Seit Anfang 2020 wurden die Lebensbedingungen auf der ganzen Welt durch das „severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“ (SARS-CoV-2) und die dadurch ausgelöste Krankheit „coronavirus disease“ 2019 (COVID-19) sowie durch die Maßnahmen zu seiner Eindämmung deutlich beeinträchtigt. Die Ausbreitung der Infektion und der daraus resultierenden schweren Krankheits- und Todesfälle hat bis jetzt 3 Wellen hervorgebracht, die durch die Auswirkungen der krankheitsbedingten Morbidität und Mortalität für die Menschen eine erhebliche Krankheitslast mit sich gebracht hat und die Gesundheit der Bevölkerung erheblich beeinträchtigt hat. So gingen in Deutschland im Jahr 2020 insgesamt 305.641 Lebensjahre durch COVID-19 verloren [1]. Eine 4. Welle ist inzwischen im Ansturm.

Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen sind von COVID-19-Infektionen offenbar etwas stärker betroffen als die Normalbevölkerung [2]. Dies liegt wahrscheinlich zum Teil an der Aktivität der Grunderkrankung [3, 4], zum anderen aber auch an den für die Behandlung erforderlichen Medikamenten [5, 6].

Implikationen der Behandlung mit Rituximab

Aufgrund seiner spezifischen Expression auf B‑Zellen ist CD20 ein ideales Ziel von B‑Zell-depletierenden monoklonalen Antikörpern, allen voran Rituximab (RTX). Dieser Antikörper gehört zu den ältesten und weltweit am häufigsten eingesetzten Biologika mit einem breiten Spektrum an onkologischen und rheumatologischen Indikationen. Anti-CD20-Antikörper werden in der Klinik häufig zur Behandlung von B‑Zell-Tumoren und B‑Zell-assoziierten Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis und ANCA-assoziierte Vaskulitiden eingesetzt. Aufgrund seiner depletierenden Wirkung auf zirkulierende B‑Zellen – in der Therapie durchaus erwünscht – ist die Bildung von Antikörpern gegen neu auftretende Krankheitserreger, sog. Neoantigene, bei mit RTX behandelten Patienten beeinträchtigt [7,8,9].

Dementsprechend wurde in den letzten EULAR-Empfehlungen zu Impfungen in der Rheumatologie empfohlen, dass „die Impfung mindestens 6 Monate nach der Verabreichung und 4 Wochen vor dem nächsten Zyklus der B‑Zell-depletierenden Therapie erfolgen sollte [10], und bezüglich der Impfung gegen SARS-CoV‑2 den Rheumatologen zu fragen“ [11]. Das American College of Rheumatology (ACR) hat empfohlen, Patienten frühestens 5 Monate nach der letzten Verabreichung zu impfen und nicht früher als 2 bis 4 Wochen nach Impfung wieder mit RTX zu beginnen [12].

Die Kombination einer B‑Zell-depletierenden Therapie mit erforderlichen Impfungen stellt bereits per se eine immense Herausforderung für Patienten und Ärzte dar. Nach letzten Studienergebnissen ist dies auch bei der Impfung gegen SARS-CoV‑2 der Fall. Eine Therapie mit RTX stellt insgesamt einen Risikofaktor für einen schweren Verlauf von COVID-19-Infektionen dar [6].

Immunantwort unter Immunsuppression

Die Datenlage zur Immunantwort unter Immunsuppression ist insgesamt heterogen. Für Patienten mit verschiedenen Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis wurde unter Immunsuppression der Aufbau einer suffizienten Antikörperantwort gegen SARS-CoV‑2 nach erfolgter Impfung beschrieben [13, 14], während unter Methotrexat auch eine reduzierte Impfantwort durch Antikörper festgestellt worden war [14]. Aktuell mehren sich die Hinweise darauf, dass es bei organtransplantierten Patienten, die in der Regel eine Mehrfachimmunsuppression benötigen, zu einer deutlich reduzierten Impfantwort kommt. So entwickelten nur 54 % aller organtransplantierten Patienten nach einer kompletten Vakzinierung mit 2 Dosen eines mRNA-Impfstoffs eine Antikörperantwort [15]. Aufgrund der depletierenden Wirkung auf die CD20-positiven Antikörper-produzierenden B‑Zellen ist unter Rituximab mit einem weitgehenden Ausbleiben der Antikörperantwort nach einer primären Immunisierung wie z. B. bei Impfungen gegen SARS-CoV‑2 zu rechnen [8, 9].

Neben der durch Antikörper vermittelten Immunantwort spielt die T‑Zell-Immunität eine zentrale Rolle für den Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion [16,17,18,19]. Aktuelle Daten liefern Hinweise darauf, dass es ein T‑Zell-Gedächtnis gegen SARS-CoV‑2 bei Nichtinfizierten und Ungeimpften gibt, was am ehesten durch eine Kreuzreaktivität gegen endemische Coronaviren zu erklären ist [16,17,18,19,20,21]. Sowohl CD4+- als auch CD8+-T-Zellen spielen dabei eine Rolle, wobei es nach aktueller Datenlage eher auf die Qualität als auf die Quantität der Letzteren ankommt [22].

