vor massive Belastungsproben (Kaye et al. 2021); zugleich werden bürgerliche Freiheitsrechte temporär suspendiert (Lepsius 2021), im Kontext dessen sich die Legitimationskrise des politischen Systems zu verschärfen droht (Grande et al. 2021, Nachtwey et al. 2021). Die Schließung von Kinderbetreuungseinrichtungen verschärft die Geschlechterungleichheiten in der Sorgesphäre (Reichelt et al. 2020, McCrory Calarco et al. 2021) und gefährdet den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen vor allem aus deprivierten Haushalten (Dietrich et al. 2020). Wirtschaftszweige, die ihre Aktivitäten aus Gründen des vorbeugenden Infektionsschutzes einschränken müssen, erleiden erhebliche Verluste, während Teile der Industrie mit den von der Pandemie ausgelösten weltwirtschaftlichen Turbulenzen zu kämpfen hatten. Wie die Gesundheitsrisiken, die Sorgeaufgaben und die Bildungseffekte weisen auch die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie erhebliche Ungleichheiten auf: Klein- und Kleinstunternehmen leiden stärker unter den wirtschaftlichen Erschütterungen (Pulignano et al. 2021) und Geringverdiener*innen müssen häufiger Einkommenseinbußen hinnehmen (Hövermann/Kohlrausch 2020). Die Corona-Pandemie – so lässt sich zuspitzen – hat weitreichende gesundheitliche, soziale, wirtschaftliche und politische Auswirkungen, sie trifft die Gesellschaft jedoch auf sehr ungleiche Art und Weise.

Ein wesentlicher Bereich des gesellschaftlichen Lebens, in dem sich die kaskadierenden Krisen der Pandemie und ihre Ungleichheitseffekte deutlich zeigen, ist die Arbeitswelt. Infektionsgefahren lauern überall dort, wo Menschen in der Arbeit oder auf dem Arbeitsweg zusammenkommen, sei es in Kindertagesstätten und Schulen, in Krankenhäusern und Pflegheimen, in Fabriken und Schlachthöfen, in Großraumbüros oder im öffentlichen Nahverkehr – und nicht jeder Arbeitsplatz lässt sich ins Homeoffice verlagern (Holgersen et al. 2021). Die meisten Maßnahmen, mit denen Ansteckungen am Arbeitsplatz verhindert werden sollen, haben Nebenfolgen: Der Mund-Nasen-Schutz wird von vielen als belastungssteigernd erlebt, Abstandsvergrößerungen beeinflussen die Arbeitsorganisation und das pandemiebedingte Homeoffice treibt die Entgrenzung von Arbeit und Leben voran. Zudem wirkt sich die Überlastung des Gesundheitssystems direkt auf die Arbeitsbedingungen in Gesundheits- und Sozialberufen aus; Arbeitende in Krankenhäusern und Pflegeheimen berichten von stark gestiegenen Arbeitsbelastungen (Vermeerbergen et al. 2021). Die ungleiche Belastung mit den in der Pandemie anfallenden Sorgeaufgaben stellt ein Risiko für die Erwerbsbeteiligung und die beruflichen Aspirationen von Frauen dar (Minello et al. 2020, Kohlrausch/Zucco 2020) und die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie lasten – trotz staatlicher Unterstützungszahlungen und dem Kurzarbeitergeld – schwer auf den Arbeitenden in den von der Pandemie beeinträchtigten Wirtschaftszweigen, wobei vulnerable Gruppen in gesellschaftlich häufig unsichtbaren Arbeitsverhältnissen am stärksten betroffen zu sein scheinen (Birke 2021).

An diesem Punkt setzt der Beitrag an und verbindet die empirische Analyse der Ungleichheiten in den Arbeitsfolgen der Pandemie mit dem seit einigen Jahren wieder aufflammenden sozialwissenschaftlichen Interesse an der Relevanz sozialer Klasse. Nachdem Klasse in den 1980er und 1990er Jahren deutlich an wissenschaftlichem Einfluss verloren hatte (Beck 1983, Clark/Lipset 2001), erleben klassenanalytische Perspektiven seit einigen Jahren ein Comeback in der Forschung. Empirische Studien betonen, dass der Einfluss des sozioökonomischen Positionsgefüges auf die Verteilung von Wohlstand, Lebenschancen, Anerkennung und Partizipationsmöglichkeiten ungebrochen ist (Hugree et al. 2020, Groh-Samberg 2009, Mayer-Ahuja/Nachtwey 2021, Savage 2021); zudem zeigen vor allem ethnographisch inspirierte Studien, wie Klassenlagen auch heute noch Lebensstile, Karrierewege und politische Orientierungen prägen (Eribon 2016, Hochschild 2016). Diesen Faden greift der Beitrag auf. Mit Hilfe des klassenanalytischen Zugangs von Daniel Oesch (2006a, b) werden Ungleichheiten in den arbeitsweltlichen Auswirkungen der Pandemie untersucht: Wie erleben Erwerbstätige aus verschiedenen sozialen Klassen die Auswirkungen der Corona-Krise? Um die Effekte der sich in der Pandemie entfaltenden kaskadierenden Krisen in ihrer ganzen Bandbreite zu erfassen, werden fünf Themenfelder beleuchtet: subjektive Infektionsrisiken am Arbeitsplatz, wirtschaftliche Folgen der Pandemie, pandemiebedingtes mobiles Arbeiten, Veränderungen der Arbeitsbedingungen sowie die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit. Der Schwerpunkt der Analyse liegt damit zwar in der Sphäre der Erwerbsarbeit, mit der Vereinbarkeit werden – auch im Sinne der Kritik der Geschlechterforschung an der „gender blindness“ traditioneller Klassenansätze (Crompton 1989) – jedoch Wechselwirkungen mit der Sphäre unbezahlter Sorgearbeit beleuchtet.

Das Forschungsdesign basiert neben dem klassenanalytischen Zugang und der Untersuchung von fünf Themenfeldern auf einem Mixed-Methods-Ansatz. Im Rahmen der ersten Erhebungswelle des Arbeitswelt-Monitors „Arbeiten in der Corona-Krise“ wurden im April und Mai 2020, also mitten im ersten Lockdown in Deutschland, ein Erwerbstätigensurvey (n=9.775) und qualitative Interviews (n=31) zu den arbeitsweltlichen Auswirkungen und dem Arbeitserleben in der Pandemie durchgeführt. Das Forschungsdesign bringt mehrere Vorteile mit sich. Erstens wird der Mixed-Methods-Ansatz genutzt, um im Anschluss an das Forschungsprogramm der traditionellen Klassenanalyse die Ungleichheitsdynamiken der Pandemie sowohl auf der Ebene der Verteilung von erwerbsarbeitsbezogenen Risiken und Lasten zu analysieren als auch die subjektiven Perspektiven der Arbeitenden auf die Pandemiefolgen zu rekonstruieren. In jedem Themenfeld werden einerseits mit Hilfe von logistischen Regressionen die Erklärungskraft der Klasse vis-a-vis alternativer Ungleichheitsmarker wie Geschlecht, Alter oder Migrationshintergrund bestimmt und andererseits anhand der Interviews der Blick der besonders betroffenen Klassen auf die eigene Lage und vor allem die Ungleichheiten in den Betroffenheiten rekonstruiert. Zweitens erlaubt das klassenbasierte Ungleichheits-Mapping der Arbeitsfolgen in fünf Themenfeldern, divergierende und kumulative Betroffenheiten in den Blick zu nehmen. Im Unterschied zur bisherigen Forschung, die die verschiedenen Pandemieeffekte überwiegend isoliert voneinander betrachtet hat, zielt der Beitrag auf eine ganzheitliche Abschätzung der Arbeitsfolgen der Pandemie. Drittens geraten über die Klassenperspektive die Wechselwirkungen zwischen den „neuen“ coronabedingten Ungleichheiten und den schon vor der Pandemie existierenden „alten“ arbeitsgesellschaftlichen Ungleichheiten in den Fokus. Die schon vor und unabhängig von Corona existierenden Klassenungleichheiten in der Ausstattung mit Ressourcen und der Verteilung von Lebenschancen beeinflussen die Möglichkeiten der Arbeitenden, die aus den Pandemiefolgen resultierenden Herausforderungen zu bewältigen.

Folgendermaßen geht der Beitrag vor: Zunächst werden das Forschungsprogramm der sozioökonomischen Traditionslinie der Klassenforschung rekonstruiert (1), die in der empirischen Analyse eingesetzte 16er-Klassenheuristik von Daniel Oesch vorgestellt (2) sowie die quantitativen und qualitativen Methoden und Samples diskutiert (3). Anschließend werden die Pandemieeffekte in fünf Themenfeldern quantitativ untersucht und der Stellenwert der Ungleichheiten in den Alltagserfahrungen der Erwerbspersonen qualitativ ausgelotet (4). Den Abschluss bilden eine vergleichende Diskussion der empirischen Ergebnisse und ihre Einordnung in die Forschung zur generellen Relevanz sozialer Klasse (5).

1 Soziale Klasse und Ungleichheit: das Programm der traditionellen Klassenforschung

Referenzpunkte der soziologischen Auseinandersetzung mit der Klassenstruktur moderner Gesellschaften und ihrer sozialen, wirtschaftlichen und politischen Folgen sind bis heute die Arbeiten von Karl Marx und Max Weber. Den Aufstieg und die Institutionalisierung kapitalistischen Wirtschaftens vor Augen, diagnostizierten beide Klassiker einen erheblichen Einfluss des sozioökonomischen Positionsgefüges auf die gesellschaftliche Verteilung von Einkommen, Bildung, Macht und Aufstiegschancen, auf die Formierung von Lebensweisen, Konsummustern und politischen Orientierungen sowie auf die gesellschaftlichen Dynamiken. Und damit ist – bei allen wissenschaftlichen und politischen Differenzen – bereits eine zentrale Gemeinsamkeit der beiden klassischen Perspektiven genannt: Klasse ist für Marx wie für Weber – im Unterschied zu kulturalistischen Milieu- und Klassentheorien (Reckwitz 2019) – eine sozioökonomische Kategorie; die Klassenstruktur bildet für sie – und die in ihrer Tradition stehenden Ansätze – das relationale Positionsgefüge innerhalb des kapitalistischen Wirtschaftssystems ab. Wenn die gesellschaftliche Verteilung von Ressourcen und Lebenschancen aus einer sozioökonomischen Klassenperspektive untersucht wird, wird somit explizit oder implizit immer auch nach dem Einfluss profitorientierten Wirtschaftens auf die gesellschaftlichen Ungleichheiten (vermittelt über die strukturellen Positionen in der Erwerbssphäre) gefragt. Und einen weiteren Punkt haben Marx und Weber gemeinsam: Beide interessierten sich nicht nur für die objektiven Ungleichheitseffekte des sozioökonomischen Positionsgefüges auf Ressourcen und Lebenschancen, sie beleuchteten zugleich auch die subjektiven Perspektiven der Arbeitenden auf die eigene (Klassen-)Lage, die Beziehungen zu anderen Gruppen und die gesellschaftlichen Ungleichheiten.

Die Klassiker der soziologischen Klassenforschung: Marx und Weber

Historischer Ausgangspunkt der sozioökonomischen Traditionslinie in der Klassenforschung sind die Arbeiten von Karl Marx. Marx hatte die frühe Phase der Industrialisierung vor Augen und führte die ausgeprägten Ungleichheiten in der Verteilung des gesellschaftlichen Wohlstandes auf das relationale Positionsgefüge innerhalb der kapitalistischen Ökonomie zurück. Die Klassenlage definierte er über den Besitz an Produktionsmitteln: Das Eigentum an Fabriken, Maschinen und Werkstoffen verschaffte den besitzenden Klassen in der sozialstaatlich noch nicht eingehegten kapitalistischen Marktökonomie des 19. Jahrhunderts die Möglichkeit, sich große Teile der gesellschaftlichen Wohlstandssteigerungen anzueignen, während die besitzlosen Klassen darauf angewiesen waren, ihre Arbeitskraft zu geringer Entlohnung und häufig schlechten Arbeitsbedingungen zu verkaufen (Marx/Engels 1962: 183, Pollak 1996, Wright 2015). Marx thematisierte jedoch nicht nur die auf Ausbeutungsbeziehungen basierenden Ungleichheitseffekte, er interessierte sich – in gesellschaftsverändernder Absicht – auch für den Stellenwert von Klassenungleichheiten in den Erfahrungen der Lohnarbeitenden. Wenn Erwerbsarbeitende sich ihrer sozioökonomischen Position bewusstwerden und gemeinsam für ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen eintreten, dann wird aus der „Klasse an sich“ eine „Klasse für sich“ – und damit ein gesellschaftspolitischer Akteur (Marx/Engels 1962: 181). Allerdings ging Marx nicht davon aus, dass sich aus einer Kollektiverfahrung – der Verelendung in der frühen Industrialisierung – automatisch eine Klassenidentität entwickelte. Das Zusammenwachsen zu einer politisch handlungsfähigen Entität setzte vielmehr einen langwierigen Mobilisierungsprozess voraus (auch: Thompson 1966).

