Das Ziel der vorliegenden Publikation ist die Darstellung der wichtigsten Neuerungen, die die Global Initiative for Asthma (GINA) im Management des Kindes mit Asthma empfiehlt. GINA gibt keine Leitlinien, sondern jährliche Expertenempfehlungen heraus (www.ginasthma.org). Diese Empfehlungen sollen auf Populationsebene weltweite Wirkung haben und sind nicht immer kompatibel mit länderspezifischen Leitlinien oder behördlichen Zulassungen von Therapien im Asthmamanagement. Im zweiten Teil der Arbeit wird auf die Auswirkungen von COVID-19 auf Kinder mit Asthma eingegangen.

Pathophysiologie

In der Phänotypisierung des kindlichen Asthmas geht GINA aktuell auf die 2 verschiedenen Endotypen Typ-2-Asthma und Non-Typ-2-Asthma (oder Typ-2-Asthma low) ein. Diese Differenzierung ist vor allem als klinisch behandelbares Charakteristikum („treatable trait“) von Bedeutung. Beim Typ-2-Asthma sind sowohl im Blut als auch im induzierten Sputum die eosinophilen Zellen erhöht, während beim Non-Typ-2-Asthma neutrophile Zellen überwiegen oder eine paucigranulozytäre Zellverteilung vorliegt. Die dominanten Zellen des Typ-2-Asthmas sind Th2-Zellen, „innate lymphoid cells 2“ (ILC2), natürliche Killerzellen und Mastzellen, während beim Non-Typ-2-Asthma Th1- und Th17-Zellen überwiegen. Die entsprechenden Zytokine sind bei ersterem IL3, IL4, IL5, IL9, IL13 und Periostin, bei letzterem IF‑γ, IL17, IL22, IL23 und IL8.

Therapie des milden Asthmas

Die fundamentalste Änderung im Asthmamanagement wurde von GINA bereits 2019 vorgeschlagen [1, 2]. Aus Sicherheitsgründen empfiehlt GINA die alleinige Verwendung von kurzwirksamen Betamimetika (SABA) nicht mehr. Diese Sicherheitsbedenken stammen in erster Linie aus Untersuchungen an Erwachsenen mit Asthma, bei denen eine schlechte Adhärenz mit der empfohlenen inhalativen Steroidtherapie (ICS), ein ungerechtfertigt hoher SABA-Verbrauch und ein damit einhergehendes erhöhtes Asthmaexazerbationsrisiko gefunden wurde [3]. Die Autoren folgern, dass vor allem bei Erwachsenen zu viele Patienten mit Asthma auf die Kurzzeitwirkung des SABA vertrauen und ihre Symptome zu lange ausschließlich damit behandeln, was aufgrund der fehlenden antiinflammatorischen Wirkung zu vermehrten Exazerbationen führen kann. Eine Verwendung von 3 oder mehr SABA-Dosieraerosolen pro Jahr (entspricht z. B. mindestens 600 Hüben Salbutamol) erhöht das Risiko, eine Asthmaexazerbation zu erleiden, um 26 % [3]. Eine so hohe Anzahl von jährlichen SABA-Inhalationen wird wohl bei Kindern und Jugendlichen kaum oder nie erreicht werden.

Unterstützt wurde diese Empfehlung von 2 großen Studien im Jahr 2018 bei Erwachsenen und einem Anteil von Jugendlichen von 9,9 und 12,5 % der untersuchten Population mit mildem persistierendem Asthma (GINA-Stufe 2), bei denen ein Vorteil der Bedarfstherapie mit ICS plus Formoterol gegenüber einer alleinigen SABA-Therapie gezeigt wurde [4] und dass die Bedarfs-ICS plus Formoterol-Therapie nicht schlechter abschnitt als eine tägliche Langzeittherapie mit ICS [5]. Dies traf jedoch nur auf die Anzahl der Exazerbationen, nicht jedoch auf andere Parameter wie Lungenfunktion, Symptomenkontrolle und Lebensqualität zu.

