Einleitung

SARS-CoV‑2 ist ein neuartiges Coronavirus, welches sich derzeit pandemisch ausbreitet und zu einer Atemwegserkrankung (COVID-19; Coronavirus-Krankheit-2019) mit variablem Verlauf führt [1]. Neben asymptomatischen bzw. kaum symptomatischen Verläufen gibt es schwere Verläufe bis hin zu einer viralen Lungenentzündung mit ARDS [2]. Aufgrund der Aktualität des Geschehens gibt es derzeit noch keine verlässlichen Zahlen bezüglich des genauen Anteils der schweren Verläufe unter allen Infizierten. Die Entwicklungen in der Stadt Wuhan (Provinz Hubei, Volksrepublik China), in der Lombardei (Norditalien), in der Region Grand Est (Frankreich) und in New York City (USA) zeigen uns jedoch, dass eine unkontrollierte Ausbreitung des Virus und der damit einhergehenden Anzahl an schweren Verläufen ein Gesundheitssystem überfordern kann, mit verheerenden Folgen für die Patienten und das medizinische Personal.

COVID-19 hat im Vergleich zu anderen Atemwegserkrankungen spezielle Charakteristika. Es zeigen sich neben schweren bis hin zu tödlichen Verläufen auch häufige milde Verläufe sowie eine Infektiosität schon kurz vor Symptombeginn [3,4,5,6]. Diese Charakteristika zusammen mit der aktuell bestehenden weltweiten Verbreitung machen es wahrscheinlich, dass das Infektionsgeschehen uns über einen längeren Zeitraum bis zur Entwicklung eines Impfstoffs begleiten wird.

Um eine unkontrollierte Ausbreitung der Infektion zu unterbinden, ist es essenziell, Infektionsketten konsequent zu durchbrechen. Daher ist die frühe Erkennung und Separierung von Verdachtsfällen unerlässlich [7]. Hierin sehen wir eine große Herausforderung, vor der auch besonders wir in der Notfall- und Rettungsmedizin Tätige stehen. Ziel unserer Arbeit ist es aufzuzeigen, wie sich die primäre klinische Präsentation der Patienten zum Zeitpunkt einer Krankenhausaufnahme darstellt.

Methodik

In unserer Klinik wurde der erste COVID-19-Fall am 15.03.2020 stationär aufgenommen. Anhand von insgesamt 35 mittels PCR gesicherten COVID-19-Patienten, welche zwischen dem 15.03.2020 und 27.03.2020 eine Indikation zur stationären Versorgung hatten, möchten wir deskriptiv zeigen, wie sich die Initialdiagnostik bei COVID-19 in der Notfallmedizin darstellt. Als Quelle dienen hierfür die im Krankenhausinformationssystem erfassten Daten zum Zeitpunkt der Aufnahme (Cockpit Synopsis ZNA, AGFA ORBIS). Ambulant verbliebene Patienten fanden keinen Eingang in die Auswertung, da in diesen Fällen durch uns keine Labordiagnostik zum Nachweis auf Coronavirus durchgeführt wurde. Wir haben die in der Anamnese beschriebenen und beobachteten Symptome zu größeren Kategorien zusammengefasst.

Ergebnisse

Die Altersverteilung der hier berichteten 35 Fälle lag zwischen 46 und 89 Jahren (Mittelwert 69 Jahre). 51 % der Patienten waren Frauen. Der (teilweise geschätzte) Symptombeginn lag im Durchschnitt 6 Tage vor Aufnahme (Bereich: 1–17 Tage). Die häufigsten Symptome waren Husten (74 %, trockener Husten, Reizhusten oder produktiver Husten) und Fieber oder Schüttelfrost (80 %, anamnestisch in den letzten Tagen vom Patienten bemerkt oder bei Vorstellung gemessen) sowie Luftnot, Kurzatmigkeit oder Tachypnoe (51 %). Häufig wurde zusätzlich von einer allgemeinen Schwäche, Abgeschlagenheit, Müdigkeit oder Schwindel berichtet (49 %) bis hin zu Synkopen oder Stürzen (14 %). Relativ häufig fand sich anamnestisch auch eine gastrointestinale Beteiligung mit Durchfall, Übelkeit oder abdominellen Schmerzen (23 %). Verwirrtheit oder Desorientiertheit trat bei 11 % der Fälle auf. Hals‑, Kopf- oder Gliederschmerzen bzw. Rippenschmerzen bei 17 % der Fälle. Weiterhin wurde noch von einem reduzierten Appetit oder veränderten Geschmacksempfinden berichtet (14 %). Ein Patient wurde mit einer fokal-neurologischen Symptomatik vorstellig. Bei den meisten Patienten (83 %) fand sich eine periphere O2-Sättigung von 95 % oder weniger unter Raumluft gemessen. Die mittlere peripher gemessene O2-Sättigung unter Raumluft lag bei unseren Fällen bei 92 %. Die mittlere Temperatur bei Aufnahme war 37,9 °C (Bereich: 36–39,4 °C).

