Die Kombination aus Lagerungs- und nichtinvasiver Beatmungstherapie kann bei COVID-19 eine Oxygenierungsstörung verbessern, sodass eine Intubation vermieden und der Intensivaufenthalt günstig beeinflusst werden könnten.

Falldarstellungen

Anamnese, Befund, Diagnose

Die Patienten (männlich, 77 und 63 Jahre alt) wurden bei V. a. COVID-19 mit progredienter respiratorischer Insuffizienz Typ I auf die Intensivstation aufgenommen. Klinisch zeigten sich von der ausgeprägten Hypoxie, auch im Verlauf, wenig beeinträchtigte, kreislaufstabile Patienten. Der Body-Mass-Index (BMI) des 77-jährigen Patienten betrug 24,2 kg/m2, beim 63-jährigen 30,9 kg/m2. Bei dem jüngeren Patienten waren nebenbefundlich noch eine arterielle Hypertonie, ein paroxysmales Vorhofflimmern sowie eine Haselnussallergie bekannt; der 77-jährige Patient litt ebenfalls an einer arteriellen Hypertonie, einem Diabetes mellitus Typ 2 mit diabetischem Fußsyndrom sowie einem obstruktiven Schlafapnoesyndrom mit einer bereits etablierten Heim-CPAP-Therapie. Operativ bestand ein Z. n. Nephrektomie links.

BGA und Labor

In den BGA führend Zeichen einer ausgeprägten Hypoxämie (Abb. 1 und 2). Bei beiden Patienten gelang der Nachweis von SARS-CoV‑2 mittels PCR aus dem Nasopharyngealabstrich.

Abb. 1
figure 1

Arterielle BGA (Auszüge), Patient 1

Abb. 2
figure 2

Arterielle BGA (Auszüge), Patient 2

Die pH-Werte betrugen zwischen 7,448 und 7,52 bei einem paCO2 zwischen 24,4 und 40,4 mm Hg bei dem 77-jährigen Patienten, sowie pH zwischen 7,417 und 7,53 bei paCO2-Werten zwischen 31 und 48 mm Hg beim 63-jährigen Patienten. Beide Patienten waren tachypnoisch mit Atemfrequenzen zwischen 25/min und 30/min (77 Jahre) bzw. 18/min und 30/min (63 Jahre).

Bildgebung

Radiologisch zeigten sich deutliche subpleural gelegene, bilaterale Infiltrate, vereinbar mit COVID-19 (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Röntgenaufnahmen der beiden Patienten. COVID-19-typische Infiltrate bei Patient 1 (a) und bei Patient 2 (b)

Auf eine weiterführende CT-Diagnostik wurde in Ermangelung klinischer Konsequenzen und zum Schutz des Personals und anderer Patienten verzichtet.

Therapie und Verlauf

Nachdem eine Erhöhung der O2-Fluss-Rate auf 6–8 l/min über die Mund-Nasen-Maske keine Besserung brachte, wurde im ersten Fall „high flow“, im zweiten Fall zusätzlich CPAP bzw. NIV verwendet. Trotzdem kam es erneut zu schweren Hypoxämien.

Währenddessen wurden die Patienten wiederholt und erfolgreich aufgefordert, sich mehrmals am Tag über Stunden in Seit- bzw. Bauchlage (Abb. 1 und 2) zu lagern. Durch diese Kombination aus Beatmungs- und Lagerungstherapie gelang es in beiden Fällen, eine Intubation zu vermeiden und die Patienten nach 5 bzw. 14 Tagen deutlich gebessert auf die Normalstation zu verlegen.

Auf eine der im aktuellen COVID-Kontext spezifisch angewendeten medikamentösen Therapien, z. B. Rekonvaleszentenplasma, Virostatika oder Glukokortikoide, wurde verzichtet; lediglich eine empirische antibiotische Therapie kam in beiden Fällen zum Einsatz.

Im Rahmen der zweiten Pandemiewelle kommen dieses therapeutische Regime sowie die Gabe von Glukokortikoiden nunmehr regelhaft zur Anwendung. Eine Übersicht über alle intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Patienten an unserem Standort, unterteilt nach keine Lagerungsintervention, Lagerungsintervention und primärer endotrachealer Intubation, zeigt Tab. 1.

Tab. 1 Intensivmedizinisch behandelte COVID-19-Patienten; zweite Pandemiewelle

Diskussion

Diese Fallbeschreibungen einer erfolgreichen Lagerungs- und nichtinvasiven Beatmungstherapie bei intensivpflichtigen COVID-19-Patienten aus Deutschland entstammen der ersten COVID-19-Welle (Anfang 2020). Durch diese Kombination konnten eine Intubation vermieden und damit möglicherweise auch der Intensivaufenthalt günstig beeinflusst werden. Unsere Erfahrungen beeinflussten auch die Behandlung der Patienten der zweiten Coronawelle (ab Oktober 2020) und sind ebenfalls dargestellt und zeigen den Einfluss dieser Therapiekombination.