Den organisierten Kapitalismus im frühen 20. Jahrhundert im Blick, formulierte Max Weber seine macht- und herrschaftstheoretischen Überlegungen. Die Klassenlage definierte er nicht mehr wie Marx über die Sphäre der Produktion. Stattdessen nimmt Weber die Sphäre des Marktes in den Blick: Aus den heterogenen „Güterbesitz- und Erwerbsinteressen“ entstanden – so Webers Argumentation – nicht nur zwei antagonistische Klassen, sondern ein vielfältiges Geflecht von Besitz- und Erwerbsklassen (Weber 1980: 531). Allerdings betonte er, dass die Klassenlage nur eine von mehreren gesellschaftlich wirksamen Ungleichheitsdimensionen ist. Soziale Ungleichheiten entstehen aus dem Zusammenwirken von sozioökonomisch begründeten Klassenungleichheiten und kulturell bedingten Statusdifferenzen. Es ist diese Weitung des ungleichheitssoziologischen Blicks, die Pierre Bourdieu später zur Erweiterung der Klassenanalyse entlang von drei Kapitalsorten – ökonomischem, kulturellem und sozialem Kapital – inspirieren sollte (Bourdieu 1992). Wie Marx thematisierte Weber nicht allein die Ungleichheitseffekte der Klassenstruktur, sondern setzte sich auch mit den Erfahrungen der Erwerbsarbeitenden auseinander. Wie Marx, aber gegen reduktionistische Lesarten der Marx’schen Klassentheorie, betonte Weber, dass sich eine „gemeinsame Klassenlage“ keineswegs automatisch in ein Kollektivbewusstsein übersetzt (Weber 1980: 532 f.).

Die Fortsetzung der traditionellen Klassenforschung: Wright und Goldthorpe

Bis in die späten 1980er Jahren hatten Klassenanalysen einen festen Platz im Werkzeugkoffer der soziologischen Arbeits- und Ungleichheitsforschung (Burzan 2011: 15–69). An dieser Stelle sei vor allem auf zwei theoretische Weiterentwicklungen hingewiesen, in denen sich die Theoriekonkurrenz zwischen der Marx‘schen Klassentheorie und dem Weber‘schen Klassenmodell fortschrieb und die zudem Einfluss auf den Klassenansatz haben, der im Folgenden zur Analyse der arbeitsweltlichen Ungleichheitseffekte der Corona-Pandemie genutzt wird. Erik Olin Wright begann in den 1970er Jahren mit der Ausarbeitung eines Klassenschemas, das sich an die Klassentheorie von Marx anlehnte, zugleich jedoch auch die von Weber thematisierte Differenzierung sozioökonomischer Positionen in der Entwicklung des Kapitalismus reflektierte. Wrights Klassenschema ist die erste Heuristik, die systematisch die vertikale Stratifizierung mit einer horizontalen Differenzierungsachse verbindet. Die Klassenlage definierte Wright vertikal über die Stellung in der wirtschaftlichen Hierarchie und horizontal über den Besitz an Produktionsmitteln bzw. die Verfügung über knappe Qualifikationen (für die abhängig Beschäftigten). Aus der Kombination der beiden Achsen ergibt sich ein differenziertes Schema von zwölf Klassen, dem zwar eine erhebliche Erklärungskraft für die Einkommensverteilung in den USA innewohnt (Wright/Perrone 1977), das aber auch für seine geringe Trennschärfte in den Bereichen der traditionellen Arbeiter*innenklasse kritisiert wurde (Oesch 2006a: 15 ff.). So kann im Klassenschema von Wright nur schwierig zwischen der männlich geprägten Industriearbeiterschaft und der seit den 1970er Jahren rasant gewachsenen und überproportional von Frauen besetzten Beschäftigung im Dienstleistungssektor differenziert werden.

Hingegen steht die ebenfalls in den 1970er Jahren entwickelte Heuristik von Berufsklassen von John Goldthorpe in der Tradition Webers. Goldthorpe definiert die Klassenlage über den Beruf, genauer: die Regulierung des Beschäftigungsverhältnisses (Erikson/Goldthorpe 1992, Burzan 2011: 81 ff.). Dabei wird zwischen drei Kategorien von Beschäftigungsverhältnissen unterschieden: Arbeitgeber*innen und Produktionsmittelbesitzende, (Allein-)Selbständige und Arbeitnehmer*innen, wobei letztere noch differenziert werden in Beschäftigte in einem klassischen Arbeitsvertrag (mit direktem Kontrollsystem) und solchen in einem Dienstverhältnis (mit delegierter Autorität). Durch den Fokus auf die Regulierung des Beschäftigungsverhältnisses ergibt sich innerhalb der abhängig Beschäftigten implizit eine eindimensionale vertikale Rangordnung der Berufe, die keinen Platz für eine Differenzierung vertikal gleichgestellter Berufe lässt. Wie die beiden Klassiker interessierte sich Goldthorpe auch für die subjektiven Perspektiven der Arbeitenden auf gesellschaftliche Ungleichheiten. Unter anderem ging er der Frage nach, welchen Einfluss die Wohlstandssteigerungen nach dem Zweiten Weltkrieg auf das politische Bewusstsein der Industriearbeiterschaft hatten (Goldthorpe et al. 1968).

Die feministische Kritik an der traditionellen Klassenforschung

Zur jüngeren Geschichte der soziologischen Klassenanalyse gehört auch die seit den 1970er Jahren lauter werdende Kritik der Geschlechterforschung (Evans 1996, Licht et al. 2022). Der Vorwurf der „gender blindness“ (Crompton 1989) der traditionellen Klassenforschung basiert vor allem auf drei Kritikpunkten. Erstens weist die feministische Forschung darauf hin, dass durch die vor allem für Goldthorpe typische Orientierung an Haushalten als Untersuchungseinheiten Erwerbspositionen von Frauen faktisch marginalisiert werden. Das Dominanzprinzip weist allen in einem Haushalt lebenden Individuen die unter den Angehörigen höchste vorfindbare Klassenlage zu. Unter den Bedingungen der real existierenden vergeschlechtlichten Arbeitsteilung, in der typisch weibliche Berufe strukturell schlechter bezahlt werden und in der Regel über geringere gesellschaftliche Reputation verfügen, bedeutet das Dominanzprinzip, dass Frauen häufig die sozioökonomische Position des männlichen Haupternährers zugeschrieben wird (Crompton 1989: 571). Zweitens erfassen insbesondere die Klassenkonzepte von Wright und Goldthorpe die durch das Wachstum des Dienstleistungssektors seit den 1970er Jahren an Gewicht gewinnende geschlechtsspezifische Arbeitsteilung innerhalb der Erwerbsarbeit nur unzureichend. Bei Wright landen die klassischen Industriearbeiter*innen und die Dienstleistungsbeschäftigten in den gleichen Klassen, bei Goldthorpe landen die neuen Dienstleistungsberufe überwiegend in einer relativ großen Klasse, so dass die hierarchischen Differenzen zwischen höher qualifizierten Professionen und den gering qualifizierten Dienstleistungstätigkeiten aus dem Blick geraten (Oesch 2006a). Und drittens weist die feministische Forschung auf den Erwerbsarbeitsbias der traditionellen Klassenforschung hin. Klassenansätze in der Tradition von Marx und Weber definieren das sozioökonomische Positionsgefüge ausschließlich über die Erwerbssphäre, wodurch die überwiegend unbezahlte, häufig in Haushalten und vor allem von Frauen verrichtete Sorgearbeit faktisch ausgeblendet wird – obwohl der Bereich der Sorge von Ungleichheitsdynamiken gekennzeichnet ist, die zudem auf die Erwerbssphäre zurückwirken (Steinrücke/Frerichs 1992). Gefordert wird eine intersektionale Perspektive, die die Verschränkungen von Klasse, Geschlecht und Migration in den gesellschaftlichen Ungleichheitsdynamiken in den Blick nimmt (Lutz et al. 2013, Lucht et al. 2022).

2 Der Klassenansatz: Erwerbsklassen nach Oesch

Die im Folgenden zur Analyse der arbeitsweltlichen Ungleichheitseffekte der Covid-19-Pandemie eingesetzte Heuristik von Daniel Oesch (2006a, b) ist Teil der sozialwissenschaftlichen Wiederentdeckung sozialer Klassen seit der Jahrtausendwende und steht in der sozioökonomischen Traditionslinie der Klassenforschung. Wie Goldthorpe definiert Oesch die Klassenlage über die berufliche Stellung, setzt jedoch das Individuum als Untersuchungseinheit, nicht den Haushalt. Um die Veränderungen der Beschäftigungsstruktur seit den 1970er Jahren zu erfassen – insbesondere der Feminisierung und Tertiarisierung –, entwickelt Oesch (2006a: 27 ff.) eine zweidimensionale Heuristik für das sozioökonomische Positionsgefüge. Neben der klassischen vertikalen Achse der Stratifizierung zwischen oben und unten enthält das Klassenschema eine horizontale Achse, die die vertikalen Klassenlagen nach Tätigkeitsinhalten schneidet. Die vertikale Klassenlage wird durch den Marktwert eines Berufs bestimmt. Die Skala reicht von den akademischen Berufen (mit Hochschulabschluss) und den semi-akademischen (höhere Fachausbildung) in den oberen Erwerbsklassen bis hin zu den Lehrberufen (mit Fachausbildung) und den Anlern- und Hilfstätigkeiten in den unteren Klassen. Die horizontale Zuordnung eines Berufs erfolgt anhand des Kerns des Arbeitsprozesses. In der interpersonellen Arbeitslogik besteht der Kern des Arbeitsprozesses aus menschlicher Interaktion, in der administrativen Logik bestimmen bürokratische Regeln den Arbeitsprozess, in der technischen Logik spielen technische Artefakte und Maschinen eine zentrale Rolle und die unabhängige Logik wird von der (formalen) Kontrollmacht der Selbständigkeit geprägt (Oesch 2006a: 59 ff.). Aus dem Zusammenspiel von vertikaler Stratifizierung und horizontaler Differenzierung ergeben sich 16 Erwerbsklassen. Abb. 1 visualisiert das Klassenschema (mit drei typischen Berufen für jede Klasse).

Zwar reduzieren weder Wright noch Goldthorpe ihre Klassenanalysen auf eindimensionale Oben-Unten-Betrachtungen, die Operationalisierung der horizontalen Achse über die Arbeitslogiken bringt jedoch einige Vorteile mit sich. Erstens ermöglicht das Klassenschema von Oesch eine detaillierte und systematische Kartografierung von Klassenlagen in der post-industriellen kapitalistischen Gesellschaft (Sachweh 2021). Die konkurrierenden Ansätze der sozioökonomischen Traditionslinie haben gerade in der klassenstrukturellen Lokalisierung der seit den 1970er Jahren wachsenden Dienstleistungsbeschäftigung Schwierigkeiten. Damit adressiert das Klassenschema zugleich auch eine zentrale Kritik der feministischen Klassenforschung: Die horizontale Differenzierung nach Arbeitslogiken legt den Blick frei auf die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in der Erwerbsarbeit. Zweitens – und eng verbunden – öffnet die zweidimensionale Heuristik den Blick für Ungleichheiten und Differenzen in den Einstellungen und Orientierungen zwischen vertikal gleichgestellten Klassen. Insbesondere in der Forschung zu politischen und gesellschaftlichen Einstellungen hat das Schema seine Erklärungskraft bewiesen (Oesch 2006a). Und drittens macht die Operationalisierung der horizontalen Achse über die Arbeitslogiken das Schema anschlussfähig an die soziologische Arbeitsforschung.

Abb. 1: Das Klassenschema nach Daniel Oesch (16er-Fassung)
Abb. 1:

Das Klassenschema nach Daniel Oesch (16er-Fassung)

Multiple Ungleichheiten in der Klassenstruktur

Um die Wechselwirkungen mit den „neuen“ Ungleichheiten in den Pandemiefolgen in den Blick nehmen zu können, sollen an dieser Stelle die schon vor Corona bestehenden sozialen Ungleichheiten zwischen den Klassen kurz skizziert werden. Dazu wird auf Daten des ALLBUS 2016 zurückgegriffen (Tabelle B1 im Online-Anhang).

Bereits auf den ersten Blick wird deutlich, dass die untersten Klassen schon vor Corona von multiplen Benachteiligungen betroffen waren: Routine-Bürokräfte, Routine-Arbeiter*innen und Routine-Dienstleistende befinden sich an den unteren Enden der betrieblichen Hierarchien und verdienen deutlich weniger, sind häufiger in Teilzeit beschäftigt und arbeiten häufiger in befristeten Beschäftigungsverhältnissen. So haben die drei untersten Klassen die mit Abstand höchsten Niedriglohnanteile: Einen monatlichen Nettoverdienst von unter 1500 Euro weisen 100 % der Routine-Bürokräfte, 82 % der Routine-Dienstleistenden und 51 % der Routine-Arbeiter*innen auf. Auch in der untersten Klasse der Selbständigen, den überwiegend wirtschaftlich abhängigen Kleingewerbetreibenden ohne Beschäftigte, beziehen fast die Hälfte nur einen Niedrigverdienst. Angesichts der multiplen Ungleichheiten verwundert es nicht, dass große Teile der unterprivilegierten Klassen die Verteilung gesellschaftlichen Wohlstandes als ungerecht empfinden: 60 % der Routine-Arbeiter*innen, 58 % der Routine-Dienstleistenden, 41 % der Kleingewerbetreibenden ohne Beschäftigte und 37 % der Routine-Bürokräfte geben an, dass sie (viel) weniger als ihren gerechten Anteil am Wohlstand erhalten. Zum Vergleich: Im oberen Management sind dies nur 13 %. Neben den vertikalen Ungleichheiten fallen auch entlang der horizontalen Achse Ungleichheiten auf, in denen sich der analytische Mehrwert der Einbeziehung der Arbeitslogiken als horizontaler Differenzierungsachse andeutet. In der Verschränkung von Klasse und Geschlecht zeigt sich deutlich die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung: Frauen sind in den Berufen der vier interpersonellen Klassen und den beiden unteren Klassen der administrativen Arbeitslogik stark überrepräsentiert, Männer verfügen in den technischen Berufen und den oberen selbständigen Klassen über Mehrheiten.

3 Daten, Sample und Methoden

Die erste Erhebungswelle des an der Universität Osnabrück angesiedelten Arbeitswelt-Monitors „Arbeiten in der Corona-Krise“ lief von Ende April bis Ende Mai 2020 – und damit vollständig in der Zeit des ersten Lockdowns in Deutschland mit weitreichenden Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens. Bundesweit füllten 9.775 Erwerbstätige den Fragebogen des Online-Survey vollständig aus. Parallel wurden 31 qualitative Interviews à 60 bis 90 Minuten geführt. Fragebogen und Leitfaden basierten auf zentralen Erkenntnissen der soziologischen Arbeits- und Ungleichheitsforschung.

