Mit dieser Studie evaluieren wir die Akzeptanz (einverstanden mit den Maßnahmen) und Compliance (Umsetzung der Maßnahmen) von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) beim Rettungsdienstpersonal in Deutschland in Pandemiezeiten. Die PSA spielt eine wichtige Rolle um eine Verbreitung der COVID-19-Infektionen zu reduzieren.

COVID-19-Pandemie

Ende Dezember 2019 kam es zum Ausbruch einer Viruserkrankung, die als COVID-19-Pandemie bekannt wurde, verursacht durch „severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“ (SARS-CoV-2). Zunächst breitete sich das Virus in China aus. Im weiteren Verlauf wurde die Viruserkrankung von der WHO zu einer weltweiten Pandemie erklärt [1,2,3]. Die Pandemie führte auch in Deutschland zu einer Ausnahmesituation mit enormen Auswirkungen auf das öffentliche Leben [4, 5] und die Wirtschaft [6,7,8,9]. Im Rahmen der ersten Infektionswelle (Anfang März bis Anfang Mai 2020) wurde das gesamte Gesundheitswesen zwar gefordert, jedoch noch nicht mit an COVID-19 erkrankten Patienten überfordert [10]. Dieser Zustand änderte sich ab Herbst 2020. Die gemeldeten COVID-19-Fälle auf den Intensivstationen hatten ihren Höhepunkt bis zum jetzigen Zeitpunkt von Anfang Dezember 2020 bis Mitte Januar 2021 (Abb. 1a, Quelle: DIVI-Intensivregister). Genau zu diesem Zeitpunkt des Anstiegs an COVID-19-Fällen in Deutschland war unsere Onlineumfrage aktiv. Konkordant zeigte sich zu diesem Zeitpunkt am Beispiel der Feuerwehr Oberhausen ein Höhepunkt von notwendigen Desinfektionen der rettungsdienstlichen Einsatzfahrzeuge (Abb. 1b) nach COVID-19-Infektionstransporten (zusätzlich zu den regelhaften Desinfektionen der Einsatzfahrzeuge).

Abb. 1
figure 1

a Gemeldete intensivmedizinisch behandelte COVID-19-Fälle. (Quelle: DIVI(Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin)-Intensivregister); b COVID‑19(coronavirus disease-2019)-Desinfektionen RTW(Rettungswagen)/KTW(Krankentransportwagen) Feuerwache 1 Oberhausen

Übertragungswege und die Rolle von persönlicher Schutzausrüstung und AHA-L-Regel

Die PSA ist während der aktuellen COVID-19-Pandemie zu einem wichtigen und emotionalen Thema geworden.

Zu Beginn der Pandemie herrschte ein Mangel an PSA in Deutschland [11].

Das Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2 (SARS-CoV‑2) wird überwiegend durch Tröpfchen und/oder Aerosole übertragen [12]. Hirose et al. konnten zudem eine längere Überlebenszeit auf der menschlichen Haut nachweisen (Schmierinfektion) und haben die wichtige Rolle der Händehygiene hervorgehoben [13]. Eine Übertragung über die Luft kann auftreten, wenn bei Atemtätigkeit, Sprechen, Niesen, Husten oder bei medizinischen Eingriffen Speichel und andere Sekrete der Schleimhäute und des respiratorischen Flimmerepithels vernebelt und als Tröpfchen und Aerosole (Tröpfchenkerne) an die Umgebung abgegeben werden. Aerosole zeigen eine geringe Größe von unter 5 µm auf und können einfacher in die unteren Atemwege gelangen. Tröpfchen und Aerosole enthalten Partikel, die größere Entfernungen zurücklegen und länger in der Luft bleiben können. Santarpia et al. konnten nachweisen, dass SARS-CoV‑2 bis zu 3 h in Aerosolen lebensfähig ist [14, 15]. Sie können zudem Schleim- und Bindehäute benetzen und auch dort Infektionserreger übertragen [16].

Die PSA ist generell ein wichtiger Teil eines Systems zum Schutz des Personals und anderer Patienten vor Infektionen [17,18,19].

Zum Zeitpunkt der Studie wurden vom Robert Koch-Institut sowohl Regeln für den Alltag als auch PSA-Empfehlungen in Einrichtungen des Gesundheitswesens und beim Transport von COVID-19-positiven Patienten beschrieben [20]. Neben der PSA wurden außerdem Verhaltensregeln (AHA-L) empfohlen. Diese beinhalten Abstand halten (> 1,5 m), Händehygiene, generell Masken tragen bei Kontakt mit anderen Personen und regelmäßiges Lüften von geschlossenen Räumen [21].

