Mietzinsentfall für ein aufgrund eines Betretungsverbots aus Anlass der COVID-19-Pandemie unbenutzbares Geschäftslokal

Buy in publisher´s online store Share via email
Mietzinsentfall für ein aufgrund eines Betretungsverbots aus Anlass der COVID-19-Pandemie unbenutzbares Geschäftslokal

From the journal JBL Juristische Blätter, Volume 144, July 2022, issue 7

Published by Verlag Österreich

Rechtsprechung, 3420 Words
Original language: German
JBL 2022, pp 445-448
https://doi.org/10.33196/jbl202207044501

Abstract

Die COVID-19-Pandemie ist einer „Seuche“ iS des § 1104 ABGB gleichzustellen. Für die Frage der Unbenutzbarkeit des Bestandgegenstands kommt es auf die Erfüllung des vertraglichen Geschäftszwecks an. Da der Kundenbereich eines gemieteten Geschäftslokals von Kunden im Fall eines Verbots nicht betreten werden darf, ist der bestimmungsgemäße Geschäftszweck nicht erfüllbar. Das Gesetz verlangt zwar einen Zusammenhang zwischen Unbenutzbarkeit und „Seuche“, nicht aber, dass dieser Zusammenhang „objektbezogen“ sein müsste. Dieser Zusammenhang liegt auch dann vor, wenn die Unbenutzbarkeit auf hoheitliche (gesetzliche oder behördliche) Maßnahmen zurückzuführen ist. Eine Einschränkung dahin, dass die Gebrauchsbeeinträchtigung unmittelbar aus der Pandemie selbst resultieren müsste, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Ist der bedungene Gebrauch des Bestandobjekts durch Kundenverkehr gekennzeichnet, so führt ein Betretungsverbot aus Anlass der COVID-19-Pandemie in der Regel zur gänzlichen Unbenutzbarkeit des Bestandobjekts iS des § 1104 ABGB. Ist die vertragsmäßige charakteristische Nutzung hingegen nur eingeschränkt, kommt es gemäß § 1105 ABGB zu einer Mietzinsminderung im Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung nach der relativen Berechnungsmethode. Für die Beurteilung der vertragsgemäßen Nutzungsmöglichkeit ist auf das konkrete Bestandobjekt und nicht auf das übrige geschäftliche Umfeld abzustellen. Der Umstand allein, dass das Mietobjekt in einem Einkaufszentrum liegt, begründet für einen Mieter, dessen Geschäftslokal nicht betreten werden darf (hier: Geschäftslokal zum Betrieb eines Fitness-Studios), grundsätzlich keinen gesonderten Gebrauchswert. Der vereinbarte Verzicht des Mieters auf das Minderungsrecht nach §§ 1104, 1096 ABGB statuiert ausdrücklich zwei gesonderte, nebeneinander stehende Ausnahmefälle. Einerseits geht es um eine wesentliche Einschränkung der Nutzung durch Umstände, die der Bestandgeber zumindest grob fahrlässig zu verantworten hat. Andererseits bezieht sich ein Ausnahmefall darauf, dass dem Bestandnehmer „hieraus“ ein erheblicher und nachweislicher Nachteil entsteht. Dass Betretungsverbote, die mit einem erheblichen Kunden- und Umsatzausfall verbunden sind, selbst dann als erheblicher Nachteil iS der Vertragsbestimmung anzusehen sind, wenn sie – zu einem geringen Teil – durch staatliche Unterstützungen abgefedert werden, liegt auf der Hand. Beim Fixkostenzuschuss handelt es sich um eine Förderung der betroffenen Unternehmen. Ist der betroffene Unternehmensträger Bestandnehmer, ist dieser das Förderungssubjekt. Für den Bestandnehmer ist keine Verpflichtung statuiert, die staatlichen Unterstützungen an den Bestandgeber herauszugeben.