Quantitative Methoden und Sample

Stichprobe. Der Erwerbstätigen-Survey ist selbstselektierend und basiert damit nicht auf einer Zufallsstichprobe. Vier Gründe begründen jedoch das Forschungsdesign. Erstens erforderte die Wucht, mit der die Pandemie im Frühjahr 2020 über die Gesellschaft hereingebrochen ist, die rasche Umsetzung des Vorhabens. Nur so konnte sichergestellt werden, das Arbeitserleben in Frühphase der Pandemie zu erfassen. Eine retrospektive Analyse der arbeitsweltlichen Auswirkungen und vor allem der Arbeitserfahrungen hätte ganz andere Herausforderungen mit sich gebracht. Zweitens wurde ein Multi-Way-Sampling etabliert, um ein mögliches Undersampling relevanter Gruppen zu vermeiden. Die Teilnehmer*innen (Erwerbspersonen aus Privathaushalten ab 18 Jahren) wurden über Netzwerke von Hochschulverwaltungen, über ein Netzwerk der Kooperationsstellen Wissenschaft und Arbeitswelt und über eine Facebook-Kampagne angesprochen. Drittens zeigt ein Vergleich der Stichprobe mit der strukturellen Zusammensetzung der deutschen Erwerbsbevölkerung eine zufriedenstellende Passung, dazu erlaubt die Größe der Stichprobe eine komplexe Gewichtung zur Bereinigung bestehender Abweichungen. Viertens werden nur starke Effekte berichtet, die sich in verschiedenen Variationen der Regressionsmodelle (Einbeziehung unterschiedlicher Variablen, Regressionen mit ungewichteten und gewichteten Daten) als stabil erwiesen haben.

Die Alters- und Branchenzusammensetzung der Stichprobe kommt der Gesamterwerbsbevölkerung sehr nahe, allerdings sind Frauen und akademische Qualifikationen überrepräsentiert, Niedriglohnempfänger*innen und Personen mit Migrationshintergrund unterrepräsentiert. Unter den Erwerbsklassen sind Selbständige (mit Ausnahme der Freien Berufe) und Fach- und Routinearbeiter*innen unterrepräsentiert, soziokulturelle Professionen und Semi-Professionen hingegen überrepräsentiert (siehe Anhang A3 zur Stichprobenzusammensetzung). Ein Anpassungsgewicht auf Basis des ALLBUS 2018, das die klassenspezifischen Verteilungen von Geschlecht, Alter und Einkommen berücksichtigt, korrigiert diese Asymmetrien (Vorgehen im Anhang A2). Im Folgenden berichten wir bei der Beschreibung von Verteilungen gewichtete Ergebnisse. Die logistischen Regressionen werden mit ungewichteten Daten vorgestellt. Die Variablen, für die ein Bias vorliegen könnte, sind in das Modell integriert.

Methoden. Im Zentrum der Analysen stehen logistische Regressionen, mit denen der Einfluss der Klasse gegen die Effekte anderer Ungleichheitsmarker geschätzt wird. In jedem Themenfeld werden jeweils drei Teilaspekte untersucht. Auf die Bildung eines Index wurde verzichtet, weil die Teilaspekte jeweils unterschiedliche Dimensionen eines Themenfeldes abdecken. Die Regressionen basieren auf einem umfangreichen Modell, das neben der Erwerbsklasse eine Reihe von in der Forschung etablierten Erklärungen für Ungleichheiten wie Geschlecht, Alter, Migrationshintergrund, Region, Unternehmensgröße, Mitbestimmung und Beschäftigungsstatus (befristete, geringfügige und Teilzeitbeschäftigung) umfasst. Ebenfalls zu den Modellvariablen zählen die Kinderbetreuungspflicht und der Status ‚alleinerziehend‘, um mögliche Ausstrahlungseffekte der Sorgesphäre in die Erwerbsarbeit als Querschnittsthema sichtbar zu machen (siehe Anhang A1 für Itemtexte und Rekodierungen der abhängigen Variablen in Dummy-Variablen). Auf die Berücksichtigung von Einkommen, Berufsabschluss und Branche haben wir aufgrund der starken Konfundierung mit der Erwerbsklasse mit Blick auf resultierende Multikollinearitätsprobleme verzichtet. Als Referenzgruppe für die kategoriale Prädiktorvariable Erwerbsklasse fungiert das obere Management als Gruppe mit der größten Fallzahl und den geringsten pandemiebedingten Lasten und Risiken. Uni- und bivariate Tabellen finden sich im Anhang.

Qualitative Methoden und Sample

Sampling. Das qualitative Sample ist überwiegend ein Subsample des quantitativen Samples. Alle Teilnehmer*innen des Surveys wurden zu einem Interviewgespräch eingeladen. Die über diesen Kanal rekrutierten Interviews sind über die Fall-ID direkt mit dem quantitativen Sample verbunden. Im zweiten Schritt wurden anhand der quantitativen Ergebnisse Kontrastgruppen (Berufe mit besonderen Betroffenheiten in den untersuchten Themenfeldern) identifiziert, die auch im qualitativen Sample abgedeckt werden sollten. Via Schneeball-Prinzip wurden insbesondere nicht-akademische Produktionsarbeitende und Bürokräfte nachrekrutiert. Im Ergebnis sind im qualitativen Sample die meisten Erwerbsklassen repräsentiert (siehe Anhang A4).

Methoden. Die Interviews werden auf Basis der rekonstruktiven Sozialforschung ausgewertet (Bohnsack 2014). Die ausgewählten Fälle illustrieren und pointieren typische Erfahrungsmuster mit der gesellschaftlichen Risiko- und Lastenverteilung in der Pandemie. Aufgrund der direkten Verbindung zum quantitativen Sample konnten gezielt besonders exponierte Erwerbsarbeitende aus von den jeweiligen Themenfeldern besonders betroffenen Klassen ausgewählt werden. Die auf Narrationen ausgerichteten Interviews geben den Befragten die Möglichkeit, eigene Relevanzsetzungen vorzunehmen und ihre Situationsdeutungen der Pandemiesituation in die Forschung einzuspeisen. Für die Auswertung wurden die Interviews thematisch nach den im Laufe des Forschungsprozesses identifizierten Kategorien und relevanten Fragedimensionen kodiert. Die Offenheit der Interviewführung ermöglicht es, Relevanzstrukturen der Befragten zu identifizieren.

4 Auswirkungen der Pandemie: vertikale und horizontale Klassenungleichheiten

Im Folgenden werden die Ungleichheiten in den Auswirkungen von Covid-19 auf die Arbeitswelt an fünf Themenfeldern untersucht, die auch in den öffentlichen Diskussionen eine zentrale Rolle spielen: subjektive Infektionsrisiken, wirtschaftliche Lasten, mobiles Arbeiten, Arbeitsbedingungen und Vereinbarkeit zwischen Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit. In jedem Themenfeld erfolgt die Analyse in zwei Schritten. Im ersten Schritt werden anhand von drei Items aus dem Survey die Ungleichheiten vermessen, im zweiten mit Hilfe ausgewählter qualitativer Interviews exemplarisch klassentypische Wahrnehmungen der Risiko- und Lastenverteilung sowie der eigenen gesellschaftlichen Lage rekonstruiert.

4.1 Subjektive Infektionsrisiken: Ansteckungssorgen und defizitäre Schutzmaßnahmen

Im Survey des Arbeitswelt-Monitors „Arbeiten in der Corona-Krise“ finden sich drei Items, die zentrale Dimensionen der subjektiven Infektionsrisiken am Arbeitsplatz abbilden: die Sorge, sich selbst in der Arbeit mit Sars-CoV-2 zu infizieren, die Sorge, andere mit dem Virus anzustecken, und die Qualität der Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz. In vielen Berufsgruppen laufen diese Dimensionen parallel, es zeigen sich aber auch einige Ungleichzeitigkeiten. In den Interviews mit Erwerbsarbeitenden aus den unteren interpersonellen und technischen Klassen spielen die Ansteckungsgefahren und auch die Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers eine zentrale Rolle.

Quantitative Ergebnisse: Interpersonelle Klassen besonders betroffen, deutliche vertikale Ungleichheiten

Von pandemiebedingten subjektiven Infektionsrisiken ist im Frühjahr 2020 ungefähr ein Drittel der Erwerbstätigen betroffen (uni- und bivariate Tabellen im Online-Anhang): 22 % äußern explizit Sorgen, sich auf der Arbeit mit dem Coronavirus anzustecken, 20 % haben Sorgen, andere in der Arbeit anzustecken, und 28 % geben an, dass die Schutzmaßnahmen an ihrem Arbeitsplatz unzureichend seien (gewichtete Daten). Bivariat zeigen sich eine ganze Reihe von Ungleichheiten (siehe Tabelle im Online-Anhang B2). Auffällig sind vor allem die Klassenungleichheiten, aber auch das Geschlecht zeigt Differenzen. Hingegen bringen Migrationshintergrund, Mitbestimmung und Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses keine auffälligen Unterschiede bei der Verbreitung von subjektiven Infektionsrisiken hervor.

Die Regressionsanalysen fördern einen starken Einfluss der Klassenlage auf die subjektiven Infektionsrisiken zu Tage (Tab. 2). Zum einen weisen die Klassen sehr hohe Effektstärken auf, zum anderen zeigen sich in den drei Modellen parallele Klasseneffekte. Die subjektiven Infektionsrisiken haben ihren Schwerpunkt in der interpersonellen Arbeitslogik, in der sich die meisten Gesundheits-, Sozial- und Erziehungsberufe befinden. Am stärksten betroffen sind die qualifizierten Dienstleistenden, gefolgt von den soziokulturellen Semiprofessionen. Im Vergleich zu den oberen Managementberufen als Referenzgruppe leiden qualifizierte Dienstleistende mit einem 5,3- bzw. 4-fachen Risiko unter Sorgen, sich in der Arbeit mit Sars-CoV-2 anzustecken (M1), sind mit je 3,9-fachen Risiko von der Sorge betroffen, andere anzustecken (M2), und müssen mit dem etwa 2,5-fachen Risiko unter Schutzmaßnahmen arbeiten, die sie für unzureichend halten (M3). Das Bild ausgeprägter vertikaler Klassenungleichheiten wird auch dadurch gestützt, dass von den übrigen Klassen nur die beiden untersten der technischen Arbeitslogik auf höchst signifikantem Niveau von erhöhten Risiken betroffen sind. Die Facharbeiter*innen und die Routine-Arbeiter*innen liegen bei den Sorgen, sich selbst in der Arbeit anzustecken (M1), und der Verbreitung defizitärer Schutzmaßnahmen (M3) in etwa auf dem Niveau der Routine-Dienstleistenden. Verantwortlich hierfür ist, das zeigt sich auch in den Interviews, die Nähe zu Kolleg*innen, die aus der physischen Gebundenheit ihrer Arbeit in Fabriken, Werkstätten und auf Baustellen resultiert. Interessanterweise weisen beide technischen Klassen jedoch keine höchst signifikanten Effekte auf Sorgen auf, andere mit dem Virus anzustecken (M3). Die übrigen Ungleichheitsmarker erreichen in den drei Regressionsmodellen nur vereinzelt höchst signifikante Effekte. Kinderbetreuungsaufgaben gehen mit einer leicht besseren Bewertung der Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz einher (OR=0,8), während das Geschlecht trotz der auffälligen bivariaten Differenzen in den Regressionsmodellen keine höchst signifikanten Effekte aufweist. Hier zeigt sich deutlich der Effekt der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung innerhalb der Erwerbsarbeit: Frauen arbeiten häufiger in den von Infektionsrisiken stark betroffenen interpersonellen Dienstleistungsberufen.

Tab. 1:

Subjektive Infektionsrisiken – Logistische Regressionen (Odds-Ratios)

Subjektive Infektionsrisiken

[M1] Sorge, sich selbst anzustecken

[M2] Sorge, Andere anzustecken

[M3] Schutzmaßn. nicht ausreichend

Geschlecht

Männlich

ref.

ref.

ref.

Weiblich

1,184*

1,225**

1,161*

Alter

Unter 30 Jahre

1,267*

2,041***

1,281**

30 bis 50 Jahre

1,188*

1,485***

1,365***

50 Jahre und älter

ref.

ref.

ref.

Kinder zu betreuen

Nein

ref.

ref.

ref.

Ja

0,897

0,796**

0,746***

Alleinerziehend

Nein

ref.

ref.

ref.

Ja

0,957

1,117

1,282

Migrations-hintergrund

Nein

ref.

ref.

ref.

Ja

1,287**

1,240*

1,091

Region

Westdeutschland

ref.

ref.

ref.

Ostdeutschland

0,983

1,007

0,891

Berlin

1,000

1,111

1,290

Unternehmensgröße

Unter 20 MA (Klein)

1,021

0,971

1,203

20 bis 200 MA (Mittel)

1,209**

1,206*

1,245**

Über 200 MA (Groß)

ref.

ref.

ref.

Betriebsrat vorhanden

Nein*

ref.

ref.

ref.

Ja

1,279**

1,091

1,085

Beschäftigungsstatus

Befristet

0,693***

0,788*

0,829

Geringfügig

1,246

0,943

0,915

Teilzeit

0,945

1,025

0,938

Erwerbsklassen

Soziokult. Expert*innen

2,763***

2,138***

2,135***

Soziokult. Semiprofessionen

4,022***

3,852***

2,237***

Qualifizierte Dienstleistende

5,307***

3,902***

2,539***

Routine-Dienstleistende

2,047***

1,902**

1,969***

Technische Expert*innen

0,810

0,797

0,543***

Technische Semiprofessionen

1,066

0,921

0,853

Facharbeiter*innen

1,943***

1,533*

2,109***

Routine-Arbeiter*innen

2,483***

1,950**

2,179***

Oberes Management

ref.

ref.

ref.