Impfungen gegen SARS-CoV-2

Die hervorragende Wirksamkeit des Impfstoffs BNT162b2 (Pfizer/BioNTech) wurde in einer großen israelischen Studie 7 Tage oder länger nach der zweiten Dosis mit 95,3 % gemessen [23]. Menschen, die eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, entwickeln nach Impfung mit BNT162b2 eine starke humorale und zelluläre Immunität bereits nach der ersten Dosis, wobei eine sehr effektive Virusneutralisierung nachgewiesen werden konnte [23, 24]. Ein dauerhafter Schutz vor SARS-CoV-2-Infektionen, d. h. eine effektive Immunkontrolle, ist für die Pandemiebekämpfung von zentraler Relevanz. Trotz des beispiellosen Tempos im Erforschen des Immungedächtnisses ist die Dauer der Immunprotektion nach einer natürlichen SARS-CoV-2-Infektion und/oder nach einer Impfung noch nicht geklärt. Mehrere Studien liefern jedoch Hinweise, dass nach 6 Monaten sowohl eine T‑ und B‑Zell-Antwort als auch protektive Antikörper noch nachweisbar waren [25,26,27], während die T‑Zell-Antwort sogar stabiler zu sein schien als die Antikörperantwort [28,29,30].

Immunität nach erfolgter SARS-CoV-2-Impfung bei Patienten unter Rituximab

Die humorale und zelluläre Immunität nach erfolgter SARS-CoV-2-Impfung wurde vor Kurzem bei Patienten unter RTX-Therapie in 2 kleinen Studien [31, 32] untersucht.

In der ersten Studie [31] hatten 5 Patienten, die unter regelmäßiger und aktueller RTX-Therapie standen (letzte Gabe vor 4 bis 12 Monaten), eine Impfung mit BNT162b2 (Pfizer/BioNTech) erhalten, 4 gesunde geimpfte und 4 nicht geimpfte Personen dienten als Kontrolle. Insgesamt 12 bis 23 Tage nach der 2. Impfung wurde zunächst mittels Durchflusszytometrie ermittelt, dass bei 2 von den 5 Patienten B‑Zellen nachweisbar waren. Bei der Untersuchung der humoralen Immunantwort wurden keine Antikörper (Ak) gegen das SARS-CoV-2-Nucleocapsid (NC) gefunden, was anzeigt, dass bislang keine COVID-19-Infektion stattgefunden hatte. Bei den beiden Patienten mit B‑Zellen und den geimpften Kontrollen wurden Ak gegen die Rezeptorbindungsdomäne (RBD) des Spike-Proteins gefunden, nicht aber bei den ungeimpften und nicht bei den Patienten ohne B‑Zellen. Im Gegensatz dazu war die SARS-CoV-2-spezifische T‑Zell-Antwort bei Patienten und geimpften Kontrollen intakt, wie man anhand von Interferon(IFN)-γ-Produktion im peripheren Blut nach Stimulation mit SARS-CoV-2-spezifischen Antigengemischen feststellen konnte [31].

In der zweiten Studie [32] wurden 9 Patienten (Durchschnittsalter 65 Jahre, 66 % Männer), die kürzlich wegen MPO-, PR3-, MPO/PR-Overlap- und IgA-Vaskulitis oder membranöser Glomerulonephritis mit RTX in einem Zeitraum von 2 bis 7 Monaten vor der Immunisierung behandelt worden waren, untersucht. Die Impfung mit 2 Dosen von BNT162b2 war dann innerhalb von 3 Wochen erfolgt, und die Immunantwort wurde vor der ersten Dosis, 3 Wochen danach und entsprechend nach der zweiten Injektion untersucht. Vierzehn geimpfte Krankenhausmitarbeiter als Kontrollen wurden ebenfalls getestet.

Nur bei 2 mit RTX behandelten Patienten konnten CD19+-B-Zellen nachgewiesen werden. Während diese Patienten in der Lage waren, Antikörper gegen das Spike-Protein zu entwickeln, zeigte sich bei den B‑Zell-depletierten Patienten unter RTX keine humorale Immunantwort. Bei allen gesunden Kontrollen wurden hingegen erwartungsgemäß spezifische IgG-Antikörper nachgewiesen.

Im Gegensatz zur ausbleibenden Antikörperantwort wurde bei den meisten Patienten unter RTX eine spezifische T‑Zell-Antwort gegen das Impfstoffantigen erzeugt. Um diese Antwort von einer möglichen vor der Impfung existierenden Immunität durch auf SARS-CoV‑2 reagierende kreuzreaktive T‑Zellen abzugrenzen [17, 19], wurde nur dann eine T‑zelluläre Impfantwort angenommen, wenn ein mehr als 2‑facher Anstieg der T‑Zell-Frequenz im Vergleich zur Antwort vor der Impfung gemessen wurde. Insgesamt wurde eine CD4+-T-zelluläre Impfantwort bei 78 % der RTX-Patienten 3 Wochen nach der ersten und 86 % nach der zweiten Impfung beobachtet. Eine etwas geringere CD8+-T-Zell-Antwort war mit 22 % und 43 % ebenfalls nachweisbar, die eine Immunantwort nach der ersten bzw. zweiten Impfung zeigten. Bemerkenswerterweise gab es keine signifikanten Unterschiede im Ausmaß der impfstoffreaktiven CD4+- und CD8+-T-Zellen zwischen Patienten und Kontrollen. Die beträchtliche Anzahl aktivierter T‑Zellen, die Granzyme B, IL‑2, IFN‑γ und TNF‑α als mono- oder polyfunktionelle T‑Zellen produzieren, lässt auf eine Schutzfunktion schließen [19, 22]. Diesbezüglich wurden ebenfalls keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen Patienten und Kontrollen gefunden.