Datenlage

Insgesamt ist die „case fatality rate“ (CFR) für COVID-19-Patienten auf Intensivstationen im internationalen Vergleich hoch (33 % bei einer durchschnittlichen Intensivliegedauer von 9 Tagen) [1]. Bei Einsatz einer mechanischen Ventilation steigt die Letalität hier auf bis zu 59 %. Daten aus der BRD zeigen eine CFR von 72 % in der Gruppe mechanisch ventilierter Patienten > 80 Jahre [2]. Während unsere Daten eine grundsätzlich vergleichbare CFR in den Gruppen „keine Intervention“ bzw. „Bauchlage, gesamt“ zeigen, konnte eine günstigere CFR nach alleiniger Lagerungstherapie (ohne endotracheale Intubation) gezeigt werden. Alle Patienten dieser Gruppen wurden gleichzeitig auch noninvasiv beatmet oder erhielten „High-flow-nasal-cannula“(HFNC)-Unterstützung. Die CFR in den Gruppen mit endotrachealer Intubation war hoch, wobei die Mortalität in der Gruppe sekundär intubierter Patienten (nach Incompliance bei Bauchlagerung und NIV) etwas geringer ausfiel als in der Gruppe primär Intubierter (66,7 % vs. 87,5 %). Diese Ergebnisse reihen sich in die kontroverse Diskussion zum Einsatz bzw. zur Beendigung einer NIV bei COVID-19 ein, obwohl grundsätzlich eine physiologisch begründbare Rationale für diesen Therapieansatz besteht. Angeführte Argumente für bzw. wider den Einsatz von NIV beinhalten die grundsätzliche Unsicherheit beim Einsatz während akuter respiratorischer Insuffizienz Typ I (hypoxisch), Aerosolbildung mit erhöhter Ansteckungsgefahr für Pflegepersonal sowie die verzögerte endotracheale Intubation [1]. Obwohl unsere Daten keinen Trend zu einer erhöhten CFR bei verzögerter (sekundärer) Intubation im Vergleich zur zeitnahen (primären) endotrachealen Intubation zeigen, sind diese Zahlen zu gering, um repräsentativ zu sein. Mittlerweile existiert eine Reihe an Publikationen zu dem Thema. Auszüge der verfügbaren Literatur zum Einsatz von NIV bei COVID-19 zeigt Tab. 2 .

Tab. 2 Literatur zur Lagerungstherapie bei Spontanatmung bei COVID-19

Weitere Studien sind bereits geplant (z. B. clinicaltrials.org: NCT04350723, NCT04358939, NCT04344587, NCT04347941, NCT04350723 und NCT04366856) oder bereits laufend (NCT03095300). Auch existieren bereits erste nationale und internationale Leitlinien und Übersichtsartikel zu diesem Thema [1, 3,4,5,6].

Gefährdung des Personals

Empfehlungen zur HFNC und NIV bei COVID-19 sind zurückhaltend bzw. unter Beachtung des Eigenschutzes formuliert [4, 12]. Gründe hierfür sind Gefährdung von (Mit)Patienten und Personal durch Aerosolbildung sowie erhöhte Mortalität bei Verzögerung der Intubation. Durch Kohortierung bzw. Einzelzimmerversorgung konnte eine Gefährdung von Mitpatienten ausgeschlossen werden. Aufgrund intensiver Schulungen sowie umfassender Schutzausrüstung wurde auf der Intensivstation, auf der die beiden Patienten versorgt wurden, bislang keine berufsbedingte Infektion des Personals gemeldet.

Zeitpunkt der Intubation

Eine NIV bei mittelschwerem und schwerem ARDS ist mit einem Therapieversagen > 50 % und (bei schwerem ARDS) mit Mortalitätsraten um 50 % assoziiert. Kritische Grenze scheint ein P/F-Verhältnis (Horowitz) < 150 mm Hg zu sein [12]. Beide Patienten unterschritten diese Schwelle mehrfach im Verlauf, jedoch konnte unsere Therapie diese Zustände jederzeit zuverlässig durchbrechen. Diese Beobachtung steht im Einklang mit der verfügbaren Literatur (Tab. 2), die v. a. ein „proof of concept“ der Kombinationstherapie beschreibt. Derzeit ist der Zeitpunkt der Intubation auch noch Gegenstand der Diskussion [4, 12].