Unteres Management

0,930

0,791

0,964

Qualifizierte Bürokräfte

1,364*

1,001

1,122

Routine-Bürokräfte

1,856

2,125*

2,035*

Unternehmer*innen

1,000

1,000

1,092

Freie Berufe

0,728

0,565

1,630*

Kleingewerbe mit Beschäftigten

0,512

0,952

0,933

Kleingewerbe ohne Beschäftigte

1,221

1,135

1,572*

Fälle

7.254

7.231

7.210

Pseudo R²

0,076

0,083

0,044

Hinweis: Selbständige werden mit ‚Nein‘ markiert, um sowohl diese Gruppe als auch Effekte der Mitbestimmung in den Regressionsanalysen zu berücksichtigen. Kontrollmodelle haben keine Abweichungen zu den präsentierten Modellen gezeigt.

Signifikanzniveaus: *p < ,05, **p < ,01, ***p < ,001

Qualitative Interviews: Die Ohnmacht der unteren Klassen

Wie nehmen nun besonders von subjektiven Infektionsrisiken betroffene Arbeitende aus den unteren Klassen die Ansteckungsrisiken und die Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz wahr? Und wie sehen sie in der Pandemie ihre eigene gesellschaftliche Lage? Bettina, eine 45-jährige nicht-akademische Kinderbetreuerin, macht deutlich, dass ihrer Tätigkeit im Vergleich zu anderen Berufsgruppen hohe Infektionsrisiken innewohnen: „Natürlich haben auch wir formal Sicherheits- und Hygienekonzepte. Aber im KiTa-Alltag kannst Du die nicht umsetzen. Wir können den Kindern nicht sagen, dass sie Abstand halten sollen.“ Die erhöhten Infektionsgefahren beschreibt die qualifizierte Dienstleistende als Kollektiverfahrung, die sie mehr oder weniger direkt auf die Arbeitslogik zurückführt: „Ich glaube, dass grundsätzlich jeder, der sich irgendwie mit Menschen bewegt, gefährdet ist.“ Zugleich erlebt sie, dass nicht alles getan wird, um sie und ihre Kolleg*innen zu schützen: „Wir sind Kanonenfutter. Also das interessiert überhaupt gar keinen. […] der Einsatz ist mein Leben und das meiner nahen Angehörigen.“ Sie erlebt sich und ihre Kolleg*innen – das zeigt die Metapher des „Kanonenfutters“ – qua Position strukturell ohnmächtig gegenüber der Gesellschaft, dem Arbeitgeber und den Eltern. Diese Ohnmachtserfahrung teilt die Kinderbetreuerin mit Norbert, einem 49-jährigen Briefsortierer. Im Interview dienen dem Routine-Arbeiter die Angestelltenbereiche seines Arbeitgebers immer wieder als Vergleichsfolie, um die Pandemiebetroffenheiten der manuell Arbeitenden in der Sortierhalle einzuschätzen. Er betont die „körperlich belastende“ Mehrarbeit und die Kontaktdichte im Unterschied zu den Verwaltungsangestellten, die „fast alle von Zuhause arbeiten“. Ihn ärgert, dass der Arbeitgeber zwar auch in der Sortierhalle Schutzmaßnahmen umgesetzt hat, aber eben nur solche, „die wenig kosten“. Hingegen wird Geld in die Hand genommen, um die Homeoffice-Arbeitsplätze der Verwaltungsbeschäftigten technisch auszustatten. Schon seit geraumer Zeit fordern Norbert und seine Kolleg*innen ein besseres Belüftungssystem der Sortierhalle, was in der Pandemie noch an Brisanz gewonnen hat. Die Geschäftsführung „wiegle“ die Forderungen der Beschäftigten jedoch weiterhin „ab“. Für Norbert – und Ähnliches gilt auch für Bettina, die Kinderbetreuerin – drückt sich im Umgang mit den Infektionsrisiken an ihrem Arbeitsplatz die geringe Wertschätzung ihrer Arbeit und der fehlende Einfluss auf die eigene Arbeitssituation aus. Andere Berufsgruppen, das betonen beide, sind in der Pandemie besser geschützt und finden im Betrieb und in der Gesellschafft mehr Gehör für ihre Sorgen und Nöte.

4.2 Wirtschaftliche Lasten: Verdiensteinbußen, wirtschaftliche Existenzängste und Zukunftsunsicherheit

Aus dem Survey werden drei Aspekte genutzt, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie für Erwerbsarbeitende auszuleuchten: Verdiensteinbußen, wirtschaftliche Existenzängste und pandemiebedingte Zukunftsunsicherheit. Einige Gruppen sind von allen drei Formen wirtschaftlicher Lasten betroffen, andere nur von Einzelaspekten. In den qualitativen Interviews zeigt sich, dass die negativen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie für viele Erwerbsarbeitende aus den besonders betroffenen selbständigen und technischen Klassen direkt an Missachtungserfahrungen aus Vor-Pandemie-Zeiten anknüpfen.

Quantitative Ergebnisse: Selbständige und untere Klassen am stärksten betroffen

Auf der aggregierten Ebene sind die wirtschaftlichen Lasten der Corona-Pandemie im März/April 2020 ähnlich weit verbreitet wie die subjektiven Infektionsrisiken. Ungefähr ein Drittel der Erwerbsarbeitenden leidet unter wirtschaftlichen Beeinträchtigungen: 21 % müssen Verdiensteinbußen hinnehmen, 17 % sehen ihre wirtschaftliche Existenz bedroht und 24 % geben an, die Pandemie habe ihre berufliche Zukunft unsicherer gemacht. Unterhalb der moderaten Verbreitung der wirtschaftlichen Lasten zeigen sich jedoch mehrere interessante Differenzen (Tab. B3). Besonders auffällig sind die horizontalen und vertikalen Klassenungleichheiten, die Geschlechterdifferenzen und die Unterschiede entlang der Mitbestimmungsachse.

Die Regressionsanalysen zeigen, welch großen Einfluss die Klassenlage auf die Betroffenheit mit den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie hat (Tab. 2). In allen drei Modellen sind die selbständigen Klassen mit Abstand am stärksten betroffen, wobei die unterste Klasse, die Kleingewerbetreibenden ohne Beschäftigte, überwiegend die höchsten Risiken trägt. Sie hat im Vergleich zum oberen Management als Referenzgruppe ein 11,2-faches Risiko, die Pandemie als existenzgefährdend zu erleben (M5), und ein 6,6-faches Risiko gesteigerter Zukunftsunsicherheit (M6). Nur bei den Verdiensteinbußen (M4) tragen die freien Berufe ein noch etwas höheres Risiko (OR=12,3 gegenüber 9,6). Dass unter den abhängig Beschäftigten nur die beiden unteren Klassen der technischen und der interpersonellen Arbeitslogik höchst signifikante erhöhte Risiken im Vergleich zum Management aufweisen, verdeutlicht die Relevanz vertikaler Ungleichheiten. Am stärksten von Verdiensteinbußen (OR=3,7), Existenzängsten (OR=5,8) und pandemiebedingter Zukunftsunsicherheit (OR=2,8) betroffen sind die Routine-Arbeiter*innen. Leicht schwächer, aber immer noch höchst signifikant, sind die Risiken der Facharbeiter*innen. Offensichtlich reichen die Industriebetriebe die Folgen der wirtschaftlichen Turbulenzen zu einem erheblichen Teil an die Beschäftigten auf dem Shopfloor weiter. Auch die qualifizierten und Routine-Dienstleistenden sind wirtschaftlich von der Pandemie betroffen. In beiden Klassen finden sich zahlreiche Berufe aus den nicht-systemrelevanten personennahen Dienstleistungen wie der Gastronomie, dem Einzelhandel und dem Friseurgewerbe, die in der Frühphase der Pandemie aus Gründen des vorbeugenden Infektionsschutzes geschlossen waren. Allerdings stehen hier die Gegenwartsprobleme (Verdiensteinbußen, Existenzängste) im Vordergrund. Auf die Zukunftsunsicherheit (M6) hat diese Klassenlage keinen höchst signifikanten Effekt. Neben den Klasseneffekten leuchtet in den Regressionsmodellen auch die Mitbestimmung auf. Arbeitende aus Unternehmen mit Betriebs- oder Personalrat haben, quer über alle Klassenlagen, ein um die Hälfte reduziertes Risiko wirtschaftlicher Lasten. Betriebs- und Personalräte schützen offensichtlich Beschäftigte vor Verdiensteinbußen, Existenzängsten und Zukunftsunsicherheit. Hingegen weist das Geschlecht trotz der bivariaten Differenzen in allen Aspekten nur im M6 einen höchst signifikanten Effekt auf: Frauen haben ein um 23 % reduziertes Risiko einer pandemiebedingten Verunsicherung der beruflichen Zukunft. In den anderen Modellen weist das Geschlecht keinen höchst-signifikanten Effekt auf. Es deutet einige darauf hin, dass die höhere wirtschaftliche Betroffenheit von Männern in der Frühphase der Pandemie zu einem erheblichen Teil auf die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung innerhalb der Erwerbsarbeit zurückgeht: Männer arbeiten häufiger in den von den wirtschaftlichen Turbulenzen der Pandemie besonders betroffenen Berufen der selbständigen und der technischen Klassen.

Qualitative Interviews: Risikoabwälzung und Desinteresse der Politik

Die Sichtweisen besonders betroffener Erwerbsarbeitender auf die Ungleichheiten in den wirtschaftlichen Pandemielasten rekonstruieren wir anhand von zwei Fällen aus stark exponierten Klassen. Verena, eine Anfang 60-jährige solo-selbständige Musiklehrerin, hat die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sehr unmittelbar zu spüren bekommen. „Die Schulen wurden geschlossen und damit war ich meine Berufstätigkeit erst einmal los. […] Wir Honorarkräfte müssen draußen bleiben, damit die anderen Leute Kurzarbeitergeld bekommen.“ Auch die zur Klasse der Kleingewerbetreibenden ohne Beschäftigte zählende Verena nutzt im Interview den Vergleich mit anderen Berufsgruppen, um die eigene Pandemielage zu beschreiben. Die Sicherheiten ihrer festangestellten Kolleg*innen, die vom ersten Tag an Kurzarbeitergeld erhielten, führen ihr die strukturelle Vulnerabilität ihrer Solo-Selbständigkeit vor Augen. Hauptverantwortlich für ihre Misere ist in ihren Augen aber die fehlende politische „Lobby“ ihres Berufsstandes. Ihr Antrag auf finanzielle Hilfen wurde abgelehnt, weil sie die „bürokratischen Voraussetzungen“ für die Unterstützung nicht erfüllt, außerdem erlebt sie die Umsetzung der Maßnahmen und Arbeitseinschränkungen als „Gängelei“. Die Politik kümmert sich in Verenas Augen schon seit Jahren „nur um die Großen“: „Die Künstler fallen hinten runter. […] Wir sind einfach nicht systemrelevant.“ Aus der Perspektive des eigenen „Arbeitsverbots“ erscheint ihr die Lage anderer Berufsgruppen – trotz zum Teil starker Belastungen – privilegiert zu sein: „Die Kassiererinnen arbeiten hart, aber sie dürfen wenigstens arbeiten“. Auch wenn Heinz für ein Automobilunternehmen arbeitet – und damit für einen der von Verena kritisch angesprochenen „Großen“ –, sieht er ebenfalls, dass die wirtschaftlichen Risiken einfach auf ihn und seine Kolleg*innen abgewälzt werden. Die Pandemie wirkt für den Mitfünfziger, der als Meister tätig ist und vor einigen Jahren zum Betriebsrat gewählt wurde, als „Verstärker der schon laufenden Transformation“. Zwar verhindert das Kurzarbeitergeld den kurzfristigen Verlust von Arbeitsplätzen. Trotzdem kann der Traum vom Eigenheim gerade für „die Leute am Band“ schnell „zum Albtraum“ werden. Zulieferunternehmen in seiner Region denken schon über Entlassungen nach. Wie die solo-selbständige Musiklehrerin kritisiert auch der zur Klasse der technischen Semi-Professionen zählende Heinz das Desinteresse der Politik: In seinen Augen finden die Probleme der „kleinen Leute“ – hier der Industriearbeiter*innen – strukturell kein Gehör. Die Politik folgt eher den Interessen aus den oberen Klassen.

4.3 Mobiles Arbeiten: Zugang zum Homeoffice, Zufriedenheit mit Umsetzung mobilen Arbeitens und Digitalisierung

Mobiles Arbeiten gehört zu den auch in der Öffentlichkeit am intensivsten diskutierten Folgen der Pandemie. Die Ungleichheiten in diesem Themenfeld werden anhand von drei Teilaspekten untersucht: dem Zugang zum pandemiebedingten Homeoffice, der Zufriedenheit mit den Homeoffice-Regelungen des Arbeitgebers und der pandemiebedingten Digitalisierung der eigenen Arbeit. In den Interviews zeigt sich die große Bedeutung des mobilen Arbeitens für das Arbeitserleben in der Pandemie.

Quantitative Ergebnisse: Mobiles Arbeiten vorwiegend ein Phänomen der oberen und der administrativen Erwerbsklassen

Die große Bedeutung mobilen Arbeitens in der Corona-Pandemie zeigt sich auch in den Ergebnissen des Surveys vom April/Mai 2020. 37 % arbeiten mehr von Zuhause als vor der Pandemie (23 % überwiegend und weitere 14 % gelegentlich), 77 % zeigen sich zufrieden mit den Homeoffice-Regelungen des Arbeitgebers und 33 % geben an, dass ihre Arbeit in der Pandemie viel digitaler geworden sei (Tab. B4). Unterhalb der aggregierten Zahlen sind starke Ungleichheiten erkennbar. Am auffälligsten sind die vertikalen und horizontalen Klassenungleichheiten, gefolgt von der Mitbestimmung und – wenn auch auf geringerem Niveau – die Kinderbetreuungspflichten.