In der erweiterten Diagnostik in der Notaufnahme zeigten sich in den meisten unserer Fälle (75 %) zumindest diskrete Auffälligkeiten im Röntgenbild des Thorax. Das CRP lag im Mittel bei 89 mg/l (Bereich: normwertig bis 262 mg/l). Das Prokalzitonin war bis auf einzelne Ausnahmen normwertig. Die mittlere Leukozytenzahl lag bei 6843/µl bei insgesamt einer hohen Variabilität (Standardabweichung 2908/µl; Bereich 2770/µl–18.660/µl). Der prozentuale Anteil der Lymphozyten lag im Mittel bei 15,2 %, ebenfalls bei einer insgesamt hohen Variabilität (Standardabweichung 7,2 %, Bereich 6,7–38,4 %). Eine ähnlich hohe Variabilität fand sich bei dem prozentualen Anteil der Neutrophilen (im Mittel 75,5 %, Standardabweichung 9,5 %, Bereich 48,2–87,4 %). Das LDH war häufig zumindest leicht erhöht (im Mittel 366 U/l, Bereich 183–653 U/l). Auffallend waren relativ niedrige Natriumwerte bei unseren Patienten (im Mittel 133 mmol/l, Bereich 114–145 mmol/l).

Vier der 35 Fälle wurden primär auf die Intensivstation aufgenommen (11 %). Klinische Kriterien für die Entscheidung zur primären Aufnahme auf die Intensivstation waren vor allem die reduzierte O2-Sättigung (mittels arterieller BGA verifiziert) und das Vorliegen einer Tachypnoe. Bei 3 unserer Fälle konnte in der Aufnahmesituation ein gesicherter Kontakt zu COVID-19 erfragt werden, bei 9 Fällen wurde jedoch auch bei genauem Nachfragen kein Kontakt beschrieben, für die restlichen 23 Patienten liegt keine Dokumentation zu möglichen Kontakten vor.

Outcome

Von den 35 Patienten wurden 5 direkt auf die Intensivstation aufgenommen. Insgesamt wurden im Verlauf 18 Patienten (51 %) intensivmedizinisch behandelt. Von diesen mussten 12 (66,6 %) invasiv beatmet werden, der Rest von 8 Patienten nichtinvasiv (33,3 %). 7 dieser Patienten (21 %) sind verstorben.

Im Mittel betrug die stationäre Verweildauer 16 Tage (5–47 Tage). 2 Patienten wurden in eine stationäre Anschlussheilbehandlung verlegt. 26 Patienten konnten nach Hause entlassen werden.

Diskussion

Husten und Fieber sind in Deutschland die häufigsten bei COVID-19-Patienten berichteten Symptome [8], Husten findet sich unter den COVID-19-Patienten in Deutschland bei 50 % und Fieber bei 42 % der Fälle. Diese Werte sind bei unseren Patienten mit 74 % (Husten) und 80 % (Fieber oder Schüttelfrost) deutlich höher. Allerdings bleibt auch in der Notaufnahme ein relativ großer Anteil von Patienten, die keine Atemwegssymptome haben.

In unserer Gruppe von 35 Patienten bestand aufgrund des klinischen Zustands generell eine Indikation zur stationären Behandlung. Stationäre Aufnahmen allein aus Gründen der Isolation fanden im beschriebenen Zeitraum nicht mehr statt. Damit kann man davon ausgehen, dass die Patienten, die sich in unserer ZNA vorgestellt haben, klinisch insgesamt deutlich schwerer betroffen waren als der Durchschnitt aller von COVID-19 betroffenen Patienten. Dies zeigt sich auch daran, dass bei insgesamt 51 % unserer Patienten respiratorische Symptome wie Luftnot, Kurzatmigkeit oder Tachypnoe vorlagen. Passend hierzu fanden wir auch sehr konsistent eine erniedrigte peripher gemessene O2-Sättigung unter Raumluft bei unseren Patienten (im Mittel 92 %). Bei einem Großteil unserer Patienten (83 %) lag die O2-Sättigung bei 95 % oder weniger. Vier der 35 Patienten mussten primär auf eine Intensivstation aufgenommen werden. Der hohe Anteil an Patienten mit auffälligen respiratorischen Symptomen spiegelt sich auch in der Quote der im Verlauf intensivmedizinisch zu behandelnden Patienten wider.