Die Studie untersuchte darüber hinaus die wichtige Frage, ob die entstandene T‑Zell-Reaktivität neben dem Wildtyp des Virus auch die SARS-CoV-2-Varianten B1.1.7- und B1.351-Stämme einschließt. Bis zu 75 % der RTX-Patienten hatten nach der zweiten Impfung antigenspezifische gegen das Spike(S)-Protein der beiden mutierten Stämme gerichtete T‑Zellen. Diese T‑Zellen waren polyfunktional und produzierten Zytokine nach Stimulation mit den S‑Proteinen der entsprechenden 3 Stämme – was ihr antivirales Potenzial anzeigt. Die Frequenz und die Funktionalität der B1.1.7- und B1.351-S-reaktiven T‑Zellen unterschieden sich nicht signifikant zwischen Patienten und Kontrollen, wenn auch mit einer Tendenz zu einer geringeren Frequenz bei Ersteren [32].

Schlussfolgerungen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass trotz der fehlenden Antikörperantwort bei den meisten mit RTX behandelten Patienten eine suffiziente T‑Zell-Immunität sowohl gegen den SARS-CoV-2-Wildtyp als auch gegen die Varianten B1.1.7 und B1.351 ausgebildet werden kann. Auch wenn das keinen abschließenden Beweis für einen effektiven Schutz gegen das Virus darstellt, lässt das Vorhandensein von antigenspezifischen polyfunktionalen T‑Zellen aber auf eine Schutzwirkung vor schweren Verläufen hoffen.

Dieser Befund ist konsistent mit zwei Berichten über eine erhaltene zelluläre Influenzaimpfung-spezifische Immunantwort bei Patienten, die mit RTX behandelt worden waren [33, 34]. Obwohl B‑Zellen für die Bekämpfung und Beseitigung von SARS-CoV-2-Infektionen wahrscheinlich nicht entbehrlich sind, sind die hier vorgelegten Ergebnisse ermutigend. Die Daten deuten darauf hin, dass eine antivirale T‑Zell-Antwort bei Patienten, die mit RTX behandelt werden, messbar und möglicherweise protektiv ist. Die daraus resultierende klinische Schlussfolgerung ist aus unserer Sicht, die Empfehlungen in Bezug auf einen Mindestabstand zwischen RTX-Gabe und SARS-CoV-2-Impfung kritisch zu hinterfragen. Insbesondere angesichts des erhöhten Risikos für schwere Krankheitsverläufe könnte eine früher erreichte T‑Zell-Immunität gegen das Virus für Patienten von Vorteil sein. Die zu erwartende ausbleibende Antikörperantwort könnte ggf. über eine Boosterimpfung nach Rekonstitution der B‑Zellen erreicht werden. Inzwischen sind weitere Arbeiten erschienen [35,36,37], die belegen, dass RTX die B‑Zell- und Impfantwort auf SARS-CoV-2-reduziert und dass eine T‑Zell-Antwort nachweisbar ist.

Zusammengefasst ist zum derzeitigen Zeitpunkt keine sichere Aussage darüber möglich, inwieweit ein Patient, der ausschließlich eine T‑Zell-Antwort gebildet hat, gegen COVID-19 geschützt ist. Die T‑Zell-Antwort kann einen Teilschutz liefern, inwieweit dieser aber vor schweren Verläufen schützt, ist aktuell noch unklar. Wer B‑Zellen hat, kann Antikörper bilden. Das ist offenbar unabhängig davon, wann die letzte RTX-Gabe war. Es ist aber immer noch unklar, ab welchem Titer diese eine Schutzfunktion ausüben können.

Es gibt darüber hinaus inzwischen eine zunehmende Datenlage, die nahelegt, dass Methotrexat die Impfantwort gegen SARS-CoV‑2 beeinträchtigt [38,39,40]. Diese Datenlage ist in den aktuellen Stellungnahmen zu MTX [41] und den Handlungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) für die Betreuung von Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen im Rahmen der SARS-CoV-2/COVID-19-Pandemie einschließlich Empfehlungen zur COVID-19-Impfung [42] adäquat berücksichtigt worden. Dabei ist und bleibt die wesentliche Botschaft: trotz der vorliegenden Unklarheiten alle Patienten impfen und allen klarmachen, dass sie sich danach trotzdem weiter mit den üblichen hygienischen Maßnahmen wie Abstandhalten und Masketragen schützen müssen.