Die notfallmässige Zuweisung des 73-jährigen Patienten erfolgte aufgrund einer schleichenden Allgemeinzustandsverschlechterung mit generalisiertem Schwächegefühl und wiederholten Blutdruck- und Sauerstoffsättigungsabfällen.
Hintergrund
Die Pneumonie ist definiert als Infektion des Lungenparenchyms. Zu den typischen Symptomen zählen Atemwegssymptome wie Husten mit/ohne Auswurf, Dyspnoe und Thoraxschmerzen sowie Allgemeinsymptome wie Fieber, Myalgien und Asthenie. Insbesondere bei älteren oder immunkompromittierten Patientinnen und Patienten finden sich auch oligosymptomatische Verläufe mit ausschliesslich letztgenannten Symptomen, Vigilanzminderung oder gar primär gastrointestinalen Symptomen. In der Lungenauskultation finden sich typischerweise feinblasige Rasselgeräusche (RG), im Labor erhöhte Entzündungsparameter. Aufgrund der vielfältigen klinischen Präsentation wird zur Diagnosesicherung der radiologische Nachweis eines neu aufgetretenen pulmonalen Infiltrates (lobär/alveolär/interstitiell) gefordert.
Eine Unterteilung der Pneumonien erfolgt unter Berücksichtigung des Infektionsumstandes (ambulant vs. nosokomial), des Immunstatus (immunkompetent vs. -supprimiert) sowie des radiologischen Ausbreitungsmusters (Lobär-, Broncho- oder interstitielle Pneumonie, uni- vs. bilateral). Entsprechend der Einordnung einer Pneumonie in der sogenannten «Pneumonie-Triade» (Tab. 1, [1, 2]) ergeben sich aufgrund der unterschiedlichen zu erwartenden Erregerspektren Unterschiede in der empirischen antibiotischen Therapie.
Tabelle 1: Die Pneumonie-Triade (modifiziert nach Ott S et al. [2]).
* Auftreten >48 Stunden nach Spitaleintritt bzw. vorbestehende Hospitalisation bis vor 3 Monaten. † Typische Konditionen mit schwerer Immunsuppression: Neutropenie (<1000/µl, v.a. erhöhtes Risiko für Aspergillose), unbehandelte HIV-Infektion mit CD4-Zellzahl <200/µl oder Steroidtherapie mit Prednisolon-Äquivalent ≥20 mg/Tag für >4 Wochen (v.a. erhöhtes Risiko für Pneumocystis jirovecii- oder Zytomegalie-Virus-(CMV-)Pneumonie), andere medikamentöse Immunsuppression (z.B. Methotrexat), Transplantation solider Organe, Stammzelltransplantation, Antikörpermangelsyndrome, angeborene Immundefekte. MSSA/MRSA = Methicillin-sensibler / -resistenter Staphylococcus aureus.
Seit Anfang 2020 muss aufgrund der COVID-19-Pandemie eine weitere Differentialdiagnose bei neuem Auftreten von Atemwegs- und Allgemeinsymptomen berücksichtigt werden. Leitsymptome einer durch SARS-CoV-2 verursachten Pneumonie sind Fieber und Husten [3]. Laboranalytisch werden neben erhöhten Entzündungswerten und Lymphopenie häufig erhöhte Laktatdehydrogenasewerte (LDH) beobachtet [3, 4]. Im Computertomogramm (CT) imponieren zu Beginn der Erkrankung peripher betonte Milchglasinfiltrate meist aller Lungenlappen [3, 4].
Fallbericht
Anamnese
Die notfallmässige Zuweisung eines 73-jährigen Patienten erfolgte aufgrund einer schleichenden Allgemeinzustandsverschlechterung mit generalisiertem Schwächegefühl und wiederholten Blutdruck- und Sauerstoffsättigungs-(SpO2-)Abfällen. Vorbekannt waren eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) GOLD-Stadium 3 sowie ein primäres Lymphom des Zentralnervensystems (ZNS) vom diffus-grosszelligen B-Zell-Typ. Für das ZNS-Lymphom erfolgte unmittelbar nach Diagnosestellung eine Chemotherapie (4 Zyklen R-MTX-araC [Rituximab/Methotrexat/Cytarabin]) sowie, aufgrund einer Grössenprogredienz vier Monate vor Beginn der geschilderten Beschwerden, eine zusätzliche Ganzhirnbestrahlung und Dexamethasontherapie (10 Wochen 8 mg/Tag mit wöchentlicher Dosishalbierung).
