Einleitung

Die aktuelle Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19)-Pandemie ist eine dynamische Situation mit therapeutischen Herausforderungen und logistischen Unwägbarkeiten. Ein Mangel an medizinischer Schutzausrüstung und Intensivrespiratoren ist je nach Wirkung der „Flatten-the-curve“-Maßnahmen zu erwarten. Das Londoner „Imperial College COVID-19 Response Team“ schätzt selbst mit erweiterten Maßnahmen zur Verminderung des Sozialkontakts, dass in Europa 2,5–5/1000 Einwohner im Verlauf einen Beatmungsplatz benötigen [18]. Erfahrungen aus unseren europäischen Nachbarländern zeigen zudem verheerende Folgen für die Patientenversorgung, falls keine klar definierten Kapazitätsplanungen und Ausweichstrategien verfügbar sind. Das Register der Deutschen Gesellschaft für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) listet aktuell die Verfügbarkeit einer Intensivtherapie in deutschen Kliniken (https://www.intensivregister.de/#/intensivregister). Wie viele Intensivrespiratoren und Anästhesiebeatmungsgeräte in Deutschland bei einem exponentiellen Anstieg der Fallzahlen einsatzfähig sind, ist jedoch nicht bekannt. Zudem besteht bei vielen Ärzten und Pflegekräften eine hohe Unsicherheit bezüglich der Möglichkeiten und Limitationen verschiedener Gerätetypen.

Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, dem Leser einen Überblick über die konzeptionellen und technischen Unterschiede verschiedener Typen von Beatmungsgeräten zu geben. Zudem werden in den sozialen Medien zuletzt vielfach beachtete unkonventionelle Beatmungskonzepte kritisch diskutiert.

Technische Voraussetzungen und Unterschiede

Intensivrespirator

Intensivrespiratoren wurden speziell für die Behandlung von Patienten mit pathologischer Lungenmechanik entwickelt. Moderne Intensivrespiratoren sind mikroprozessorgesteuert und bieten eine Vielzahl an Beatmungsmodi, inklusive diverser Spontanatmungsmöglichkeiten. Sie besitzen eine kompakte Bauweise und können so auch beim Transport der Patienten eingesetzt werden. Ebenso können eine assistierte nichtinvasive Beatmung (NIV) durchgeführt und Medikamente zur Atemtherapie verabreicht werden.

Die Geräte sind als offene Systeme ohne Rückführung der Ausatemluft konzipiert. Der Atemgasfluss und die eingestellte Sauerstoffkonzentration werden durch Ventile mittels eines „Flow-Zerhacker“-Prinzips gesteuert. Die schnell reagierenden Ventile zerlegen das Hochdruckgas in winzige Portionen und ermöglichen durch elektronische Steuerung die gewünschte Flussform und -stärke [15]. Weitere wichtige Merkmale sind in den meisten Modellen eine automatische Tubuskompensation für erleichterte Spontanatmung und eine automatische Leckagekompensation. Die Möglichkeit einer manuellen Beatmung mittels Atembeutel und Druckbegrenzungsventil existiert nicht.

Anästhesiegeräte

Narkosegeräte sind in der Regel halbgeschlossene Systeme und werden im Alltag mit niedrigen oder minimalen Frischgasflüssen betrieben. Die grundlegenden Charakteristika der Anästhesiegeräte betreffend Atemzugvolumen, Inspirationszeit, Beatmungsfrequenz, Inspirationsflow, Inspirationsdruck und positiv-endexspiratorischem Druck (PEEP) sind mit denen des Intensivrespirators vergleichbar. Auch die zur Verfügung stehenden volumen- und druckkontrollierten bzw. -regulierten Beatmungsmodi sind heutzutage ausreichend, um eine lungenprotektive Beatmung von ARDS-Patienten sicherzustellen. In Bezug auf die Beatmungsmodi sind bei neueren Narkosegeräten (z. B. Perseus, Drägerwerk AG & Co. KGaA, Lübeck) auch assistiert-kontrollierte und augmentiert-spontanatmende Modi mit effektivem Triggering und Druckunterstützung problemlos möglich. Eine vergleichende Studie schlussfolgerte, dass aktuelle Narkosegeräte diesbezüglich ähnliche Leistungen wie Intensivbeatmungsgeräte liefern [10].

Trotz ausreichender technischer Voraussetzungen bestehen im Vergleich zu Intensivrespiratoren jedoch wesentliche konzeptionelle Unterschiede. Diese bedingen bei der Nutzung zur Langzeitbeatmung einen deutlich größeren Überwachungsaufwand mit der kontinuierlichen Anwesenheit eines Anästhesisten (Abb. 1):

  1. 1.