In der Folge gab es sehr viel Kritik an dieser Empfehlung, weil Daten zu GINA-Stufe 2 auf GINA-Stufe 1 ohne Evidenz übertragen wurden [6]. Daraufhin definierte GINA das milde Asthma neu, empfiehlt jetzt keine Trennung mehr zwischen episodischem (GINA-Stufe 1) und mild persistierendem (GINA-Stufe 2) Asthma und zieht bei Erwachsenen und Jugendlichen Stufe 1 und 2 zusammen. GINA hält fest, dass in den verschiedenen Stufen nicht unterschiedliche Phänotypen oder Schweregrade abgebildet werden sollten, sondern notwendige Therapiemaßnahmen zur Symptomenkontrolle und zur Reduktion von Exazerbationen des Asthmas [7]. Daher wird als Track 1 in Therapiestufe 1 und 2 bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren eine Bedarfstherapie von niedrig dosiertem ICS plus Formoterol als bevorzugter „controller“ empfohlen. Das Betamimetikum soll in allen Therapiestufen als „reliever“ nicht mehr allein, sondern auch als ICS plus Formoterol gegeben werden (Abb. 1). Dies wird empfohlen, wenn Asthmasymptome an weniger als 4–5 Tagen pro Woche auftreten (eine Häufigkeit von Symptomen, die bei Kindern und Jugendlichen eindeutig einem persistierenden Asthma entspricht und bei der in allen Leitlinien zum kindlichen Asthma eine tägliche ICS-Therapie und keine alleinige SABA-Therapie empfohlen wird; [8]).

Abb. 1
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GINA-Stufenplan der Asthmatherapie bei Jugendlichen. (GINA© 2021 Global Initiative for Asthma, reprinted with permission. Available from www.ginasthma.org)

Der Alternativweg Track 2 trennt weiterhin Therapiestufe 1 (Symptome seltener als zweimal pro Monat) und Stufe 2 (Symptome zweimal oder häufiger pro Monat aber seltener als an 4–5 Tagen der Woche) und empfiehlt in Stufe 1 als „preferred controller“ bei Gabe eines SABA zusätzlich ein ICS (welches auch immer). In Stufe 2 wird eine Erhaltungstherapie mit täglichem ICS und SABA bei Bedarf vorgeschlagen. Dieser Track 2 soll bei jenen Patienten angewandt werden, die wenig oder keine Exazerbationen haben und wird auch bei Kindern zwischen 6 und 11 Jahren empfohlen (Abb. 2). Für Kinder unter 5 Jahren wird in Stufe 1 kein „preferred controller“ und alleiniges SABA als „reliever“ empfohlen. Stufe 2 ist identisch für Kinder zwischen 6 und 11 Jahren (Abb. 3).

Abb. 2
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GINA-Stufenplan der Asthmatherapie bei 6‑ bis 11-jährigen Kindern. (GINA© 2021 Global Initiative for Asthma, reprinted with permission. Available from www.ginasthma.org)

Abb. 3
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GINA-Stufenplan der Asthmatherapie bei Vorschulkindern. (GINA© 2021 Global Initiative for Asthma, reprinted with permission. Available from www.ginasthma.org)

Da diese neuen Empfehlungen besonders für Kinder und Jugendliche unter Umständen nicht für alle Populationen gleich geeignet sind, haben sich mehrere Fachgesellschaften in Österreich, Deutschland und der Schweiz zusammengeschlossen und Ende 2020 ein Addendum zur 2017 erstellten DACH-Leitlinie für die Diagnose und die Therapie des Asthmas ausgearbeitet [8].

Ich zitiere aus diesem Addendum 2020: „Im Unterschied zu Erwachsenen werden bei Kindern und Jugendlichen deutlich weniger Symptome akzeptiert, um das Asthma als kontrolliert einzustufen. Eine bedarfsorientierte Inhalation eines kurzwirksamen inhalativen Beta-2-Sympathomimetikums (SABA) reicht zur Symptomkontrolle aus. Treten häufigere oder regelmäßige Beschwerden auf, ist eine Dauertherapie mit niedrigdosierten ICS indiziert, da diese das Risiko schwerer Asthmaexazerbationen, des Abfalls der Lungenfunktion und des Kontrollverlustes reduzieren können [7]. Bei Jugendlichen (nicht jedoch bei Kindern) gibt es Hinweise, dass eine Bedarfstherapie mit einer Fixkombination aus einem ICS und Formoterol (ICS/Formoterol-Fixkombination) die Wahrscheinlichkeit reduziert, mittelschwere bis schwere Asthma-Exazerbationen zu erleiden [4, 5].“

Diese sehr aktuelle mitteleuropäische Leitlinie für das Asthma bei Kindern und Jugendlichen unterscheidet sich daher in mehreren Punkten von den GINA-Empfehlungen, was ja durchaus verständlich ist, da GINA damit in erster Linie eine weltweit gültige „population-level risk reduction strategy“ verfolgt, während länderspezifische Leitlinien auf die lokalen Gegebenheiten mehr Rücksicht nehmen.