Die Regressionsanalysen zeigen, dass vertikale und horizontale Klassenungleichheiten das Themenfeld mobiles Arbeiten dominieren (Tab. 3). Mobiles Arbeiten ist vor allem ein Thema der akademischen Berufe der obersten Erwerbsklassen, allein in der administrativen Arbeitslogik haben auch die mittleren und unteren Klassen eine nennenswerte Chance, von zu Hause zu arbeiten. Die stärksten positiven Effekte auf den Zugang zum pandemiebedingten mobilen Arbeiten (M7) und auf die Digitalisierung der eigenen Arbeit (M9) finden sich in den obersten Klassen – und damit in jenen Berufen, die auch schon vor der Pandemie die höchsten Homeoffice-Anteile aufwiesen. Die soziokulturellen Expert*innen liegen sogar über dem oberen Management als Referenzgruppe. Sie erleben mit einer 2,1-fachen Chance einen Wechsel ins pandemiebedingte Homeoffice und mit einer 1,8-fachen Chance einen Digitalisierungsschub. Hingegen weisen die unteren Klassen der technischen und der interpersonellen Arbeitslogik höchst signifikante negative Effekte auf: Routine-Arbeiter*innen, Facharbeiter*innen, Routine-Dienstleistende und qualifizierte Dienstleistende haben auch in der Pandemie kaum die Möglichkeit, ins Homeoffice zu wechseln (OR<0,1), und erleben zudem kaum einen Digitalisierungsschub (OR<0,1). Auf den ersten Blick überrascht die im Vergleich zum oberen Management geringe Zufriedenheit der soziokulturellen Expert*innen mit den Homeoffice-Regelungen des Arbeitgebers (OR=0,5) (M9). Verantwortlich für die geringe Zufriedenheit sind vor allem Lehrkräfte, von denen viele in der Frühphase der Pandemie die mangelnde Vorbereitung ihrer Schulen auf den Online-Unterricht kritisieren. Neben den Klassenungleichheiten fallen in den Regressionsanalysen zwei weitere Merkmale auf. Die Mitbestimmung zeigt im Zugang zum Homeoffice (OR=1,8) und in der Digitalisierung von Arbeit (OR=2,0) höchst signifikante positive Effekte auf die Verbreitung mobilen Arbeitens, nicht aber auf die Zufriedenheit mit den Regelungen des Arbeitgebers. Offensichtlich agieren Betriebs- und Personalräte in der Pandemie als Treiber mobilen Arbeitens. Zudem zeigt sich beim Zugang zum Homeoffice auch ein positiver Zusammenhang mit der Kinderbetreuung (OR=1,3) und damit wahrscheinlich ein gewisser Ausstrahlungseffekt der Sorgesphäre auf die Erwerbsarbeit. Erwerbsarbeitende mit Kindern konnten in der Frühphase der Pandemie statistisch signifikant häufiger ins Homeoffice wechseln.

Qualitative Interviews: mobiles Arbeiten als Privileg

An zwei Kontrastfällen lässt sich die zentrale Stellung des mobilen Arbeitens für die Bewertung der Pandemieauswirkungen nachzeichnen. Michael, Ende 30, als Ingenieur in einem Biotechnologie-Unternehmen für Pharmazulassungsprozesse verantwortlich, arbeitet seit Beginn der Pandemie fast ausschließlich von Zuhause. Sein Arbeitgeber hat sich bei der technischen Ausstattung „großzügig gezeigt“ und dem technischen Experten den Arbeitsplatz in der eigenen Wohnung „komplett“ ausgestattet. Vor allem im Vergleich zu anderen Berufsgruppen, die auch in der Pandemie „für uns sorgen“, erlebt der technische Experte den vollständigen Wechsel ins Homeoffice als Privileg. Er fühlt sich vor Infektionen in der Arbeit geschützt und sieht im mobilen Arbeiten zugleich eine Vereinbarkeitsressource. Die „vielen Dienstreisen ins Ausland“ aus der Zeit vor der Pandemie sind weggefallen, „jetzt geht vieles als Video-Konferenz, was vorher nicht denkbar war“. Da er und seine Partnerin keine Kinder haben, erlebt er auch an der Schnittstelle zur Sorgesphäre keine akuten Vereinbarkeitsprobleme. Im Gegenteil, im Homeoffice zeigen sich deutlich seine Autonomiespielräume: „Zwischendurch kann ich auch mal etwas für mich machen. Wenn ich nachmittags etwas privat zu erledigen habe, kann ich mich auch mal abends an den Schreibtisch setzen.“ Als Kontrastfall kann Norbert dienen, der zur Klasse der Routine-Arbeiter zählende Briefsortierer, der bereits bei den wirtschaftlichen Lasten zu Wort gekommen ist. Typisch für die Klasse der Routine-Arbeiter*innen hat er keine Möglichkeit, ins Homeoffice zu wechseln. Die Möglichkeiten anderer Beschäftigtengruppen in der Pandemie erscheinen deswegen auch als Privileg: „[D]er Verwaltungsbereich, wenn er nicht ganz nah am operativen Bereich dran ist, macht vielfach Homeoffice. […] Die Möglichkeit haben wir ja logischerweise nicht.“ Ihnen stößt auf, dass das Unternehmen zwar Geld in die Hand nimmt, damit die „Leute im Homeoffice einen Monitor mit nach Hause nehmen können“, bei den Schutzmaßnahmen in der Sortierhalle jedoch Geld gespart wird. Auch wenn das Homeoffice aufgrund der Entgrenzungsrisiken nicht von allen Arbeitenden als rein positives Phänomen erlebt wird: Das pandemiebedingte mobile Arbeiten wird von vielen als Privileg betrachtet – unabhängig davon, ob jemand verstärkt von Zuhause arbeiten kann oder in der Pandemie keinen Zugang zum mobilen Arbeiten hat.

4.4 Arbeitsbedingungen: Belastungen, Vereinbarkeit und Arbeitsinhalte

Die Auswirkungen der Pandemie auf die Arbeitsbedingungen sind bislang kaum erforscht. Drei sehr unterschiedliche, in der Öffentlichkeit aber viel diskutierte Aspekte stehen im Mittelpunkt der quantitativen Analyse: Arbeitsbelastungen, Arbeitsinhalte sowie Vereinbarkeit von Arbeit und Leben. Auch hier zeigen sich durchaus unterschiedliche Betroffenheiten mit den Teilaspekten. In den Interviews ist die zentrale Bedeutung deutlich erkennbar, die die Veränderungen in den Arbeitsbedingungen für das Arbeitserleben in der Pandemie haben.

Quantitative Ergebnisse: weit verbreitete Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen, relativ geringe Klasseneffekte, Ausstrahlungseffekte der Sorgearbeit

Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen stellen im April/Mai 2020 den am stärksten verbreiteten Pandemieeffekt in der Arbeitswelt dar. 46 % der Erwerbstätigen geben an, dass sich durch die Pandemie ihre Arbeitsbelastungen erhöhen, für 29 % verschlechtert sich die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben und für 25 % hat die Pandemie einen negativen Einfluss auf die Arbeitsinhalte. Im Vergleich mit den anderen Themenfeldern fallen bei den Arbeitsbedingungen in der bivariaten Betrachtung die Ungleichheiten jedoch gering aus (Tab. B5). Vereinzelte Klassendifferenzen sind erkennbar, diese fallen jedoch nicht stärker aus als die Ungleichheiten entlang des Geschlechts und der Kinderbetreuung.

Tab. 2:

Wirtschaftliche Lasten – Logistische Regressionen (Odds-Ratios)

Wirtschaftliche Lasten

[M4] Verdiensteinbußen

[M5] Existenz bedroht

[M6] Berufliche Zukunft unsicherer

Geschlecht

Männlich

ref.

ref.

ref.

Weiblich

0,849*

0,894

0,767***

Alter

Unter 30 Jahre

1,139

0,958

1,159

30 bis 50 Jahre

1,333***

1,151

1,276**

50 Jahre und älter

ref.

ref.

ref.

Kinder zu betreuen

Nein

ref.

ref.

ref.

Ja

1,018

1,168

1,346***

Alleinerziehend

Nein

ref.

ref.

ref.

Ja

1,014

1,611*

1,214

Migrationshintergrund

Nein

ref.

ref.

ref.

Ja

1,094

1,128

1,130

Region

Westdeutschland

ref.

ref.

ref.

Ostdeutschland

0,976

1,070

0,951

Berlin

0,884

0,840

0,957

Unternehmensgröße

Unter 20 MA (Klein)

1,316*

1,633**

1,423**

20 bis 200 MA (Mittel)

1,382***

1,373**

1,259**

Über 200 MA (Groß)

ref.

ref.

ref.

Betriebsrat vorhanden

Nein*

ref.

ref.

ref.

Ja

0,526***

0,494***

0,587***

Beschäftigungsstatus

Befristet

0,893

1,231

2,383***

Geringfügig

1,487

1,917**

1,939***

Teilzeit

1,041

0,926

0,959

Erwerbsklassen

Soziokult. Expert*innen

0,467***

0,714

0,706*

Soziokult. Semiprofessionen

1,053

1,231

0,803

Qualifizierte Dienstleistende

2,013***

2,565***

1,223

Routine-Dienstleistende

2,991***

3,053***

1,758**

Technische Expert*innen

1,582*

1,112

1,216

Technische Semiprofessionen

1,590**

2,068**

1,300

Facharbeiter*innen

3,389***

3,493***

1,803***

Routine-Arbeiter*innen

3,653***

5,832***

2,833***

Oberes Management

ref.

ref.

ref.

Unteres Management

0,984

1,907**

0,990

Qualifizierte Bürokräfte

1,370*

1,974***

1,372*

Routine-Bürokräfte

1,593

2,099

2,186*

Unternehmer*innen

9,037**

7,067**

4,285*

Freie Berufe

12,29***

6,438***

3,846***

Kleingewerbe mit Beschäftigten

8,067***

5,652***

2,484**

Kleingewerbe ohne Beschäftigte

9,625***

11,21***

6,569***

Fälle

7.234

7.213

7.264

Pseudo R²

0,138

0,135

0,090

Signifikanzniveaus: *p < ,05, **p < ,01, ***p < ,001

In den Regressionsanalysen zeigt sich, dass der Einfluss der Klasse auf die Pandemieeffekte in den Arbeitsbedingungen deutlich kleiner ist als in den anderen Themenfeldern (Tab. 4). Es finden sich nur vereinzelte Klasseneffekte. Von steigenden Arbeitsbelastungen (M10) und einer verschlechterten Vereinbarkeit von Arbeit und Leben (M12) sind jene zwei Klassen besonders betroffen, in denen sich ein Großteil der sozialen Berufe befinden: die qualifizierten Dienstleistenden (OR=1,4 bzw. 1,5) und die soziokulturellen Expert*innen (OR=1,5 bzw. 1,7). Letztere tragen im Vergleich zum oberen Management als Referenzkategorie zudem ein erhöhtes Risiko, verschlechterte Arbeitsinhalte zu berichten (OR=1,6). Offensichtlich wirkt sich die Pandemie vor allem in den Sozial-, Gesundheits- und Erziehungsberufen negativ auf die Arbeitsbedingungen aus. Hingegen fallen die technischen Klassen nur bei den Arbeitsinhalten auf: Sie tragen ein reduziertes Risiko, Verschlechterungen der eigenen Arbeitsinhalte zu erleben (OR zwischen 0,4 und 0,5). Neben den Klassen sind insbesondere das Geschlecht und Kinderbetreuung auffällig. Frauen tragen in der Frühphase der Pandemie erhöhte Risiken, eine Zunahme der Belastungen (OR=1,3), eine Verschlechterung der Vereinbarkeit von Arbeit und Leben (OR=1,3) und negative Auswirkungen auf die Arbeitsinhalte (OR=1,3) zu erleben. Zudem wirken sich Betreuungspflichten negativ auf die Arbeitsbelastungen (OR=1,5) und – kaum überraschend – auf die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben (OR=2,9) aus. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Arbeitsbedingungen im Vergleich der Themenfelder eher generalisiert sind. Die Klassenungleichheiten sind weniger stark und weniger gleichgerichtet als in den subjektiven Infektionsrisiken, den wirtschaftlichen Lasten der Pandemie und dem mobilen Arbeiten, zugleich strahlt die Sorgesphäre in Gestalt der Kinderbetreuungspflichten auf dieses Themenfeld aus.