    Im Unterschied zum Intensivrespirator findet eine Rückatmung des Ausatemgases statt. Das macht Narkosegeräte zum einen sparsamer als Intensivbeatmungsgeräte. Zum anderen reduziert die Rückatmung Wärme- und Flüssigkeitsverluste des Patienten. Das CO2 aus der Ausatemluft muss über spezielle Absorber eliminiert werden. Dieser sollte aus Sicherheitsgründen auch bei hohen Frischgasflüssen nicht entfernt werden.

  2. 2.

    Im Gegensatz zum Intensivrespirator besteht keine Frischgaskompensation. Die eingestellte O2-Zufuhr und der tatsächliche O2-Verbrauch stimmen beim Narkosegerät in Abhängigkeit von den Frischgasflüssen nicht unmittelbar überein. Die inspiratorische O2-Konzentration (FIO2) des Patienten muss engmaschig überwacht werden und der Frischgasfluss so angepasst werden, dass die gewünschte FIO2 tatsächlich erreicht wird. Ein Frischgasdefizit ist bei Leckage jederzeit möglich und bedingt eine unzureichende Ventilation des Patienten.

  3. 3.

    Anästhesiegeräte bieten die Möglichkeit einer manuellen Beatmung unter Nutzung eines Druckbegrenzungsventils. Dieses sollte in der Langzeitbeatmung immer offen zur Raumluft sein, da die Geräte bei Versagen der kontrollierten Beatmung auf einen manuellen Beatmungsmodus wechseln. Bei geschlossenem Ventil und unbeabsichtigt hohem PEEP droht ein Kreislauf- bzw. akutes Rechtsherzversagen.

  4. 4.

    Bei Langzeitbeatmung sammelt sich Flüssigkeit in den Beatmungsschläuchen, die nicht nur Messungen verfälscht, sondern auch durch Schwingungen einen Atemversuch des Patienten simulieren kann. Hier wird von den Herstellern die Einstellung eines Frischgasflusses oberhalb des Atemminutenvolumens empfohlen, welches jedoch mit einem entsprechend hohen Gasverbrauch erkauft wird. Da dies wenig praktikabel scheint, sind bei niedrigen Flüssen eine regelmäßige Kontrolle auf Kondensationen und enge Alarmgrenzen obligat.

  5. 5.

    Die Nutzung der Vaporen zur Verabreichung volatiler Anästhetika wird von der Fa. Dräger (Drägerwerk AG & Co. KGaA, Lübeck) und der Amerikanischen Gesellschaft für Anästhesiologie (American Society of Anesthesiology, ASA) für Langzeitbeatmung nicht empfohlen. Diese sollten vom Gerät entfernt werden [2]. Hintergrund ist eine versehentliche Applikation der volatilen Anästhetika durch unzureichende Überwachung oder unerfahrenes Personal. Dies sollte in Anwesenheit eines Anästhesisten jedoch kein Problem darstellen, und eine Nutzung nach Nutzen-Risiko-Abwägung erscheint somit im Einzelfall möglich. Die Lachgaszufuhr muss ebenfalls aus Sicherheitsgründen diskonnektiert werden.

  6. 6.

    Die Anästhesiegeräte verlangen alle 24 h einen Gerätesystemtest mit Diskonnexion vom Patienten und evtl. Neustart der Beatmungsmaschine. Diese Zeit muss mit einem zweiten Beatmungsgerät überbrückt werden. Hier bietet sich beispielsweise der Einsatz eines Transportrespirators neuerer Generation an. Das Testintervall kann jedoch je nach Hersteller in der aktuellen Situation auf bis zu 72 h ausgedehnt werden.

Abb. 1
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Narkosegerät zur Langzeitbeatmung

Allgemein sind die veröffentlichten Empfehlungen der Hersteller zum Off-label use zu beachten. Aktuelle Informationen sind auf deren Homepages frei verfügbar und sollten vor dem Einsatz geprüft werden (Tab. 1).