Während der Radiotherapie berichtete der Patient von zunehmendem Husten und Halsschmerzen. Bei hochgradigem Verdacht auf eine COVID-19-Pneumonie mit bakterieller Superinfektion wurde er auf einer COVID-19-Isolationsstation hospitalisiert. Bei Eintritt war der Patient febril (38,4 °C), hämodynamisch stabil und normopnoisch (Atemfrequenz [AF] 16/min) bei spontaner SpO2 von 86%. Das C-reaktive Protein (CRP) war mit 314 mg/l deutlich, das Procalcitonin (PCT) mit 0,15 µg/l leicht erhöht (Normwerte <5 mg/l bzw. <0,1 µg/l). Daneben imponierten eine Lymphopenie von 0,20 G/l (Norm 1,1–3,5 G/l), eine erhöhte LDH von 832 U/l (Norm <480 U/l) sowie eine Oxygenationsstörung in der arteriellen Blutgasanalyse (PaO2 63 mm Hg). Konventionell-radiologisch fanden sich bipulmonale Infiltrate. Bei hochgradigem COVID-19-Verdacht wurde nach einem vorangegangenen negativen Ergebnis ein Nasopharyngealabstrich (NPA) auf SARS-CoV-2 wiederholt, der erneut negativ war. Auch andere respiratorische Viren konnten hier nicht nachgewiesen werden. Blutkulturen und Legionellen-Antigen im Urin waren negativ. Unter der empirischen Antibiotikatherapie mit Ceftriaxon und Doxycyclin besserte sich der Allgemeinzustand rasch, die Entzündungsparameter waren regredient. Nach zwei Wochen wurde der Patient trotz mehrfach negativen SARS-CoV-2-NPA mit der Verdachtsdiagnose einer COVID-19-Pneumonie nach Hause entlassen.
Im Verlauf trat eine schleichend progrediente Abgeschlagenheit ohne respiratorische Beschwerden auf. Der Hausarzt wies den Patienten bei Wiederanstieg der Entzündungsparameter, intermittierender Hypotonie (bis 60/30 mm Hg) sowie wiederholten SpO2-Abfällen bis 80% erneut zu.
Status und Befunde
Bei Eintritt war der Patient hypoton, afebril und normopnoisch (AF 14/min), die SpO2 lag unter 4 l/min Sauerstoffzufuhr bei >92%. In der klinischen Untersuchung fielen fein- bis mittelblasige RG über allen Lungenfeldern auf. Laboranalytisch imponierten deutlich erhöhte Entzündungsparameter (CRP 198 mg/l, PCT 0,19 µg/l) und eine von LDH (1115 U/l) bei normwertiger Leukozytenzahl und Lymphopenie (0,22 G/l). Blut- und Urinkulturen sowie Legionellen-Antigen im Urin waren negativ. Mittels erneutem NPA liessen sich weder SARS-CoV-2 noch andere respiratorische Viren (Influenza A/B, «Respiratory Syncytial Virus» [RSV], Rhino-, Entero-, Boca-, Parainfluenza-, Adeno-, humane Metapneumo- und Coronaviren ohne SARS) nachweisen. Ein thorakales CT zeigte bilaterale Milchglasinfiltrate (Abb. 1).
Diagnose und Therapie
Bei Nachweis bipulmonaler Milchglasinfiltrate sowie Immunsuppression bei Lymphom und Langzeit-Steroidtherapie (initial Dexamethason 8 mg/Tag = Prednisolon 50 mg/Tag seit 10 Wochen, bei Wiedereintritt Dexamethason 4 mg/Tag) ohne Cotrimoxazol-Prophylaxe (Trimethoprim/Sulfamethoxazol) wurde bei Verdacht auf eine Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie (PCP) eine entsprechende Antibiotikatherapie mit Cotrimoxazol (800/160 mg 2-2-2 p.o.) begonnen. Dexamethason wurde auf 12 mg/Tag erhöht.
Der (1→3)-β-D-Glucan-Wert war mit 251,9 pg/ml deutlich erhöht (Norm <2,5 pg/ml). Im Sputum sowie in der bronchoalveolären Lavage (BAL) gelang der Nachweis von Pneumocystis jirovecii mittels PCR («polymerase chain reaction»), mikroskopisch (unter Therapie) gelang der Nachweis nicht. Die Diagnose einer PCP konnte somit gesichert werden.
Unter Therapie mit Cotrimoxazol besserte sich der klinische Zustand des Patienten, die nasale Sauerstoffzufuhr konnte sukzessive reduziert werden. Ein Fortführen der antibiotischen und der erhöhten Steroidtherapie ist leitliniengerecht für insgesamt 21 Tage vorgesehen, mit anschliessender prophylaktischer Dosierung (3×/Woche 1 Tablette) bei fortbestehender Risikokonstellation.