In Ergänzung zu diesen wissenschaftlichen Fakten und Überlegungen müssen auch Aspekte der Anwendung der verschiedenen Inhalationsgeräte besonders bei Kindern berücksichtigt werden, worauf GINA nicht explizit eingeht. Der Turbohaler (für die empfohlene ICS-/Formoterol-Fixkombination) war eines der ersten Geräte zur Inhalation von Trockenpulver und verfügt noch nicht über hilfreiche Feedbacksignale (optisch, olfaktorisch und akustisch) zur individuellen Überprüfung der Inhalationstechnik wie dies in moderneren Inhalationsgeräten der Fall ist. Zudem ist der zu einer optimalen intrabronchialen Teilchengrößendeposition notwendige inspiratorische Spitzenfluss von 60 l/min sehr hoch und wird von vielen Kindern vor allem bei einer Atemwegsobstruktion nicht erreicht. Die Bedarfs-ICS-plus-Formoterol-Therapie (mittels Turbohaler) ist bei Kindern unter 12 Jahren in Österreich nicht zugelassen.

GINA empfiehlt in Stufe 2 bei 6‑ bis 11-jährigen Kindern Leukotrienrezeptorantagonisten (LTRA) als „controller options“, während die österreichischen Kinderpneumologen aufgrund des aktuellen „blackbox warning“ der FDA bezüglich beunruhigender neurologischer und psychiatrischer Nebenwirkungen eine sehr restriktive Haltung zu LTRA einnehmen [9].

Therapie des schweren Asthmas

An einem schweren Asthma leiden 1–3 % der Kinder mit Asthma. Mehrere Studien zeigten, dass inhalatives Tiotropiumbromid, ein langwirksames Anticholinergikum, als Add-on-Therapie zu hochdosierten ICS (GINA Stufe 5) zu einer signifikanten Zunahme des FEV1 führen kann [10]. In Österreich ist Tiotropium aktuell ausschließlich als Spiriva® Respimat (Boehringer Ingelheim, Deutschland) ab 6 Jahren für schweres Asthma zugelassen.

Mepolizumab und Reslizumab, 2 Anti-IL5-Antikörper, sowie Benralizumab, ein Anti-IL5-Rezeptor-Antikörper, sind intensiv in der Therapie des schweren unkontrollierten Asthmas mit Eosinophilie als Add-on-Therapie untersucht worden und Mepolizumab ist für Kinder und Jugendliche ab 6 Jahren in dieser Indikation zugelassen. Der Anti-IL4-Rezeptor-Antikörper (blockiert den Signalweg für IL4 und IL13) Dupilumab ist für schweres refraktäres Typ-2-Asthma des Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahre als Add-on-Therapie zugelassen. Bei Asthmapatienten, die eine Langzeittherapie mit einem oralen Glukokortikoid hatten, wurde durch die Gabe von Dupilumab als Add-on-Therapie die Glukokortikoiddosis um 70 % reduziert [11].

Sowohl in GINA 2019/2020 als auch in der länderübergreifenden aktuellen S2-k-DACH-Leitlinie [12] finden sich erstmals – allerdings etwas unterschiedliche – Empfehlungen für den Einsatz der spezifischen Immuntherapie beim Asthma des Kindes.

Therapie des Non-Typ-2-Asthmas

In der Therapie des Non-Typ-2-Asthmas hat sich wenig geändert. Die Verabreichung eines Anti-IL17-Antikörpers (Brodalumab) zeigte keinen Effekt bei Erwachsenen mit unkontrolliertem moderaten oder schweren Asthma. Die Gabe von Makroliden als Add-on-Therapie zu ICS und LABA bewirkte bei einer Subgruppe von erwachsenen Patienten mit nichteosinophilem Asthma eine signifikante Reduktion der Asthmaexazerbationen. Azithromycin wurde auch zur Therapie des Asthmas im Vorschulalter untersucht. Dabei zeigte eine Studie eine Reduktion der Tage mit Atemwegsobstruktion um 63 % [13] und eine zweite Studie fand eine signifikante Verringerung der Progression einer obstruktiven Bronchitis zu einer schweren Infektion [14]. Aufgrund der Sorge möglicher Nebenwirkungen wie QT-Verlängerung, Ototoxizität und vor allem der potenziellen Zunahme der Makrolidresistenzen kann eine allgemein gültige Empfehlung für die Verwendung von Makroliden bei rezidivierenden obstruktiven Bronchitiden oder dem Asthma bei Kindern nicht gegeben werden [15].