Akzeptanz

In der Literatur werden Lagerungsphasen zwischen Minuten [7] und Stunden [9] beschrieben, mit unterschiedlicher Akzeptanz. In unseren Fällen war eine individuelle und liberale Lagerungstherapie erfolgreich. Während vom dem 77-jährigen Patienten ausschließlich eine Seitlagerung toleriert wurde, konnte der 63-jährige Patient mehrfach am Tag über Stunden auf dem Bauch (bzw. in 135°) liegen oder sitzen. In einem französischen Fallbericht konnte eine Verbesserung der Compliance durch eine supportive Benzodiazepinsedierung erreicht werden [13]. Eine weitere Arbeit schlägt eine Lagerung vor, in der die minderbetroffenen Lungenareale gezielt oben liegen. Hilfreich können u. U. auch spezielle Lagerungsutensilien sein [11]. Wir arbeiten bevorzugt mit Morphin (2,5–10 mg i.v.) sowie Promethazin (25 mg i.v.) als „Off-label“-Bedarfsmedikation und verwenden Lagerungshilfen der Fa. Trulife (Oasis Elite und Positionierpolster Prone Pad, Fa. Trulife, Dublin, Irland).

Therapieversager

In der bislang publizierten Literatur wird eine Versagerrate zwischen 32,2 % und 35,6 % für HFNC sowie zwischen 27,9 % und 61,5 % für CPAP/NIV berichtet; speziell für die CPAP-Therapie mit Helm werden bis zu 44,6 % berichtet [4]. Da das NIV- (HFNC)-Therapieversagen mit einer erhöhten Letalität gegenüber dem Grundkollektiv gekennzeichnet ist [2, 4], kommt dem Zeitpunkt eines Therapieabbruchs bzw. der endotrachealen Intubation eine herausragende Bedeutung zu [4]. Allerdings gibt es Hinweise, dass bereits etablierte Intubationsindikationen im Kontext von COVID-19 möglicherweise unterschiedlich bewertet werden [1, 2, 6]. In unserem Kollektiv mussten 6 von 15 Patienten mit initialer NIV (HFNC) und Bauchlage schließlich doch endotracheal intubiert werden, wovon 4 Patienten in der Folge verstarben. Die CFR, obgleich hoch, war dennoch geringer als in der Gruppe primär intubierter Patienten, bei jedoch geringerem APACHE-Score (11 vs. 17; Tab. 1). Gemäß der vorliegenden Dokumentation war es bislang v. a. eine klinische Entscheidung der behandelnden Ärzte, die NIV abzubrechen und eine Intubation vorzunehmen.

Nachhaltigkeit

In beiden Fällen kam es initial nach Resupination zu Abfällen des P/F-Verhältnisses, was auch von anderen Autoren beschrieben wird (Tab. 2). Diese Beobachtung wird als „Derekrutierung“ durch Lagerungstherapie gedeutet. Unklar ist, ob Kurzzeitverbesserungen mittel- und langfristig die Mortalität senken, analog üblicher prolongierter (Bauch)lagerungsintervalle bei schwerem ARDS [8]. Wir konnten im Verlauf stetig längere und nachhaltigere Verbesserungen der Oxygenierung beobachten, die weitere Lagerungsmaßnahmen überflüssig machten.

Mortalität

Die Sterblichkeit bei intensivpflichtigen COVID-19-Patienten wird je nach Kollektiv zwischen 62 % und 72 % angegeben [2, 14]. Derzeit ist von einem „publication bias“ in Anbetracht des hohen Anteils an Fallberichten für Lagerungsmaßnahmen unter NIV auszugehen, der den klinischen Erfolg über- und die Mortalitätsrate unterschätzen könnte. Während beide vorgestellten Patienten auf Normalstation verbleiben und konsekutiv in deutlich gebessertem Zustand aus dem Krankenhaus entlassen werden konnten, liegt die CFR in unserem Kollektiv mit NIV und auch HFNC behandelten Patienten dennoch bei 46,2 % (18/39 Patienten). Korrigiert um 6 Patienten mit Therapieverzicht würde sich die Rate auf 36,4 % reduzieren (12/33 Patienten).

Fazit für die Praxis

  • Bauchlagerung kann eine Therapieoption bei COVID-19 darstellen.

  • „High flow“, CPAP und/oder NIV können bei COVID-19 unter strikter Beachtung von Kontraindikationen, aber auch Therapielimitierungen, in einem Überwachungsbereich sicher angewendet werden.

  • Die Kombination aus beiden Maßnahmen kann im Einzelfall eine Intubation verhindern und den Erkrankungsverlauf günstig beeinflussen, jedoch darf eine indizierte, notwendige Intubation nicht hierdurch verzögert werden.

  • Weitere Untersuchungen, v. a. auch zu NIV-Abbruch- bzw. Verzichtskriterien in diesem speziellen Krankheitskollektiv, sind notwendig und geplant.