Diskussion
Wie dieser Fallbericht zeigt, ist es während einer Pandemie in der klinischen Praxis eine grosse Herausforderung, andere, potentiell lebensbedrohliche Erkrankungen nicht zu verpassen. Anamnese, Klinik und Laborbefunde können bei einer Pneumonie verursacht durch SARS-CoV-2 oder Pneumocystis jirovecii identisch sein (Tab. 2). Konventionell-radiologisch sowie computertomographisch ist eine Unterscheidung nicht sicher möglich. Das klinische Erscheinungsbild beider Entitäten kann von milden Verläufen bis hin zu fulminanter respiratorischer Insuffizienz reichen, wobei die PCP eher durch einen schleichenden Symptombeginn charakterisiert ist [5].
Tabelle 2:Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie-(PCP-) und COVID-19-Diagnostik.
Wahrscheinliche PCP: Kombination von 1 und 2 mit 3, 4, 5 und/oder 6. Gesicherte PCP: Wahrscheinliche Diagnose in Kombination mit 7 oder 8. Abkürzungen: AZ: Allgemeinzustand; LDH: Laktatdehydrogenase; CT: Computertomogramm; IF: Immunfluoreszenz; BAL: bronchoalveoläre Lavage; PCR: «polymerase chain reaction»; DNS = Desoxyribonukleinsäure; RNS: Ribonukleinsäure.
Die PCP ist eine opportunistische Pilzerkrankung mit hoher Mortalität und betrifft typischerweise immunsupprimierte Individuen [5]. Relevant für die Differenzierung beider Entitäten ist daher insbesondere die Erfassung der jeweiligen Risikokonstellation. Diesbezüglich ist die Langzeit-Steroidtherapie hervorzuheben, wobei auch eine Dosisreduktion das PCP-Risiko deutlich erhöht [5]. Eine asymptomatische Kolonisation mit Pneumocystis jirovecii ist möglich, weshalb ein positiver Nachweis mittels PCR nur unter Berücksichtigung der klinisch-anamnestischen Aspekte im Sinne einer PCP interpretiert werden darf. Die Diagnose gilt als gesichert, sofern bei suggestiver Anamnese und Risikokonstellation die Mikroorganismen mittels Mikroskopie (Immunfluoreszenz oder Spezialfärbung) oder PCR im induzierten Sputum oder der BAL nachgewiesen werden können (Tab. 2). Erhärtend kann der Zellwandbestandteil (1→3)-β-D-Glucan im Serum bestimmt werden. Therapiert wird die PCP in erster Linie mit Cotrimoxazol und Glukokortikoiden. Als antiinfektive Alternative kann eine Kombination von Clindamycin und Primaquin verabreicht werden.
Das Wichtigste für die Praxis
• Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie (PCP) und COVID-19-Pneumonien können sich im klinischen Alltag ähnlich präsentieren, am häufigsten finden sich Husten und Fieber.
• Eine Langzeit-Steroidtherapie (Prednisolon-Äquivalenz ≥20 mg für die Dauer >4 Wochen) sowie Lymphopenie gehen mit einer Immunsuppression einher. Bei jeder Patientin / jedem Patienten mit relevanter Risikokonstellation für eine PCP sollte eine entsprechende Prophylaxe überprüft werden.
• Bei entsprechender Risikokonstellation, Anamnese und Befunden sollte differentialdiagnostisch an eine PCP gedacht werden und nach den Mikroorganismen im induzierten Sputum oder in der bronchoalveolären Lavage (mittels Mikroskopie oder PCR) gesucht werden. Bestimmung des (1→3)-β-D-Glucan im Serum kann hilfreich zur Erhärtung der Diagnose sein.
Disclosure statement
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Korrespondenz
Dr. med. Lara T. Schraml Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, Inselspital Freiburgstrasse 16 CH-3010 Bern lara.schraml[at]insel.ch
Literatur
1 Ewig S. The pneumonia triad. Eur Respir Mon. 2014;63:13–24.
2 Ott SR. Ambulant erworbene und nosokomiale Pneumonie. Swiss Med Forum. 2018. 18(26–27):569–74.
3 Guan WJ, Ni ZY, Hu Y, Liang WH, Ou CQ, He JX, et al.; China Medical Treatment Expert Group for Covid-19. Clinical Characteristics of Coronavirus Disease 2019 in China. N Engl J Med. 202030;382(18):1708–20.
4 Huang C, Wang Y, Li X, Ren L, Zhao J, Hu Y, et al. Clinical features of patients infected with 2019 novel coronavirus in Wuhan, China. Lancet. 2020. 395(10223):497–506.
5 Thomas CF Jr, Limper AH. Pneumocystis pneumonia. N Engl J Med. 2004;350(24):2487–98.