Belastung der Einsatzkräfte durch COVID-19

Am Beispiel der Städte Essen und Oberhausen zeigt sich eine über den Zeitraum von Januar 2020 bis Januar 2021 gleichmäßige Verteilung der rettungsdienstlichen Einsatzzahlen (Abb. 2). Zum Zeitpunkt der 2. Pandemiewelle stiegen die Einsatzzahlen allenfalls gering. Nahezu exponentiell stieg die Anzahl der Desinfektionen von Einsatzfahrzeugen in der Stadt Oberhausen (Abb. 1b, zusätzliche Desinfektionen nach COVID-19-Transporten). Somit zeigt sich eine deutliche Veränderung der Einsatzqualität. Die Belastung in den Einsätzen kann durch das Tragen von Vollschutzausrüstungen potenziert werden. Hinzu kommen zusätzlich aufwendigere Desinfektionen der rettungsdienstlichen Fahrzeuge zum Einsatzende.

Abb. 2
figure 2

Rettungsdiensteinsätze a Stadt Essen. b Stadt Oberhausen

Methode

Fragebogen

Es wurde ein Fragebogen mit standarisierten und geschlossenen Fragen erstellt (Tab. 1).

Tab. 1 Umfrage

Aus Gründen des Datenschutzes wurden keine persönlichen Daten gespeichert. Die Teilnehmer wurden darüber informiert, dass die Beantwortung der Fragen freiwillig und anonym ist und dass die Ergebnisse wissenschaftlich ausgewertet und veröffentlicht werden.

Die Umfrage wurde online und webbasiert durchgeführt (Umfrageonline.com, enuvo GmbH, Zürich, Schweiz). Die Fragen Q1 bis Q8 konnten jeweils mittels 5‑Punkt-Likert-Skala beantwortet werden (1 = trifft nicht zu, 2 = trifft weniger zu, 3 = teils/teils, 4 = trifft eher zu, 5 = trifft voll zu).

Stichprobe

Die Teilnahme war vom 04. Dezember 2020 bis zum 15. Januar 2021 möglich. Mehr als 270 ärztliche Leiter im Rettungsdienst wurden über die Umfrage schriftlich informiert und gebeten, einen Flyer mit QR-Code mit einem direkten Link zu der Umfrage in den Rettungswachen auszuhängen.

Die Berufsgruppen sind definiert als BG1: Auszubildende/r im Rettungsdienst, BG2: Rettungshelfer/-in, BG3: Rettungssanitäter/-in, BG4: Rettungsassistent/-in, BG5: Notfallsanitäter/-in, BG6: Notärztin/Notarzt.

Statistik

Die statistische Analyse wurde mit IBM® SPSS® Statistics Version 27.0 (IBM Corporation, Armonk, NY, USA) durchgeführt. Die Auswertung der Likert-Skalen erfolgte parametrisch [22]. Es wurde ein statistisches Signifikanzniveau von p < 0,05 angewendet (Mann-Whitney-U-Test für die parametrische Berechnung der Mittelwerte der Likert-Skalen; χ2-Test für die Berechnung der Kreuztabellen).

COVID-19-Einsätze

Die (potenziellen) COVID-19-Transporte durch Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr Oberhausen wurden wie folgt erfasst: Täglich wurden alle durch COVID-19-bedingten Desinfektionen der Einsatzfahrzeuge dokumentiert und der ärztlichen Leitung zur Verfügung gestellt.

Ergebnisse

Es wurden n = 1295 Teilnehmer dokumentiert.

Demografische Daten

Die demografischen Daten sind in Tab. 2 dargestellt. Die Mehrzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind männlich (n = 1012, 78,2 %). Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer stammen aus Nordrhein-Westfalen (n = 383, 29,6 %), Niedersachsen (n = 229, 17,7 %), Bayern (n = 153, 11,8 %) und Rheinland-Pfalz (n = 145, 11,2 %). Der Großteil ist unter 40 Jahre alt (n = 827, 63,8 %).