Qualitative Ergebnisse: Würdigung als Mensch und Anerkennung von Leistungen

Wie nehmen besonders stark belasteten Dienstleistungsbeschäftigte die Ungleichheiten in den Pandemieauswirkungen und vor allem die eigene gesellschaftliche Lage wahr? Für Marcel, Mitte 30, Erzieher in einer psychiatrischen Klinik und damit zu den soziokulturellen Semiprofessionen zählend, sind die Arbeitsbelastungen gleich zu Beginn der Pandemie massiv gestiegen. Dadurch, dass freiwillige Therapieangebote aus Gründen des Infektionsschutzes eingestellt wurden, „haben wir eigentlich nur noch schwierige Patienten bekommen.“ Zwar hat der Arbeitgeber auf die gestiegene Patient*innenzahl mit der Umschichtung von Personal aus anderen Bereichen reagiert, allerdings „haben diese vom Stationsalltag keine Ahnung“. Die in der Pandemie gestiegenen Belastungen – das macht Marcel klar – verschärfen eine durch Personalknappheit und Arbeitsverdichtung sowieso schon lange angespannte Situation. In seinen Augen stellt die geringe Durchsetzungsfähigkeit eine Kollektiverfahrung vieler Gesundheits- und Sozialberufe dar – gerade im Vergleich zu anderen vertikal gleichgestellten Berufen, die deutlich mehr verdienen und mehr gesellschaftliche Wertschätzung erfahren: „Wir haben keine Lobby.“ Parallele Erfahrungen berichtet Elvira, Ende 50, die als Verkäuferin in einem Lebensmitteldiscounter zur Klasse der qualifizierten Dienstleistenden gehört. Zwar wurden große Teile des Einzelhandels im Lockdown geschlossen, der stationäre Einzelhandel erlebte jedoch einen Boom. Durch die Hamstereinkäufe ist „jeden Tag der Laden leer.“ Obwohl die Kassiererinnen der Filiale – alle Frauen wie sie betont – nur Teilzeitbeschäftigte sind – während der Filialleiter und das Management „in den Bürojobs“ überwiegend Männer und vollzeitbeschäftigt sind –, appelliert das Unternehmen an ihre „Solidarität“ im Laden: „Wir mussten 40, 50 Stunden in der Woche arbeiten, um die leeren Regale aufzufüllen.“ Auch wenn das Unternehmen zeitweise die Zielvorgaben lockerte, enttäuscht sie der Umgang mit den Ladenarbeiterinnen. Für Elvira – und in paralleler Weise auch für Marcel – knüpft die fehlende Würdigung für ihre Leistungen in der Pandemie direkt an die Erfahrung geringer Anerkennung für ihre Arbeit „an der Basis“ an: „Für die Studierten da oben sind wir Arbeitsameisen, keine ernstzunehmenden Wesen. Die sind der Meinung, dass wir gar nicht wissen, was Sache ist.“

4.5 Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit: Vereinbarkeitskonflikte, Reduktion der Arbeitszeit, Rückgriff aufs soziale Netz

Mit der Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit verschiebt sich der Fokus der Analyse auf die Schnittstelle zur unbezahlten Sorgearbeit. Der Einfluss der Klasse auf die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit wird an drei Aspekten untersucht: der Häufigkeit von Vereinbarkeitskonflikten sowie zwei möglichen Reaktionen auf Konflikte, nämlich der Reduktion der eigenen Arbeitszeit und dem Rückgriff auf das soziale Netz. Angesichts der Schließung von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen im ersten Lockdown wenig überraschend zeigt sich in den Interviews die hohe Alltagsrelevanz der Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit für die Arbeitenden.

Quantitative Ergebnisse: großer Einfluss des Geschlechts, partielle Ausstrahlungseffekte der Klasse

Dass Vereinbarkeitskonflikte zwischen Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung in der Frühphase der Pandemie im März/April 2020 weit verbreitet sind, zeigt sich in der Befragung des Arbeitswelt-Monitors. 54 % der Erwerbstätigen mit Kinderbetreuungspflichten (die 28 % der Teilnehmer*innen am Survey ausmachen) melden häufige oder sogar sehr häufige Konflikte. Um die Vereinbarkeitskonflikte zu bewältigen, reduzieren 18 % ihre eigene Arbeitszeit und 23 % greifen zur Betreuung der Kinder auf Personen aus dem sozialen Netz zurück (Tab. B6). Bivariat sind deutliche Geschlechterungleichheiten zu erkennen, Klassenungleichheiten sind hingegen nur punktuell erkennbar.

Dieser Eindruck bestätigt sich auch in den Regressionsanalysen (Tab. 6). Zu beachten ist, dass für die Modelle 13 bis 15 nur Erwerbstätige mit Kinderbetreuungspflichten berücksichtigt wurden. Anders als in den reinen Erwerbsarbeitsthemen spielt die Klasse fast keine Rolle für die Erklärung der Ungleichheiten im Bereich der Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit. Die stärksten Effekte haben das Alter und das Geschlecht. Junge Erwerbsarbeitende (< 30 Jahre) tragen deutlich erhöhte Risiken für Vereinbarkeitskonflikte (OR=3,2), für die Reduktion der eigenen Arbeitszeit (OR=4,4) und auch den Rückgriff auf das soziale Netz (OR=5,3). Diese Effekte dürften damit zusammenhängen, dass jüngere Eltern in der Regel über weniger Ressourcen verfügen und vor allem betreuungsintensivere jüngere Kinder zu versorgen haben. Zudem haben – im Einklang mit der bisherigen Forschung – Frauen ein erhöhtes Risiko für Vereinbarkeitskonflikte (OR=1,6). Einzig beim Rückgriff auf das soziale Netz zur Bewältigung von Vereinbarkeitskonflikten (M15) zeigen sich gewisse Klasseneffekte: Qualifizierte Dienstleistende (OR=2,5), Facharbeiter*innen (OR=2,2) und Routine-Arbeiter*innen (OR=3,1) greifen deutlich häufiger als die Referenzgruppe des oberen Managements auf familienfremde Personen zurück, um die Vereinbarkeitsprobleme zu bewältigen (wobei die Effekte der Fach- und Routine-Arbeiter*innen knapp unterhalb der Schwelle der Höchstsignifikanz bleiben). Offensichtlich sind die besonders unter der Pandemie leidenden unteren Klassen der technischen und der interpersonellen Arbeitslogik – sicherlich auch, weil sie kaum von Zuhause arbeiten können – zur Bewältigung von Vereinbarkeitskonflikten zwischen Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung stärker als die anderen Klassen darauf angewiesen, Personen aus dem sozialen Netz zu rekrutieren – und damit zusätzliche Infektionsrisiken einzugehen. Insgesamt sind die Klassenungleichheiten in diesem Themenfeld jedoch nur sekundär.

Tab. 3:

Mobiles Arbeiten – Logistische Regressionen (Odds-Ratios)

Mobiles Arbeiten

[M7] Pandemie-bed. Homeoffice

[M8] Zufriedenheit mit Homeoffice

[M9] Digitalisierung der Arbeit

Geschlecht

Männlich

ref.

ref.

ref.

Weiblich

1,125

0,753**

1,316***

Alter

Unter 30 Jahre

0,841

0,728*

0,890

30 bis 50 Jahre

1,079

1,000

1,150*

50 Jahre und älter

ref.

ref.

ref.

Kinder zu betreuen

Nein

ref.

ref.

ref.

Ja

1,339***

1,040

1,187*

Alleinerziehend

Nein

ref.

ref.

ref.

Ja

1,070

0,909

1,122

Migrationshintergrund

Nein

ref.

ref.

ref.

Ja

1,097

0,946

1,052

Region

Westdeutschland

ref.

ref.

ref.

Ostdeutschland

0,675***

1,009

0,601***

Berlin

1,195

1,167

1,100

Unternehmensgröße

Unter 20 MA (Klein)

0,725**

0,610**

0,712**

20 bis 200 MA (Mittel)

0,786***

0,688***

0,891

Über 200 MA (Groß)

ref.

ref.

ref.

Betriebsrat vorhanden

Nein*

ref.

ref.

ref.

Ja

1,820***

0,618**

1,980***

Beschäftigungsstatus

Befristet

1,621***

1,665***

1,297**

Geringfügig

0,357***

1,238

0,669

Teilzeit

0,951

0,884

0,837**

Erwerbsklassen

Soziokult. Expert*innen

2,077***

0,490***

1,801***

Soziokult. Semiprofessionen

0,225***

0,573***

0,252***

Qualifizierte Dienstleistende

0,093***

0,248***

0,078***

Routine-Dienstleistende

0,070***

0,196**

0,081***

Technische Expert*innen

1,595***

1,320

0,607***

Technische Semiprofessionen

0,368***

1,468

0,349***

Facharbeiter*innen

0,075***

1,055

0,083***

Routine-Arbeiter*innen

0,018***

0,138*

0,057***

Oberes Management

ref.

ref.

ref.

Unteres Management

0,799*

1,184

0,642***

Qualifizierte Bürokräfte

0,528***

1,245

0,484***

Routine-Bürokräfte

0,435**

0,864

0,240***

Unternehmer*innen

0,469

1,000

Freie Berufe

1,020

0,791

Kleingewerbe mit Beschäftigten

0,252***

0,343**

Kleingewerbe ohne Beschäftigte

0,351***

0,463***

Fälle

7.234

3.279

7.228

Pseudo R²

0,190

0,062

0,155

Signifikanzniveaus: *p < ,05, **p < ,01, ***p < ,001

Qualitative Interviews: Pandemie als Verstärker von Geschlechterungleichheiten

An zwei Fällen können die subjektiven Wahrnehmungen der Ungleichheiten in den Auswirkungen von Vereinbarkeitskonflikten und die besondere Rolle des Geschlechts in diesem Themenfeld ausgeleuchtet werden. Ingrid ist Anfang 40, hat zwei schulpflichtige Kinder und gehört als Pressesprecherin im Gesundheitsbereich zur Klasse des oberen Managements. Sie berichtet, wie die Pandemie ihr die schon vor Corona bestehenden beruflichen Benachteiligungen von Frauen in „hochqualifizierten Jobs“ vor Augen führt. Das Homeschooling der Kinder ist mit einer Vollzeitstelle kaum vereinbar. Zwar haben auch „Teilzeit-Männer“ berufliche Nachteile, aber „die allgemeine Prämisse des Arbeitsmarktes, immer verfügbar zu sein“, beeinträchtigt vor allem die „Karriereaussichten“ von Frauen. Das Angebot, im Corona-Krisenstab ihrer Organisation tätig zu sein, lehnt sie ab: „Meetingzeiten nach 20 Uhr“ lassen sich nicht mit ihren familiären Sorgeverpflichtungen vereinbaren. Sie sieht ein strukturelles Problem: „Im Krisenstab sitzt jetzt keine Frau.“ Die Pressesprecherin befürchtet, dass die Pandemie ihre beruflichen Entwicklungschancen langfristig beeinträchtigt. Auch in den unteren Klassen wirkt sich die Sorgemehrbelastung durch die Schließung von Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen auf die Erwerbstätigkeit und die Lebensqualität von Frauen aus. Die Interviews sensibilisieren hier für Wechselwirkungen zwischen Geschlecht und Klasse. Nadine, eine Verwaltungsangestellte, berichtet von einer Kollegin, die „ziemlich mit den Nerven fertig ist“. Die qualifizierte Bürokraft hat zwei kleine Kinder, „einen Sohn mit 1,5 Jahren und eine Tochter mit fünf Jahren“. Ihr Mann musste außer Haus arbeiten, und „konnte deswegen bei der Kinderbetreuung nicht unterstützen.“ Als Frau in einer Teilzeitbürotätigkeit wurde von ihr gewissermaßen erwartet, zusätzlich zur Erwerbsarbeit die Hauptverantwortung für die Kinderbetreuung zu übernehmen. Die meisten der von uns interviewten Frauen führen die asymmetrische Lastenverteilung nur punktuell auf die Pandemie zurück, betonen stattdessen, dass Corona die strukturelle gesellschaftliche Benachteiligung von Frauen verstärkt und gesellschaftlich sichtbar macht.

5 Fazit

Die Corona-Pandemie hat weitreichende gesellschaftliche Implikationen. Anhand eines Erwerbstätigensurveys und qualitativer Interviews aus der Frühphase der Pandemie ist der Beitrag Ungleichheiten in den arbeitsweltlichen Auswirkungen jener „kaskadierenden Krisen“ nachgegangen, die sich seit der Entdeckung von Sars-CoV-2 weltweit entfalten. Um die arbeitsweltliche Dynamik der Pandemie umfassend zu untersuchen, wurden fünf Themenfelder beleuchtet: subjektive Infektionsrisiken, wirtschaftliche Lasten, mobiles Arbeiten, Arbeitsbedingungen und Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit. Neben der empirischen Analyse der Pandemiefolgen verfolgt der Beitrag ein zweites Ziel, und zwar die Auseinandersetzung mit der Relevanz sozialer Klasse in der kapitalistischen Gegenwartsgesellschaft. Da die Ansteckungsrisiken mit dem neuartigen Coronavirus aus infektiologischer Sicht generalisiert sind, bildet die Pandemie einen Lackmustest für den anhaltenden Einfluss des sozioökonomischen Positionsgefüges auf die gesellschaftliche Verteilung von Ressourcen und Lebenschancen.

Die Analyse der arbeitsweltlichen Auswirkungen anhand der quantitativen Daten des Surveys hat deutliche Klassenungleichheiten im Bereich der Erwerbsarbeit zu Tage gefördert. Der Einfluss der Klassenlage auf die Betroffenheit mit den gesundheitlichen Risiken der Pandemie und den wirtschaftlichen Lasten sowie auf den Zugang zum mobilen Arbeiten ist unübersehbar. Einzig die Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen sind tendenziell generalisiert und weisen nur vergleichsweise geringe Klassenungleichheiten auf, zugleich haben das Geschlecht und Kinderbetreuungspflichten auch Einfluss auf die Belastungssituation. Im Unterschied dazu dominieren bei den Infektionsrisiken, den wirtschaftlichen Lasten und dem mobilen Arbeiten starke vertikale Klassenungleichheiten. Die Anlerntätigkeiten und Ausbildungsberufe der unteren Klassen sind jeweils deutlich stärker von Ansteckungssorgen, unzureichenden Schutzmaßnahmen, Verdiensteinbußen, Zukunftsunsicherheit und Existenzsorgen betroffen als die akademischen Berufe, zugleich ist das mobile Arbeiten vor allem ein Phänomen der oberen Klassen. Andere Ungleichheitsdimensionen wie Geschlecht, Migrationshintergrund und Alter weisen in den Regressionsanalysen nur geringe Effekte auf die Lasten- und Risikoverteilung in diesen Themenfeldern auf. Darüber hinaus zeigt sich in den Ergebnissen auch der analytische Mehrwert des Klassenschemas von Daniel Oesch. Neben den vertikalen Ungleichheiten sind nämlich auch deutliche horizontale Differenzen in den Corona-Auswirkungen zu erkennen: Die Gesundheitsrisiken haben ihre Schwerpunkte in der interpersonellen Arbeitslogik, die wirtschaftlichen Lasten in den selbständigen und technischen Klassen und das mobile Arbeiten in der administrativen Logik. In der Zusammenschau von subjektiven Infektionsrisiken, wirtschaftlichen Lasten und mobilem Arbeiten ergibt sich für die Frühphase der Pandemie das Bild einer vertikal stratifizierten und horizontal differenzierten Verteilung der arbeitsweltlichen Lasten und Risiken (Abb. 2).