Auswirkungen von COVID-19 auf Kinder mit Asthma

Als im März 2020 der erste Lockdown wegen der Zunahme von SARS-CoV-2-Infektionen in Österreich ausgesprochen wurde, war die Sorge von Patienten mit Asthma groß, schwerer oder häufiger an COVID-19 zu erkranken als atemwegsgesunde Menschen. Eltern von Kindern mit Asthma waren besonders verunsichert. Bald hat sich jedoch herausgestellt, dass diese Sorgen unberechtigt sind. In Österreichs Kinder- und Jugendabteilungen kam es zu keinen vermehrten stationären oder ambulanten Vorstellungen wegen Asthmaproblemen (regelmäßige Umfrage der AG Infektiologie der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde [ÖGKJ]). In einer europäischen Umfrage an 174 Asthmabetreuungszentren wurde kein erhöhtes Risiko für Kinder mit Asthma und SARS-CoV-2-Infektion gefunden (im Unterschied zu Kindern mit bronchopulmonaler Dysplasie; [16]). Dies wurde auch in mehreren anderen Ländern der Welt bestätigt [17]. Kinder mit Asthma erkranken nicht häufiger oder schwerer an COVID-19 als Kinder ohne Asthma. In der Folge zeigten Untersuchungen, dass die COVID-19-Pandemie mit den entsprechenden Lockdowns zu einer Reduktion von stationären Aufnahmen und Notfallvorstellungen von Kindern und Jugendlichen mit Asthma führte [18]. Vielleicht konnten einige Asthmaattacken schon im Vorfeld durch die sich im Homeoffice befindlichen Betreuungspersonen ausreichend beherrscht werden. Es gibt jedoch auch Vermutungen und Hinweise, dass folgende Mechanismen dafür verantwortlich sein könnten [19]:

  • Das Tragen von Gesichtsmasken, das Abstandhalten und die Händedesinfektion reduzieren generell virale Infekte als Auslöser für Asthmaattacken

  • Die Medikamentenadhärenz, vor allem für ICS, steigt in der Pandemie aus Furcht vor COVID-19

  • Antivirale und immunmodulierende Rolle der ICS

  • Allergisches Asthma führt zu weniger IFN-α-Produktion und damit weniger Inflammation bei COVID-19

  • Protektive Rolle der eosinophilen Zellen

  • Allergische Sensibilisierung führt zur Downregulation von ACE2-Rezeptoren und damit weniger SARS-CoV-2-Viruseintritt in die Lunge

Es ist daher unsere Aufgabe als Kinderärztinnen und -ärzte, Eltern und Patienten mit Asthma bezüglich COVID-19 zu beruhigen, sie zur konsequenten Verwendung ihrer Medikamente zu motivieren und zur Teilnahme an den angebotenen SARS-CoV-2-Impfungen aufzufordern.

Fazit für die Praxis

  • Die zwei Endotypen Typ-2-Asthma und Non-Typ-2-Asthma sind behandelbare Charakteristika („treatable traits“).

  • Kurz wirksame Betamimetika (SABA) sollten aus Sicherheitsgründen zur Verhinderung möglicher Asthmaexazerbationen nicht ohne inhalative Steroide gegeben werden.

  • Bei Jugendlichen kann das ICS bei mildem Asthma auch als Bedarfstherapie mittels niedrig dosiertem ICS-Formoterol verwendet werden.

  • Bei Schul- und Vorschulkindern ist weiterhin die tägliche Inhalation von ICS und SABA bei Bedarf die Therapie der Wahl, wenn häufige Symptome bestehen.

  • Tiotropiumbromid und Mepolizumab können ab 6 Jahren, Dupilumab ab 12 Jahren als Add-on-Therapie beim schweren Asthma eingesetzt werden.

  • Makrolide können beim Non-Typ-2-Asthma nicht generell empfohlen werden.

  • Kinder mit Asthma erkranken nicht häufiger oder schwerer an COVID-19 als Kinder ohne Asthma.