Tab. 2 Demografische Daten

Akzeptanz und Compliance

Die Mittelwerte der Merkmalsausprägung (1 = trifft nicht zu, 2 = trifft weniger zu, 3 = teils/teils, 4 = trifft eher zu, 5 = trifft voll zu) mit Standardabweichungen sind in Tab. 3 und Abb. 3 dargestellt. In jedem Bereich (Alltag, Rettungswache, Einsatz ohne und mit COVID-19) ist die Akzeptanz von Schutzmaßnahmen geringer als die Compliance. Die geringste Akzeptanz und Compliance findet sich bei den Fragen Q3: Rettungswache Akzeptanz (MW = 4,16; ±1,01) und Q4: Rettungswache Compliance (MW = 4,26; ±0,89) in Bezug auf die Schutzmaßnahmen in der Rettungswache. Die höchste Akzeptanz und Compliance findet sich bei den Fragen Q7: Einsatz mit COVID-19 Akzeptanz (MW = 4,88; ±0,44) und Q8: Einsatz mit COVID-19 Compliance (MW = 4,91; ±0,34) bei Einsätzen mit bestätigtem (oder Verdacht auf) COVID-19.

Tab. 3 Akzeptanz und Compliance von persönlicher Schutzausrüstung und AHA-L-Regeln
Abb. 3
figure 3

Akzeptanz und Compliance von persönlicher Schutzausrüstung und AHA-L-Regeln

Zu den Fragen Q3: Rettungswache Akzeptanz/Q4: Rettungswache Compliance erfolgten Analysen zur Verteilung des Geschlechts, des Alters und den Berufsgruppen. Dabei zeigt sich, dass die Akzeptanz und Compliance jeweils mit dem Alter (Akzeptanz: p = 0,001; Compliance: p < 0,001) und dem Grad der medizinischen Bildung (Akzeptanz: p < 0,001; Compliance: p = 0,001) signifikant steigt (Tab. 4).

Tab. 4 Kreuztabelle

Die Analyse innerhalb der nichtärztlichen Berufsgruppe zeigt bei den Fragen nach Akzeptanz und Compliance in der Rettungswache jedoch keinen signifikanten Unterschied (Q3: p = 0,07, Q4: p = 0,45). Allerdings wird der Unterschied zwischen nichtärztlichem Personal (Q3: MW von „trifft voll zu“ = 45,3 %; Q4: MW von „trifft voll zu“ = 49 %) und ärztlichem Personal (Q3: „trifft voll zu“ = 72,9 %; Q4: „trifft voll zu“ = 72,0 %) deutlich (p < 0,001). Bei den Fragen Q1, 2, 5–8 zeigte sich kein signifikanter Unterschied in Bezug auf die Berufsgruppen und das Geschlecht. In Bezug auf das Alter zeigen sich zusätzlich signifikante Unterschiede für Q2 (Compliance Alltag: p < 0,001) und Q5 (Akzeptanz ohne COVID-19: p = 0,007).

Diskussion

Unsere Ergebnisse zeigen eine sehr hohe Akzeptanz und Compliance von PSA und AHA-L-Regeln beim Personal im Rettungsdienst. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch Korth et al. Sie haben bei medizinischem Personal mit einer hohen Kontaktrate zu COVID-19-Patienten eine geringe Seroprävalenz von SARS-CoV-2-Antikörpern nachweisen können und daher auf einen effektiven hygienischen Standard geschlossen. Allerdings fand die Messung zwischen März und April 2020 statt [23].

Das Verständnis für die jeweiligen Schutzmaßnahmen scheint jedoch jeweils etwas geringer zu sein als die eigentliche Anwendung und Durchführung. Die geringste Akzeptanz und Compliance von COVID-19-Schutzmaßnahmen findet sich in der Bereitschaftszeit in der Rettungswache, hier insbesondere bei jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Haisher et al. konnten die deutliche Diskrepanz zwischen Jung und Alt in einer großen Beobachtungsstudie für das Tragen von Masken zeigen. Sie erklären die höhere Compliance der älteren Bevölkerung aufgrund der schweren COVID-19-Verläufe bei älteren Patienten [24]. Die Akzeptanz und Compliance steigt mit dem Grad der medizinischen Bildung und mit dem Alter. Allerdings ist der Unterschied innerhalb der nichtärztlichen Berufsgruppe nicht signifikant in Bezug auf Akzeptanz und Compliance. Der Unterschied zwischen nichtärztlichem und ärztlichem Personal ist jedoch deutlich signifikant.