Neben den auffälligen Klassenungleichheiten in zentralen Bereichen der Erwerbsarbeit deuten sich in den quantitativen Analysen jedoch auch Grenzen klassenanalytischer Perspektiven an, die ausschließlich die Sphäre der Erwerbsarbeit betrachten. Im Themenfeld Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit spielen Klassenungleichheiten nämlich allenfalls eine nachgeordnete Rolle. Besonders auffällig sind hier Alter (und damit wahrscheinlich das Alter der Kinder) und Geschlecht. Unabhängig von ihrer sozioökonomischen Position haben Frauen ein deutlich erhöhtes Risiko, Konflikte zwischen Erwerbs- und Sorgearbeit zu erleben. Hingegen hat die Klassenlage keinen statistisch belastbaren Einfluss auf die Häufigkeit von Konflikten. Nur bei der Bewältigung von Vereinbarkeitskonflikten sind Klassenungleichheiten erkennbar. Die unteren interpersonellen und technischen Klassen, die auch in der Pandemie kaum von zu Hause arbeiten können, sind in Zeiten geschlossener Einrichtungen stärker auf familienfremde Personen aus dem sozialen Netz angewiesen, um die Betreuung ihrer Kinder zu gewährleisten. Die Ungleichheitsdynamiken an der Schnittstelle zwischen Erwerbs- und Sorgearbeit lassen sich somit nur angemessen analysieren, wenn die Wechselwirkungen zwischen beiden Sphären in den Blick genommen werden. Unsere Analyse kann hier nur eine vorsichtige Annäherung sein. Für ein tieferes Verständnis braucht es einen intersektionalen Ansatz, der neben der Klasse, das Geschlecht und weiterer Sorgeaspekte wie Kinderbetreuung und Pflegeaufgaben berücksichtigt und offen ist für klassenspezifische Ausprägungen der Intersektionalität.

Tab. 4:

Arbeitsbedingungen – Logistische Regressionen (Odds-Ratios)

Veränderung der Arbeitsbedingungen

[M10] Zunahme Arbeitsbelastungen

[M11] Verschlechterung Arbeitsinhalte

[M12] Verschlechterung Vereinbarkeit

Geschlecht

Männlich

ref.

ref.

ref.

Weiblich

1,340***

1,344***

1,266***

Alter

Unter 30 Jahre

1,200*

1,486***

1,166

30 bis 50 Jahre

1,354***

1,203**

1,331***

50 Jahre und älter

ref.

ref.

ref.

Kinder zu betreuen

Nein

ref.

ref.

ref.

Ja

1,503***

1,071

2,881***

Alleinerziehend

Nein

ref.

ref.

ref.

Ja

1,146

1,325

1,225

Migrationshintergrund

Nein

ref.

ref.

ref.

Ja

1,112

1,130

1,161

Region

Westdeutschland

ref.

ref.

ref.

Ostdeutschland

0,879

0,803*

0,967

Berlin

0,842

1,134

1,024

Unternehmensgröße

Unter 20 MA (Klein)

0,781*

1,073

0,964

20 bis 200 MA (Mittel)

0,946

1,246**

0,996

Über 200 MA (Groß)

ref.

ref.

ref.

Betriebsrat vorhanden

Nein*

ref.

ref.

ref.

Ja

0,907

0,956

1,070

Beschäftigungsstatus

Befristet

0,937

1,004

1,015

Geringfügig

1,370

0,823

0,903

Teilzeit

1,071

0,982

1,021

Erwerbsklassen

Soziokult. Expert*innen

1,469***

1,602***

1,663***

Soziokult. Semiprofessionen

1,242*

1,300*

1,289*

Qualifizierte Dienstleistende

1,429**

1,033

1,518***

Routine-Dienstleistende

0,942

0,928

0,890

Technische Expert*innen

0,787*

0,405***

0,839

Technische Semiprofessionen

0,794*

0,429***

0,992

Facharbeiter*innen

0,720*

0,480***

1,237

Routine-Arbeiter*innen

0,530**

0,703

0,756

Oberes Management

ref.

ref.

ref.

Unteres Management

0,790*

0,610***

0,915

Qualifizierte Bürokräfte

0,752**

0,564***

0,903

Routine-Bürokräfte

0,826

0,272**

0,852

Unternehmer*innen

9,295*

0,628

6,748**

Freie Berufe

1,125

0,878

1,451

Kleingewerbe mit Beschäftigten

1,395

0,854

1,763

Kleingewerbe ohne Beschäftigte

1,762**

1,353

2,032***

Fälle

7.224

7.205

7.221

Pseudo R²

0,036

0,051

0,066

Signifikanzniveaus: *p < ,05, **p < ,01, ***p < ,001

Die Auswirkungen des sozioökonomischen Positionsgefüges auf die Pandemiefolgen konzentrieren sich somit auf die unmittelbaren Erwerbsarbeitsthemen, dafür sind in diesen – das dürfte deutlich geworden sein – die Klassenungleichheiten stark ausgeprägt. Wer in Deutschland einem akademischen Beruf nachgeht, sich in den sozioökonomischen Hierarchien in der Mitte oder sogar am oberen Ende befindet, hat deutlich bessere Chancen, relativ ungeschoren durch die Pandemie zu kommen, und kann unter Umständen im Homeoffice sogar seine Balance von Arbeit und Leben verbessern. Wer hingegen in einem Ausbildungsberuf oder einem Anlernjob täglich in eine Einrichtung, eine Fabrik oder in ein Großraumbüro muss, sieht sich deutlich höheren Infektionsrisiken und wirtschaftlichen Lasten ausgesetzt. Durch die ungleiche Risiko- und Lastenverteilung werden in der Pandemie schon vor Corona bestehende Ungleichheiten verstärkt. Die erwerbsarbeitsbezogenen Lasten und Risiken tragen nämlich überproportional jene Klassen an den unteren Enden der Klassenstruktur, die in der Frühphase der Pandemie, als die Angehörigen der oberen Klassen mehrheitlich ins Homeoffice wechselten, in den Fabriken, Supermärkten, Pflegeheimen und an vielen anderen Orten täglich besondere Anstrengungen für die Aufrechterhaltung der Güterversorgung und der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge erbracht haben, aufgrund ihrer schwachen Position in der Arbeit und in der Gesellschaft im Allgemeinen aber nur über vergleichsweise wenig Ressourcen zur Bewältigung der pandemiebedingten Herausforderungen verfügen.

In Anlehnung an das Forschungsprogramm der traditionellen Klassenanalyse von Karl Marx und Max Weber hat sich der Beitrag jedoch nicht nur mit der gesellschaftlichen Verteilung von Lasten und Risiken beschäftigt, sondern anhand qualitativer Interviews auch die Sicht der Erwerbsarbeitenden auf die eigene gesellschaftliche Lage und die Ungleichheiten in den arbeitsweltlichen Folgen der Pandemie untersucht. Dabei wurde deutlich, dass die Pandemie in ihrer Frühphase für viele Erwerbsarbeitende eine Kollektiverfahrung darstellt: Die eigene Betroffenheit mit Ansteckungssorgen, unzureichenden Schutzmaßnahmen, Verdiensteinbußen und Zukunftsunsicherheit führt genauso wie der (Nicht)-Zugang zum mobilen Arbeiten vielen Arbeitenden die sozioökonomische Position im eigenen Beruf vor Augen. Unterfüttert wird die Kollektiverfahrung durch den permanenten Vergleich mit anderen Berufsgruppen. Fast alle von uns in der Frühphase der Pandemie Interviewten gleichen die Auswirkungen der Pandemie auf die eigene Arbeit laufend mit den Folgen für andere Beschäftigten- und Berufsgruppen ab: Die Maßnahmen am eigenen Arbeitsplatz werden mit dem Schutz anderer Berufsgruppen verglichen, die eigenen wirtschaftlichen Lasten vor dem Hintergrund der Betroffenheit Anderer eingeschätzt, pandemiebedingtes mobiles Arbeiten entweder als eigenes Privileg oder, falls man keinen Zugang hat, als Privileg der Anderen betrachtet und die fehlende Wertschätzung für die eigenen Leistungen mit der Anerkennung anderer Berufe kontrastiert. Letztlich wissen die Arbeitenden sehr genau, welche Berufsgruppen sich in einer ähnlichen Pandemielage befinden – und welche Berufe von ganz anderen Auswirkungen betroffen sind.

Zwar lässt sich diese Kollektiverfahrung nicht als Klassenbewusstsein im engeren Sinne begreifen. In unserem Material sind keine Konturen einer „Klasse für sich“ zu erkennen, die sich im Marx’schen Sinne zu einem handlungsfähigen politischen Akteur entwickelt. Was sich in den Interviews jedoch zeigt, ist das verstärkte Bewusstsein für eine gemeinsame Klassenlage in der Pandemie. Aufgrund der horizontalen Differenzierung der Pandemieauswirkungen – der Dominanz der gesundheitlichen Risiken in den interpersonellen Klassen, der wirtschaftlichen Lasten in den selbständigen und den technischen sowie des mobilen Arbeitens in den administrativen Klassen – sind die Erfahrungen der besonders von der Pandemie betroffenen unteren Klassen allerdings fragmentiert. Viele teilen zwar die fast schon resignierende Einschätzung, dass Arbeitgeber, Politik und Öffentlichkeit auch in der Pandemie ihre Sorgen und Nöte nicht ernst nehmen und sie selbst in einer gesellschaftlichen Ausnahmesituation wie der Corona-Krise kaum Einfluss auf die eigene Arbeitssituation haben. Zugleich erleben sie die Pandemie, abhängig von ihrer horizontalen Position, eben auch auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Die beiden Achsen des Klassenschemas von Oesch verfügen somit nicht nur über einen hohen analytischen Mehrwert für das Mapping von Pandemieungleichheiten, die Kombination vertikaler Hierarchien und horizontaler Differenzierungen entlang der Arbeitslogiken ist zumindest in der Frühphase der Pandemie auch in den Erfahrungen der Arbeitenden präsent. Damit zeigt sich in den Ergebnissen der analytische Nutzen des in der sozioökonomischen Traditionslinie der Klassenanalyse verankerten Forschungsprogramms, das sich aufbauend auf einem Mixed-Methods-Ansatz sowohl mit der gesellschaftlichen Verteilung von Risiken und Lasten als auch mit den Pandemie- und Ungleichheitserfahrungen der Arbeitenden beschäftigt hat.

Abb. 2: Klassenungleichheiten in der Pandemie
Abb. 2:

Klassenungleichheiten in der Pandemie

Limitationen. Das Sampling für den Online-Survey basiert nicht auf einer Zufallsstichprobe, so dass repräsentative Aussagen über die Grundgesamtheit der deutschen Erwerbsbevölkerung letztlich nicht möglich sind. Die Autor*innen sind jedoch davon überzeugt, dass sich mit dem vorliegenden Datensatz aufgrund der Sampling-Strategie, der Größe der Stichprobe und des komplexen Anpassungsgewichts (siehe Methoden) zuverlässig Ungleichheitsrelationen zwischen Gruppen bestimmen lassen. Zur hohen wissenschaftlichen Qualität des Datensatzes tragen zudem der Zeitpunkt der Befragung während des ersten Lockdowns in Deutschland und der thematisch breite, arbeits- und ungleichheitssoziologisch fundierte Fragebogen bei. Die einzige Unwucht im Sample, die nicht durch die Gewichtung kompensiert werden konnte, ist die Unterrepräsentation von Arbeitenden mit Migrationshintergrund. Obwohl mit Aufrufen in verschiedenen Sprachen gezielt Menschen mit Migrationshintergrund angesprochen wurden, hat der Arbeitswelt-Monitor „Arbeiten in der Corona-Krise“ wie viele andere soziologische Befragungen in diesem Segment der Arbeitsgesellschaft ein Rekrutierungsproblem. Insbesondere die vulnerabelsten Gruppen dürften im Sample unterrepräsentiert sein. Zu prüfen wäre, ob dies ein Grund für den geringen Einfluss des Migrationshintergrundes in den logistischen Regressionen zu den arbeitsweltlichen Auswirkungen der Pandemie sein kann. Um die Verschränkungen von Klasse und Migration tiefergehend beleuchten zu können, sollte zukünftige Forschung nach alternativen Wegen suchen, die Teilnahme in diesen Segmenten der Arbeitsgesellschaft zu erhöhen.

Tab. 5:

Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit – logistische Regressionen (Odds-Ratios)

Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit

[M13] Häufig Vereinbarkeitskonflikte

[M14] Reduzierung eigener Arbeitszeit

[M15] Rückgriff auf soziales Netz

Geschlecht

Männlich

ref.

ref.

ref.

Weiblich

1,587***

0,918

0,814

Alter

Unter 30 Jahre

3,221***

4,365***

5,270***

30 bis 50 Jahre

2,777***

2,318***

1,898***

50 Jahre und älter

ref.

ref.

ref.

Alleinerziehend

Nein

ref.

ref.

ref.

Ja

1,119

0,762

1,101

Migrationshintergrund

Nein

ref.

ref.

ref.

Ja

1,064

0,876

0,955

Region

Westdeutschland

ref.

ref.

ref.

Ostdeutschland

1,131

1,475*

1,241

Berlin

1,069

0,507

0,940

Unternehmensgröße

Unter 20 MA (Klein)

1,197

1,013

1,106

20 bis 200 MA (Mittel)

1,030

0,986

1,011

Über 200 MA (Groß)

ref.

ref.

ref.

Betriebsrat vorhanden

Nein*

ref.

ref.

ref.