Tab. 1 Verwendung von Narkosegeräten zur Beatmung von intensivpflichtigen Patienten. (Modifiziert nach American Society of Anesthesiology [2]; Dräger persönliche Kommunikation)

Transportbeatmungsgeräte

Beim Massenanfall von beatmungspflichtigen Patienten müsste auch auf Notfall- bzw. Transportrespiratoren zurückgegriffen werden. Diese unterscheiden sich sehr in Qualität und Ausstattung. Einfache pneumatisch betriebene Modelle bieten lediglich die Möglichkeit einer kontrollierten Beatmung mit 100 %igem Sauerstoff, wohingegen neuere Generationen mit immer neueren Modi und ausgefeilterer Software ausgestattet sind. Turbinengetriebene Transportrespiratoren applizieren auch im ARDS-Setting (hohe Resistance bei niedriger Compliance) exakte Tidalvolumina. Es ist eine mit Intensivrespiratoren vergleichbare Leistung gegeben [4]. Die Systeme sind jedoch halboffen, d. h. bei längerer Beatmung ist/sind nicht nur der Frischgasverbrauch hoch, sondern auch Flüssigkeits- und Wärmeverluste. Zudem ist bei Geräten mit Raumluftzufuhr, beispielsweise Oxylog-3000-Reihe (Fa. Drägerwerk AG & Co. KGaA, Lübeck), in kontaminierter Umgebung immer 100 %iger Sauerstoff zu verwenden. Ansonsten findet durch die Nutzung von Umgebungsluft eine Kontamination des Geräts statt [6]. Auch die Möglichkeiten des Monitorings der Beatmungsparameter sind im Vergleich zum Intensiv- oder zum Anästhesierespirator deutlich geringer. Somit sind diese Geräte kaum für die Langzeitbeatmung geeignet. Ein Einsatz zur Überbrückung etwaiger Gerätetests von Anästhesierespiratoren sollte jedoch ohne wesentliche Einschränkungen der Therapiequalität einhergehen.

„Ventilator splitting“

In den sozialen Medien ist in den letzten Wochen das Konzept des Ventilator splitting wiederentdeckt und viel diskutiert worden. In der Originalarbeit von 2006 zum Ventilator splitting von Neyman und Irvin wurden 4 identische und parallel geschaltete Kunstlungen zeitgleich von nur einem Intensivrespirator beatmet [12]. In volumen- und druckkontrollierten Modi konnten suffiziente Tidalvolumina erzielt werden. Dies wurde an Schafen über eine Dauer von 12 h experimentell bestätigt [13]. Zudem sind parallele Beatmungen an 2 gesunden Freiwilligen und an Neonaten in der Literatur beschrieben [3, 16]. Insgesamt ist dieses Vorgehen jedoch kritisch zu sehen: Branson et al. zeichneten detaillierte Messreihen an Kunstlungen auf, die sich hinsichtlich Compliance und Resistance unterschieden. Die 4 Simulatoren mit je unterschiedlicher Compliance zwischen 50 und 70 ml/cm H2O erhielten bei paralleler Ventilation stark abweichende Tidalvolumina zwischen 257 und 621 ml [5]. Die Autoren schlussfolgerten, dass die parallele Ventilation mehrerer Patienten daher kein gangbares Konzept darstellt. Gerade im Zuge einer COVID-19-Pneumonie dürften große Unterschiede hinsichtlich der Lungenmechanik, des individuellen FIO2-Bedarfs und der PEEP-Werte zwischen den Patienten bestehen. Die Folge wären in Abhängigkeit von der individuellen Compliance hypo- oder hyperventilierte Patienten. Zusätzlich ist ein individuelles Monitoring der Beatmungsparameter kaum möglich, sodass entsprechende Soll-Ist-Abweichungen sehr spät oder gar nicht erkannt würden. Trotzdem entwickeln Mediziner weltweit diesen Gedanken weiter. Nicht nur in der Gemeinschaft der Free Open Access Medical Education (FOAM) kursieren viele Beiträge zu diesem Thema [8, 14], die amerikanische Columbia University veröffentlichte bereits ein erstes Arbeitsprotokoll [9]. Gleichwohl sind solche Verfahren nicht zu empfehlen. Es besteht eine unzureichende Studienlage, und aufgrund der technischen Limitationen wären etwaige Strategien nur in einer verzweifelten Situation, nach Ausschöpfung aller regulären Beatmungsressourcen, zu rechtfertigen. Dies ist aktuell in Deutschland nicht zu erwarten.