Damit waren die reduzierte O2-Sättigung unter Raumluft und eine pathologische Atmung zusätzlich zu den häufigen Symptomen Husten und Fieber weitere wichtige Indikatoren für eine COVID-19-Erkrankung, die schon beim Erstkontakt mit den Patienten erhoben werden können. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass die subjektive Wahrnehmung unserer Patienten häufig nicht den objektiven Messwerten entspricht. Selbst bei einer deutlichen Hypoxie und Tachypnoe berichten Patienten, dies selbst nicht zu bemerken. Sofern eine Dyspnoe bzw. beginnende Tachypnoe bestand, zeigte sich dies häufig auch am Einsatz der Bauchatmung. Dieser Umstand könnte dazu führen, dass die Krankheitsschwere durch Patienten und Behandler unterschätzt wird.

Auffällig an unserer Patientengruppe fanden wir den relativ hohen Anteil an Patienten mit gastrointestinalen Symptomen sowie den Umstand, dass einzelne Patienten mit neurologischen Symptomen auffällig waren und in einem Fall allein ein fokal-neurologisches Defizit vorlag.

Wichtig ist, dass alle Symptome aktiv abgefragt bzw. aus der klinischen Beobachtung heraus ermittelt werden müssen. Aufgrund des zum Teil relativ langen Krankheitsverlaufs bis zur stationären Vorstellung müssen die Symptome auch aktiv für die vergangenen Tage erfragt werden. Wenn von den Patienten selbst Fieber nicht gemessen wurde, dann hilft auch die Frage nach Schüttelfrost und Kältegefühl in den letzten Tagen. Neben der Frage nach Kontakt zu gesicherten COVID-19-Fällen ist auch die Frage sinnvoll, ob Verwandte oder andere enge Kontaktpersonen in den letzten Tagen Krankheitssymptome gezeigt haben.

Wie generell bei Infektionserkrankungen zeigten gerade ältere Patienten häufiger ein atypisches Bild, z. B. mit Verwirrung oder auch Exsikkose aufgrund reduzierter Trinkmenge oder auch zusätzlich bestehender Durchfälle. Es war durchaus möglich, dass die Einweisung primär wegen der Verwirrung oder eines Sturzes oder einer Synkope erfolgte und erst aufgrund z. B. einer erhöhten Temperatur und eines auffälligen Röntgenbilds der Verdacht auf COVID-19 als Ursache der Symptome gefallen ist. Eine Übersicht über die verschiedenen Symptome und deren Häufigkeit zeigt Tab. 1.

Tab. 1 Deskriptive Statistik der Patienten sowie der anamnestisch berichteten Symptome bei Aufnahme bzw. in den Tagen zuvor

Insgesamt waren die bei uns erhobenen Laborparameter sowie auch das Röntgenbild relativ unspezifisch. Dies lässt sich vermutlich mit vorliegenden Komorbiditäten sowie auch teilweise bestehenden bakteriellen Superinfektionen erklären. Nachdem wir uns hier auf die klinische Präsentation in der Aufnahmesituation fokussiert haben, wurde auf eine zusätzliche Berücksichtigung von Komorbiditäten verzichtet. Aus unserer Sicht sollte in der Notfall- und Rettungsmedizin zur Identifikation von wahrscheinlichen Verdachtsfällen das Hauptaugenmerk auf der klinischen Präsentation, der peripheren O2-Sättigung, der Körpertemperatur und der erweiterten Anamnese liegen.

Fazit für die Praxis

  • Es gibt einen relativ großen Anteil von COVID-19-Patienten ohne Fieber oder respiratorische Symptome.

  • Gastrointestinale oder neurologische Symptome als alleiniges Symptom einer COVID-19-Erkrankung kommen häufig vor.

  • Bei allen unklaren Beschwerden, mit denen Patienten in einer ZNA vorgestellt werden, sollte während der Pandemie an COVID-19 gedacht werden, gerade auch dann, wenn respiratorische Symptome oder Fieber fehlen. Dies gilt insbesondere für ältere Patienten.

  • Respiratorische Einschränkungen werden von den Patienten häufig nicht wahrgenommen. Es besteht die Gefahr, die Erkrankungsschwere zu unterschätzten.

  • Symptome müssen aktiv erfragt werden, auch für die vergangenen Tage.

  • Ältere Patienten präsentieren sich häufiger auch mit unspezifischen Symptomen.