Ja

1,181

1,038

0,929

Beschäftigungsstatus

Befristet

1,406

1,236

0,947

Geringfügig

0,671

0,659

1,260

Teilzeit

1,158

1,951***

1,311

Erwerbsklassen

Soziokult. Expert*innen

1,156

0,467**

0,887

Soziokult. Semiprofessionen

0,883

0,673

1,701*

Qualifizierte Dienstleistende

0,801

0,727

2,521***

Routine-Dienstleistende

0,768

0,570

2,184

Technische Expert*innen

0,912

0,926

1,010

Technische Semiprofessionen

0,833

0,969

1,099

Facharbeiter*innen

1,049

1,388

2,238**

Routine-Arbeiter*innen

1,025

0,674

3,087**

Oberes Management

ref.

ref.

ref.

Unteres Management

0,995

0,979

0,775

Qualifizierte Bürokräfte

0,764

0,938

1,295

Routine-Bürokräfte

0,422

1,000

0,759

Unternehmer*innen

1,000

1,000

1,000

Freie Berufe

1,371

6,242***

0,715

Kleingewerbe mit Beschäftigten

1,495

0,681

1,248

Kleingewerbe ohne Beschäftigte

0,894

1,677

0,485

Fälle

1.920

1.912

1.920

Pseudo R²

0,052

0,051

0,051

Signifikanzniveaus: *p < ,05, **p < ,01, ***p < ,001

About the authors

Hajo Holst

Hajo Holst, geb. 1971 in Grevenbroich. Studium der Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre in Marburg und Oslo. Promotion in Osnabrück. Habilitation in Jena. Seit 2014 Professor für Wirtschaftssoziologie an der Universität Osnabrück.

Forschungsschwerpunkte: Wandel von Arbeit, soziale Ungleichheit, Digitalisierung und sozialökologische Transformation.

Wichtigste Publikationen: Holst, H., A. Fessler & S. Niehoff, 2020: Covid-19, Social Class and Work Experience in Germany: Inequalities in Work-Related Health and Economic Risks. In: European Societies 23(sup1). Special Issue „European Societies in the Time of the Coronavirus Crisis“; Holst, H., 2016: Finanzialisierung als ‚Investifizierung‘: Innovationsarbeit und Portfolio-Arbeitsorganisation. In: Zeitschrift für Soziologie 45(3): 145–161; Holst, H., 2014: ‚Commodifying Institutions‘ – Vertical Disintegration and Institutional Change in German Labour Relations, in: Work, Employment and Society. In: Work, Employment and Society 28(1), S. 3–20.

Agnes Fessler

Agnes Fessler, geb. 1988 in Bregenz, Studium der Soziologie in Wien und Jena. Seit 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Wirtschaftssoziologie der Universität Osnabrück.

Forschungsschwerpunkte: Arbeit und Sozialstruktur, sozialökologische Transformation, Digitalisierung von Produktionsarbeit, Mitbestimmung.

Wichtigste Publikationen: Holst, H., A. Fessler & S. Niehoff, 2020: Covid-19, Social Class and Work Experience in Germany: Inequalities in Work-Related Health and Economic Risks. In: European Societies 23(sup1). Special Issue „European Societies in the Time of the Coronavirus Crisis“; Fessler, A./Holst, H./Niehoff, S. 2021: Corona und die Arbeitswelt der Zukunft: von der gesellschaftlichen (Un)Sichtbarkeit des Leidens an der Pandemie. In: Filipič, U./Schönauer, A. 2021: Ein Jahr Corona: Ausblick Zukunft der Arbeit. Sozialpolitik in Diskussion 23. Arbeiterkammer Wien; Hiß, S./Fessler, A./Griese, G./Nagel, S./Woschnak, D. (2020, Hg.): Nachhaltigkeit und Finanzmarkt. Zur soziologischen Vermessung eines Reflexionsraums. Springer VS in der Reihe Wirtschaft + Gesellschaft.

Steffen Niehoff

Steffen Niehoff, geb. 1986 in Wernigerode, Studium der Soziologie in Jena. Seit 2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Wirtschaftssoziologie der Universität Osnabrück.

Forschungsschwerpunkte: Organisation und Wandel von Arbeit, soziale Ungleichheit

Wichtigste Publikationen: Holst, H., A. Fessler & S. Niehoff, 2020: Covid-19, Social Class and Work Experience in Germany: Inequalities in Work-Related Health and Economic Risks. In: European Societies 23(sup1). Special Issue „European Societies in the Time of the Coronavirus Crisis“; Niehoff, S., Holst, H. & Fessler, A. (2022): Verfestigte Klassenungleichheiten: Zur arbeitsweltlichen Dynamik der Corona-Pandemie. In: Arbeit, 31(1–2), 133–154.

Die Replikationsdaten dieser Daten finden sich unter folgender Adresse:

Holst, Hajo; Fessler, Agnes; Niehoff, Steffen, 2022, „Replikationsdaten für Artikel “Covid-19, Ungleichheit und (Erwerbs)-Arbeit – zur Relevanz sozialer Klasse in der Pandemie““, https://doi.org/10.26249/FK2/4B3NSO, osnaData, V1

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Anhang

Tab. A1:

Abhängige Variablen mit Formulierungen der Items/Fragetexte sowie der Antwortkategorien

Subjektive Infektionsrisiken

Sorge, sich selbst anzustecken

„Ich mache mir Sorgen, mich bei meiner Arbeit mit Corona anzustecken.“

1 … Stimme völlig zu; 2 … eher zu; 3 … teilweise zu; 4 … eher nicht; 5 … gar nicht zu

Sorge, Andere anzustecken

„Ich mache mir Sorgen, mich bei meiner Arbeit mit Corona anzustecken.“

1 … Stimme völlig zu; 2 … eher zu; 3 … teilweise zu; 4 … eher nicht; 5 … gar nicht zu

Einschätzung Schutzmaßnahmen

„Wie bewerten Sie Maßnahmen, die in Ihrem Arbeitsbereich zum Schutz der Mitarbeiter*innen vor einer Corona-Infektion umgesetzt wurden?“

1 … Bei uns gibt es keine Schutzmaßnahmen; 2 … Es gibt bei uns Schutzmaßnahmen, diese sind aber nicht ausreichend; 3 … Es gibt bei uns Schutzmaßnahmen, diese sind völlig ausreichend; 4 … Die Schutzmaßnahmen bei uns sind übertrieben.

Wirtschaftliche Lasten

Verdiensteinbußen

„Für viele Menschen hat sich die berufliche Situation durch die Ausbreitung des Corona-Virus geändert. Wie sieht das bei Ihnen aus? Welche der folgenden Änderungen treffen auf Sie zu? … Mein Verdienst hat sich reduziert.“

1 … genannt; 0 … nicht genannt

Berufliche Zukunft unsicherer

„Meine berufliche Zukunft ist durch Corona unsicherer geworden.“

1 … Stimme völlig zu; 2 … eher zu; 3 … teilweise zu; 4 … eher nicht; 5 … gar nicht zu

Existenzängste

„Durch Corona ist meine wirtschaftliche Existenz bedroht.“

1 … Stimme völlig zu; 2 … eher zu; 3 … teilweise zu; 4 … eher nicht; 5 … gar nicht zu

Mobiles Arbeiten

Pandemiebedingtes Homeoffice

„Für viele Menschen hat sich die berufliche Situation durch die Ausbreitung des Corona-Virus geändert. Wie sieht das bei Ihnen aus? Welche der folgenden Änderungen treffen auf Sie zu? … Ich arbeite vermehrt von zu Hause (z. B. Homeoffice).“

1 … genannt; 0 … nicht genannt

Zufriedenheit mit Homeoffice

„Alles in allem, wie zufrieden sind Sie mit den Home-Office-Regelungen Ihres Arbeitgebers?“

1 … Sehr zufrieden; 2 … Eher zufrieden; 3 … Teilweise zufrieden; 4 … Eher nicht zufrieden; 5 … Gar nicht zufrieden

Digitalisierung der Arbeit

„Meine Arbeit ist durch Corona viel digitaler geworden.“

1 … Stimme völlig zu; 2 … eher zu; 3 … teilweise zu; 4 … eher nicht; 5 … gar nicht zu

Arbeitsbedingungen

Zunahme Arbeitsbelastungen

„Wie hat sich für Sie seit Beginn der Corona-Krise die Qualität Ihrer Arbeit verändert? Bitte bewerten Sie die Verän-derungen in den folgenden Dimensionen: … Belastungen“

1 … Stark verbessert; 2 … Leicht verbessert; 3 … Unverändert; 4 … Leicht verschlechtert; 5 … Stark verschlechtert

Verschlechterung Arbeitsinhalte

„… Arbeitsinhalte“

Verschlechterung Vereinbarkeit

„… Vereinbarkeit von Arbeit und Leben“

Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit

Häufig Vereinbarkeitskonflikte

„Wie häufig kommt es vor, dass Sie Schwierigkeiten haben, die Betreuung und Erziehung der Kinder mit Ihrer Arbeit zeitlich zu vereinbaren?“

1 … Sehr häufig; 2 … Oft; 3 … Selten; 4 … Nie; 5 … Ich habe keine Kinderbetreuungspflichten.

Rückgriff auf soziales Netz

„Familie/Nachbar*innen/Freund*innen unterstützen bei der Kinderbetreuung.“

1 … genannt; 0 … nicht genannt

Reduzierung eigener Arbeitszeit

„Ich habe meine Arbeitszeit reduziert/Urlaub genommen, um die Kinder zu betreuen.“

1 … genannt; 0 … nicht genannt

Hervorgehoben sind die Antwortkategorien, die die jeweilige Betroffenheit in den verschiedenen Dimensionen markieren und die für Dichotomisierung der Zielvariablen für die logistischen Regressionen herangezogen wurden

A2 Hinweise zur Gewichtung

Zur Korrektur möglicher Verzerrungen aufgrund von Sampleasymmetrien wird ein Anpassungsgewicht gebildet, das für diesen Artikel bei uni- und bivariaten Ausgaben zur Anwendung kommt. Dieses Gewicht berücksichtigt die klassenspezifische Verteilung von Geschlecht, Alter und Einkommen. Auf Basis des ALLBUS 2018 wurde dafür eine Poststratifikation durchgeführt und die Anpassungsgewichte durch eine SOLL-/IST-Anpassung ermittelt. Die genannten Merkmale wurden dabei in folgenden Kodierungen für die Berechnung des Anpassungsgewichts herangezogen:

  1. Erwerbsklassen nach Oesch (2006a), Rekodierung beruflicher Tätigkeiten: Soziokulturelle (Semi-) Professionen / Dienstleistende / Technische Expert*innen / Produktionsarbeitende / Management / Bürokräfte / Arbeitgeber*innen und Freiberufler*innen / Kleingewerbe

  2. Geschlecht: männlich / weiblich

  3. Alter: unter 30 Jahre / 30–49 Jahre / 50 Jahre und älter

  4. Einkommen: bis 1500€ / 1501–3000€ / über 3000€

Tab. A3:

Kern-Soziodemografie des quantitativen Samples

Arbeitswelt-Monitor

ALLBUS

Fallzahlen

Anteile

Anteile

Geschlecht

Männlich

3.588

41,2

54,5

Weiblich

5.131

58,8

45,5

Alter

Unter 30 Jahre

1.094

12,4

14,8

30 bis 50 Jahre

3.986

45,3

44,3

50 Jahre und älter

3.715

42,2

40,8

Mit Migrationshintergrund

Nein

7.553

86,1

67,1

Ja

1.216

13,9

32,9

Berufsabschluss

Keinen

234

2,7

7,9

Berufsausbildung

4.497

52,1

60,9

Studium

3.909

45,2

31,2

Region

Westdeutschland

7.320

83,5

82,0

Ostdeutschland

1.150

13,1

14,8

Berlin

299

3,4

3,2

Erwerbsklassen

Soziokult. Expert*innen

865

9,7

5,9

Soziokult. Semiprofessionen

1.301

14,6

6,5

Qualifizierte Dienstleistende

816

9,1

12,7

Routine-Dienstleistende

238

2,7

4,0

Technische Expert*innen

547

6,1

5,5

Technische Semiprofessionen

706

7,9

6,1

Facharbeiter*innen

566

6,3

13,1

Routine-Arbeiter*innen

186

2,1

5,8

Oberes Management

906

10,2

8,6

Unteres Management

1.020

11,4

11,0

Qualifizierte Bürokräfte

1.265

14,2

9,1

Routine-Bürokräfte

66

0,7

0,9

Unternehmer*innen

11

0,1

2,1

Freie Berufe

130

1,5

1,8

Kleingewerbe mit Beschäftigten

89

1,0

3,0

Kleingewerbe ohne Beschäftigte

211

2,4

3,9

Einkommen

Weniger als 1.500€

1.653

20,0

36,7

1.500€ bis 3.000€

4.771

57,7

47,0

3.000€ und mehr

1.840

22,3

16,4

Quelle: Daten des Arbeitswelt-Monitors, Werte für Erwerbstätige sind dem ALLBUS 2018 (GESIS 2021) entnommen

Tab. A4:

Übersicht über das qualitative Sample

Anzahl

(N=31)

Geschlecht

Männlich

11

Weiblich

20

Erwerbsklassen

Soziokult. Expert*innen

2

Soziokult. Semiprofessionen

5

Qualifizierte Dienstleistende

4

Routine-Dienstleistende

0

Technische Expert*innen

2

Technische Semiprofessionen

2

Facharbeiter*innen

2

Routine-Arbeiter*innen

1

Oberes Management

7

Unteres Management

2

Qualifizierte Bürokräfte

1

Routine-Bürokräfte

0

Unternehmer*innen

1

Freie Berufe

0

Kleingewerbe mit Beschäftigten

1

Kleingewerbe ohne Beschäftigte

1

Published Online: 2022-06-28
Published in Print: 2022-07-26

© 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 25.4.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zfsoz-2022-0004/html
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