Automatisierung der Beutelventilation

Ein weiterer Ansatz umfasst die Automatisierung der Beutelventilation durch einen Mikrocontroller/Mikroprozessor kontrollierten Elektromotor. Das Massachusetts Institute of Technology hat ein entsprechendes Gerät entwickelt und der FDA zur beschleunigten Zulassung vorgelegt. Tidalvolumen, Beatmungsdrücke, Atemfrequenz, das Inspirations-:Exspirationsverhältnis und der PEEP sollen messbar und verstellbar sein. Als Notfallhilfe sind die Konstruktionsdaten für eine Zulassung durch die FDA als „open source“ frei verfügbar. Für Länder mit geringen finanziellen Ressourcen wäre dies eine kostengünstige Alternative zur manuellen Beatmung [1].

Differenzierter Einsatz von Narkosegeräten zur Langzeitbeatmung

Die Nutzung verschiedener (alternativer) Ressourcen ist automatisch auch mit der Frage einer Triage der Patienten vergesellschaftet. Die allgemein in der Medizinethik geltenden Handlungsgrundsätze „Nichtschadensprinzip“, „Gerechtigkeitsprinzip“ und „Fürsorgeprinzip“ gelten selbstverständlich auch für eine COVID-19-Pandemie. Eine Triage entlang dieser Grundsätze bedeutet für das behandelnde Klinikpersonal eine enorme ethisch-moralische Konfliktsituation und eine nicht zu unterschätzende psychische Belastung [17]. Hierbei ist zu beachten, dass ein „First-come-first-serve“-Ansatz nicht verfolgt werden sollte. In einer aktuellen Stellungnahme von Emanuel et al. wird empfohlen, die Triage von COVID-19-Patienten u. a. auf folgende übergeordnete Überlegungen zu stützen: Die Therapie sollte darauf ausgerichtet sein, möglichst viele Leben zu retten und Lebensjahre zu erhalten. Eine Gleichbehandlung unter Beachtung des instrumentellen Werts einer Person (z. B. medizinisches Personal) und Augenmerk auf die schlimmsten Fälle (z. B. junge Patienten, die viele Lebensjahre verlieren) ist durchzuführen. Ein „first come – first serve“ würde diejenigen, die sich an die Vorschriften der Isolierung halten und erst später erkranken benachteiligen. Wichtig ist ebenso, nicht zwischen COVID-19- und Nicht-COVID-19-Patienten zu unterscheiden. Knappe Ressourcen betreffen alle Patienten, unabhängig von deren Grunderkrankung [7]. Um die psychische Belastung der Triage auf mehrere Schultern zu verteilen, empfehlen Truog et al. die Implementierung von Triage-Komitees. Diese sollten aus erfahrenen Klinikern bestehen, die nicht in die Behandlung des Patienten involviert sind und so eine unabhängige Beurteilung und Abwägung treffen können. Wichtig ist, dass transparente Entscheidungen im Sinne einer expliziten Triage getroffen werden und eine implizite Triage vermieden wird. Hierzu gehört eine transparente und akkurate Kommunikation mit den Angehörigen [17]. Konkrete Handlungsempfehlungen für Deutschland wurden in einem gemeinsamen Positionspapier verschiedener Fachgesellschaften veröffentlicht. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die patientenzentrierte Entscheidungsgrundlage gelegt, die den Patientenwillen und die Indikation zur Intensivtherapie umfasst. Es wird, soweit möglich, das grundsätzliche ethische Prinzip der „Autonomie“ berücksichtigt. Hierzu gehört insbesondere eine differenzierte Beurteilung des Patientenwillens und Gesundheitszustandes vor Aufnahme auf die Intensivstation. Ein weiterer Aspekt ist eine regelmäßige Reevaluation des Krankheitsverlaufes [11].

Fazit

Die genaue Anzahl der in Deutschland zur Verfügung stehenden Beatmungsgeräte ist nicht bekannt. Gleichwohl bestehen im internationalen Vergleich hohe Kapazitäten. Hierbei kann nicht nur auf Intensivrespiratoren zurückgegriffen werden, sondern auch eine große Anzahl an Anästhesiegeräten genutzt werden. Diese sind eine wertvolle und unter Beachtung technisch-konzeptioneller Differenzen auch eine sichere Ressource zur Beatmung von ARDS-Patienten (Abb. 2). Auch moderne Transportbeatmungsgeräte bieten zur kurzfristigen Überbrückung eine sichere Beatmung von ARDS-Patienten. Dem Konzept der parallelen Ventilation ist hingegen nur mit großer Vorsicht zu begegnen. Es kann allenfalls nach Nutzen-Risiko-Abwägung zum Einsatz kommen, falls die vorher genannten Ressourcen komplett ausgeschöpft sind.

Abb. 2
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Algorithmus zum differenzierten Einsatz von Beatmungsgeräten