Die Ursache für eine geringere Akzeptanz und Compliance in der Rettungswache lässt sich aufgrund unserer Ergebnisse zwar nicht belegen, jedoch diskutieren. Das Personal ist einer zusätzlichen Belastung durch ein hohes Aufkommen von Infektionstransporten und Desinfektionen (Abb. 1b) und den damit verbundenen Mehraufwand ausgesetzt. Diese zusätzliche Belastung könnte zu einer geringeren Akzeptanz und Compliance von Schutzmaßnahmen in den Ruhephasen führen, auch wenn hierdurch das Risiko einer Ansteckung im Team erhöht wird. Im Bereich der Intensivpflegekräfte in der COVID-19-Pandemie haben Kuhn und Seidlein die Gewichtung von Fürsorge und Selbstfürsorge aus ethischer Sicht diskutiert. Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Fürsorge nicht regelhaft der Selbstsorge übergeordnet werden darf. Eine Unterordnung von Selbstsorge unter Fürsorge kann jedoch zeitweise im Rahmen einer Ausnahmesituation erfolgen [25]. Diese Ausnahmesituation könnte z. B. auf die Rettungsdiensteinsätze mit hohen COVID-19-Fallzahlen zutreffen. Die hohe psychische Belastung in der Pandemie von Gesundheitsfachpersonal ist in weiteren Studien beschrieben und kann die Müdigkeit in Bezug auf Schutzmaßnahmen in den Ruhephasen in der Rettungswache erklären [26]. Andererseits könnte eine geringere Durchführung der Schutzmaßnahmen, wie z. B. Abstandsregeln, durch räumliche Situationen in den Rettungswachen begründet sein und ist durch die Befragung nicht überprüfbar. Aufgrund von fehlenden Ausweichmöglichkeiten in der Bereitschaftszeit, z. B. kleine Aufenthaltsräume, Doppelbelegung der Schlafräume etc., könnte die Einhaltung der Schutzmaßnahmen als geringer bewertet werden können. Andererseits kann die höhere Akzeptanz und Compliance des ärztlichen Personals durch eine mutmaßlich bessere räumliche Ausstattung und räumliche Trennung zu erklären sein.

Ein weiterer Grund könnte eine unzureichende Aufklärung und Ausbildung von Rettungsdienstpersonal im Umgang mit PSA und Schutzmaßnahmen in Pandemien sein, sodass durch Unwissenheit reduzierte Umsetzungen von Schutzmaßnahmen auftreten können [27,28,29].

Dem gegenüber steht die Gefahr, selbst an COVID-19 zu erkranken und/oder Kolleginnen und Kollegen anzustecken. Beim Großteil der jüngeren Patienten ist der Krankheitsverlauf zwar mild, in einigen Fällen sind jedoch auch schwere Verläufe bei jungen Patienten beschrieben [30, 31].

Limitationen und Stärken

Dies ist eine der ersten Studien, die in Deutschland bzw. weltweit durchgeführt wurde, die die Akzeptanz und Compliance von PSA bei Notärztinnen und Notärzten und Rettungsdienstpersonal während der COVID-19-Pandemie untersucht. Unsere Stichprobe ist, verglichen mit ähnlichen Studien, überdurchschnittlich groß.

Die Bedingungen während der Befragung konnten nicht kontrolliert werden: Ob der Teilnehmer abgelenkt war, andere Personen anwesend waren, die die Bearbeitung beeinflussten, oder ob einige Personen mehr als einmal teilnahmen, konnte nicht nachvollzogen werden. Die Teilnahme erforderte einen Computer oder ein mobiles Gerät mit Internetzugang. Eine Person kann von verschiedenen Computern aus teilnehmen und umgekehrt können sich mehrere Personen in einem Haushalt denselben Computer teilen.

Die von den Teilnehmern angegebene Compliance konnte im Berufsalltag nicht überprüft werden. Personen, die den Coronaregeln sehr kritisch gegenüber stehen, könnten eventuell nicht an dieser Umfrage teilgenommen haben. Die Aussagen könnten daher einen positiven Bias beinhalten.

Fazit für die Praxis

Die Akzeptanz und Compliance von PSA (persönliche Schutzausrüstung) und COVID-19-Schutzmaßnahmen (coronavirus disease-2019) ist bei Rettungsdienstpersonal im deutschen Rettungsdienst hoch. In der Bereitschaftszeit in der Rettungswache scheint der Umgang mit den Schutzmaßnahmen leicht vernachlässigt zu werden. Aufgrund unserer Ergebnisse empfehlen wir, das Rettungsdienstpersonal gezielt zu schulen. Schulungen zum Verständnis für die Übertragung zwischen den Mitarbeitern, die einerseits den Dienstbetrieb kritischer Infrastruktur, andererseits aber auch die eigenen Familien gefährdet, sind zu empfehlen. Für entsprechende Räumlichkeiten ist zu sorgen, um auch die AHA-L-Regeln (Abstand halten, Hygiene beachten, Maske tragen, regelmäßig lüften) konfliktlos umsetzen zu können.